Ode on Melancholy
No, no, go not to Lethe, neither twist
Wolf's-bane, tight-rooted, for its poisonous wine;
Nor suffer thy pale forehead to be kissed
By nightshade, ruby grape of Proserpine;
Make not your rosary of yew-berries,
Nor let the beetle, nor the death-mouth be
Your mournful Psyche, nor the downy owl
A partner in your sorrow's mysteries;
For shade to shade will come too drowsily,
And drown the wakeful anguish of the soul.
But when the melancholy fit shall fall
Sudden from heaven like a weeping cloud,
That fosters the droop-headed flowers all,
And hides the green hill in an April shroud;
Then glut thy sorrow on a morning rose,
Or on the rainbow of the salt sand-wave,
Or on the wealth of globèd peonies;
Or if thy mistress some rich anger shows,
Imprison her soft hand, and let her rave,
And feed deep, deep upon her peerless eyes.
She dwells with Beauty - Beauty that must die;
And Joy, whose hand is ever at his lips
Bidding adieu; and aching Pleasure nigh,
Turning to poison while the bee-mouth sips.
Aye, in the very temple of Delight
Veiled Melancholy has her sovran shrine,
Though seen of none save him whose strenuous tongue
Can burst Joy's grape against his palate fine;
His soul shall taste the sadness of her might,
And be among her cloudy trophies hung.
John Keats (1819)
Übersetzung ins Deutsche (Hans-Dieter Gelfert):
Ode an die Melancholie
Nein, nein geh nicht zu Lethes trübem Fluss,
Keltre nicht Wein vom giftigen Eisenhut,
Reich nicht dem Nachtschatten die Stirn zum Kuss,
Frucht der Proserpina voll dunkler Glut.
Flicht keinen Rosenkranz aus Eibenbeeren,
Mach dir zur Psyche nicht die nächt'ge Motte,
Die Eule nicht zum Partner deiner Wahl
In deiner Trauer abgeschiedner Grotte.
Denn solche Schatten, die mit Schlaf beschweren,
Ertränken nur der Seele wache Qual.
Doch wenn die Melancholie dich überfällt
Wie einer Frühlingswolke Tränenschauer,
Der welke Blumenhäupter aufrechtstellt
Und grüne Hügel sanft umhüllt mit Trauer,
Dann sauge Schwermut aus dem Schmelz der Rose,
Aus einem Regenbogen überm Strand,
Aus der Päonien rundem, prallem Schwellen.
Und trotzt die Liebste dir in stolzer Pose,
Lass zürnen sie, nimm ihre weiche Hand
Und trinke tief aus ihrer Augen Quellen.
Ihr Reich ist Schönheit - Schönheit, die vergeht,
Und Freude, die zum Gruss stets Abschied winkt,
Und Wollust, honigsüss, von Schmerz durchweht,
Die Gift wird, während noch die Biene trinkt.
Ja, tief im innersten Bezirk der Lust
Steht der Melancholie erhabner Schrein,
Sichtbar nur dem, des' Zunge auch den jähen
Schmerz in der Frucht des Glücks schmeckt. Er allein
Kennt sie, ihm reisst das Herz sie aus der Brust
und hängt's zu ihren wolkigen Trophäen.