#1

Wenn der Regen kommt

in Natur 14.08.2005 23:19
von Roderich (gelöscht)
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Wenn der Regen kommt


Wenn der Regen kommt,
wird die Luft zu Blei.
Schwerer Wolkendunst
zieht rasant herbei.

Gräser zittern blass,
neigen sich hinab.
Wolkenstiefel, nass,
brechen Halme ab.

Menschen flüchten rasch
furchtsam unter Mauern.
Die Blumen aber blühen
in orientalischen Schauern.

In Düften des Regens erzittert
die Luft in pastellfarbnen Schleiern.
Koriander, Zitronen und Ingwer
entschwinden in schlammigen Weihern.

Die Städte verneigen sich sachte
zur Erde hin, lehmig verflossen,
gereinigt vom Menschengestanke.

Ich habe den Regen genossen.



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#2

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 14:52
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Rodie (Ist das ok, wenn ich dich so nenne? Ich habe ein Faible für Abk. *g)

Ich beschäftigte mich zur Zeit mit Naturdichtung, deshalb muss ich natürlich hier meinen Senf dazu geben. Nun, ich habe mit dem Text so meine Problemchen und zwar:
Str. 1 - ,Wenn der Regen kommt’ heisst für mich, es regnet bereits, dewegen die Wolken schon an Ort und Stelle sind.
Str. 2 - die Gräser zittern blass? *g .... da scheint mir, du musstest einen Reim auf ‚nass’ finden, nicht? Schwierig, ich weiss, habe selber mal danach gesucht.
Str. 4 – pastellfarbne Taschen? lach .... bitte erklären
Str. 5 – Mensch, wenn sich die Städte neigen, dann ist das eine Katastrophe, nicht? Dann werden sie ja weggeschwemmt und das passt eher zu einem Taifun oder so, aber doch nicht zu einem Regen. Zu viel Dramatik, die du am Ende auch noch geniesst? Huch!

Und jetzt zum Formellen, ich xe mal:

XxXxXa5
XxXxXb5
XxXxXc5
XxXxXb5

XxXxXa5
XxXxXb5
XxXxXa5
XxXxXb5 (hinab/ab ... wenig originell)

XxXxXa5
XxXxXxb6
xXxXxXxc7 (Jambus?)
XxxxXxxXxb8 (huch, huch )

xXxxXxxXxa9
xXxxXxxXxb9
xxXxxXxxXxc10
xXxxXxxXxb9

xXxxXxxXxa9
xXxxXxxXxb9
xXxxXxxXxc9

xXxxXxxXxb9

Das Reimschema hältst du nicht konsequent durch und der Wechsel in der Metrik macht mich ganz konfus. (Ich hoffe, du kannst etwas Humor vertragen *g)

Grüsse
Margot



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#3

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 15:23
von Roderich (gelöscht)
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Hallo Margot,

gleich einmal vielen Dank für deine ausführliche Kritik. Zunächst aber: Rodie ist ganz okay für mich, bin ja noch ein kleiner Molketrinker.

"Wenn der Regen kommt" - ich habe das eher so gemeint, dass der Regen im anrollen ist, aber es noch nicht regnet. Aber das ist Auslegungssache, vermute ich.

"Die Gräser zittern blass" - ja ja, das "nass" hat mir schon zu schaffen gemacht, da gebe ich dir recht. Andererseits finde ich meine Lösung gar nicht mal so schlecht, denn vor einem Unwetter, wenn Wolken aufziehen, wird alles ein wenig grauer und blasser. Das, was vorher im Sonnenschein noch in den kräftigsten Farben geblüht hat, wird nun stumpf. Ich sage mal so: Dieses "blass" ist sicher eine Notlösung, aber ich finde, es macht sich nicht so schlecht.

Pastellfarbne Taschen: Okay, DAS ist eine klassische Notlösung. Die vorletzte Strophe hat mir wochenlang zu schaffen gemacht, irgendwann habe ich sie dann frustriert in die Tasche gesteckt. Mir war es wichtig, die Welt pastellfarben werden zu lassen (wegen der oben schon beschriebenen Farbdimmung und um die Gewürze in S4V3 besser herauszuarbeiten, dem Ganzen einen orientalischen Anstrich zu geben) - nur habe ich einfach nicht gewusst, was zum Geier pastellfarben sein kann. Zunächst waren es Straßen, das war meine eigentliche Intention - aber da probier einmal zu reimen ... Dörfer? Städte? Nichts, womit ich in Bezug auf S4V4 was anfangen hätte können. Da hast du mich wohl eiskalt auffliegen lassen.

Hinab/ab: Nicht besonders originell, ich weiß. Vielleicht fällt mir da noch etwas Besseres ein. Im Vergleich zu dem Taschenproblem müsste das ja ein Kinderspiel sein.

Jetzt zur Metrik: Da darf ich in Bezug auf S3V4 vorschlagen:

xXxxXxxXx
in orientalischen Schauern

Damit wäre ein "Holperer" weg.

In S4V3 werde ich aber vom Koriander erschlagen. Technisches K.O. Ich habe gehofft, dass ich hier mit einem blauen Auge davon komme.

Zum Metrikwechsel in S3: Das war ein Experiment, hier wollte ich bewusst Tempo rausnehmen. Der Regen kommt in Strophe 1 ziemlich rasch und in Strophe 2 auch noch böse daher (bricht Halme ab, der Hundling). V1,2 in S3 unterstreichen dies noch einmal. Dann kommt es aber gewissermaßen zum Perspektivenwechsel, es wird die Kehrseite gezeigt: Blumen erblühen im Regen, der Regen schafft Leben. Hier wollte ich das Tempo bewusst drosseln (Daktylus? Sorry, mit den Bezeichnungen dieser Dinosaurier kenne ich mich noch nicht so wirklich aus, ich bin noch in x-Aufmal-Phase) - ich wollte den Leser aus der unmittelbaren Wucht des Regens herausführen und mit einem langsameren Rhythmus einen distanzierteren Blick verschaffen. Da hat es mich scheinbar auf die Nase gelassen.

Die Städte, die sich verneigen: Ich dachte hier an orientalische Lehmhäuser, die im Regen gewaschen werden. Nachdem sie aus der Erde entstanden sind und so fast als Element der Natur gesehen werden können, werden sie durch den Regen gewissermaßen wieder daran erinnert und erheben sich über den Menschen. Stell dir ein extrem heißes Dorf irgendwo weit östlich von hier vor, lehmige Häuser, verschmutzte Straßen, überall Lärm und Menschen, die durcheinander schwimmen. Dann kommt der Regen, die Menschen flüchten in ihre Häuser und die Elemente übernehmen für ein paar Stunden die Kontrolle. Die Stadt wird von den Menschen "reingewaschen" - was in diesem Moment existiert, sind die Elemente Erde und Wasser und sonst nichts, quasi die Natur, die für ein paar Stunden dem Menschen ein bisschen Territorium abkämpft. Danach übernimmt wieder der Mensch die Stadt. Ich weiß, es ist schwierig, meine Gedanken zu vermitteln, da ich hier weniger ein konkretes Bild als vielmehr einen Hauch eines Gefühles ausdrücken will, aber ich hoffe, ich habe mich so halbwegs verständlich machen können.

Noch einmal vielen Dank für deine Kritik. Bin schon gespannt auf deine Antwort.

Grüße

Thomas

PS: Molketrinker haben immer Humor!

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#4

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 19:52
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Rodie

Meine Antwort? Du hast ja bereits ausführlich deine Intention dargelegt und erklärt, muss ich dazu noch was sagen?
Achte einfach darauf, dass du deinen Text dem Leser nicht erklären musst, er sollte für sich alleine sprechen. Zumeist wird man nicht in allen Punkten "verstanden", das ist aber zweitrangig. Wenn der Leser (für sich) eine schlüssige Interpretation findet, sind die Zeilen doch geglückt, oder?

Grüsse
Margot

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#5

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 20:01
von Roderich (gelöscht)
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Hallo Margot,

ja, die Intention ist dargelegt, aber wenn es stolpert und holpert, hat das mit der Intention nicht viel zu tun. Insofern bin ich für jeden Verbesserungsvorschlag und für jede Kritik dankbar, ich rutsche dafür sogar auf den Knieen daher. Gedichte schreibe ich erst seit kurzem und bin daher äußerst lernbegierig.

Wenn dir vielleicht mal was zu den Taschen einfällt, dann wäre ich sehr dankbar. Die bereiten mir doch einige Kopfzerbrechen und sind auch mit meiner Intention nicht so wirklich vereinbar. Ich würde dir dafür auch eine Molke spendieren!

Grüße

Thomas

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#6

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 20:10
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Ok, mal auf die Schnelle, sonst vergess ich's wieder. (Kommt manchmal vor, ist nicht bös gemeint, man muss mich manchmal halt ein wenig anstubsen *g)

Wie wär's zum Beispiel mit: ...
In Düften des Regens erzittert
die Luft in pastellfarbnen Schleiern. (?)

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#7

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 20:17
von Roderich (gelöscht)
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Hallo Margot,

vielen lieben Dank! Das ist schon mal ein ganz brauchbarer Denkanstoß. Ob es dann tatsächlich die Schleier werden, kann ich noch nicht sagen, aber die Gedankenrädchen laufen wieder. Die Molke hast du dir redlich verdient!

Grüße

Thomas

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#8

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 20:57
von Roderich (gelöscht)
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Hallo noch einmal,

habe nun die 4. Strophe geändert. Noch einmal vielen Dank für die Anregung.

Grüße

Thomas

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#9

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 22:47
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
.... und ich dachte mir noch, entweder kommt jetzt der Reiher oder der Weiher. Klingt besser, obwohl so ganz überzeugen tut's nicht. *g


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#10

Wenn der Regen kommt

in Natur 15.08.2005 22:54
von Roderich (gelöscht)
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Zitat:

Margot schrieb am 15.08.2005 22:47 Uhr:
.... und ich dachte mir noch, entweder kommt jetzt der Reiher oder der Weiher. Klingt besser, obwohl so ganz überzeugen tut's nicht. *g





Die Leier hat hier einfach nicht gepasst.

Ich habe auch Dünste, Dämpfe, Atem, Brodem und Nebel ins Auge gefasst, der Nebel hätte mir zwar ganz gut gefallen, aber wie bringe ich dann den Hebel rein? Und der Knebel passt dann auch nicht so recht. Aber eine Verbesserung sollte damit gelungen sein.

Tja, und wenn es nicht überzeugt, so ist das schade, aber nicht wirklich zu ändern. Damit muss ich wohl leben. Ich kann nur versuchen, es beim nächsten Mal besser hinzukriegen. Ich als BWLer vertraue hier voll auf die Statistik, dass ich bei einer genügend großen Anzahl an Gedichten auch mal was Brauchbares schreibe ...

Grüße

Thomas

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#11

Wenn der Regen kommt

in Natur 16.08.2005 10:18
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Lach, genau. Mir sagte vamp mal, das sei natürlich auch eine Möglichkeit, einfach sehr viel zu schreiben, mit der Hoffnung, dazwischen mal etwas "Gutes" zu produzieren.

Übrigens Rodie, ich sagte lediglich, dass es mich nicht überzeugt, das soll aber nicht heissen, dass es anderen Leser nicht zu gefallen vermag. Die Geschmäcker sind - gottseidank - verschieden. Ich gebe dir hier lediglich meine persönliche Meinung bekannt, die ist - statistisch gesehen - wohl nicht sehr relevant.

Grüsse
Margot

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#12

Wenn der Regen kommt

in Natur 16.08.2005 10:28
von Roderich (gelöscht)
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Noch mal hallo,

ich behaupte, dass deine Meinung schon sehr relevant ist - das lasse ich als "Experteninterview" laufen, eine anerkannte Erhebungsmethode qualitativer, wenngleich auch nicht quantitativer Art.

Und um herauszufinden, ob es anderen Lesern gefällt, müssten sich diese anderen Leser halt erst einmal zu Wort melden *winkmitdemzaunpfahl*

Grüße

Thomas

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