#1

Wir sind doch selbst Schuld (überall)!

in Gesellschaft 04.10.2005 19:30
von Hojaro (gelöscht)
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Wir sind doch selbst Schuld (überall)!

An meine ost- und westdeutschen Freunde

Ihr ward es, die wie Kletten hingen
und Beben in die Straßen brachten.
Die Ordnung schoss ins Chaos und Trümmer,
(Für Welten sterben, auch in Schlingen.)
sie formen Mut und dann Ideen, wie immer.

Ihr spürtet eurer Hände Kräfte
und hieltet die Medusenblicke.
Ich kann das nicht! Der Halt und Hände
sind zeitgetaubt, wenn mir Geschäfte
gekreist in Jahren ruhen, meinem Ende!

Ich kann euch nur noch Götter nennen,
nicht tief genug den Umbruch loben.
Die Arbeit, Taschen, leer, den Tränen
ganz nah. Ich will die Einheit trennen
so lang, bis Wohlstand mich gekost im Sehnen.

Bin ich’s, an dem der Zweifel nagte?
Was früher schlecht, ist heut dann besser?
Wenn ich den Augenblick doch nützte,
mich einmal Selbstmitleid nicht plagte,
obwohl mein Land mich 15 Jahre schützte.

Wir haben Brot und Luxuswaren,
solln Einheit innerlich nicht schaffen?
So bindet uns der Scheibenkleister;
beschreibt den Deutschen andren Sprachen:
Gesamtdeutsch und zufried’ner Meckermeister.


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#2

Wir sind doch selbst Schuld (überall)!

in Gesellschaft 21.10.2005 10:02
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Hojo

Nun, ich bin weder Ost noch West und es ist wahrscheinlich etwas vermessen, wenn ich hier meinen Senf dazu gebe. Ich kenne die Situation ja nur aus den Medien und denen glaube ich auch nicht mehr alles, seit ich selber lüge. Grundtenor ist wohl der, dass es früher (doch) besser war - man weniger hatte, aber zufriedener schien. Nun, das ist möglich, jedoch muss man halt mit Veränderungen leben und sich anpassen.
Da ich dem Thema fremd bin, vermag mich auch der Text nicht zu packen. Gefallen tut mir der das Wort 'zeitgetaubt'.

Gruss
Margot

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#3

Wir sind doch selbst Schuld (überall)!

in Gesellschaft 21.10.2005 10:18
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ich finde nicht, dass aus diesem Gedicht etwa der Gedanke spräche, früher wäre alles besser gewesen, im Gegenteil. Es ist doch ein Loblied auf die, die die (upps) friedliche Revolution zustandebrachten und nun nicht an so etwas vergleichsweise Einfachem wie der Einheit scheitern sollten.

Obgleich gedichtetechnisch sprachlich und formal ansprechend, ist es mir etwas zu dick aufgetragen. Als beste Stellen empfinde ich die Darstellung der Unfähigkeit des lyr. Ichs, u.a. mit dem zu recht von Margot gelobtem Wort.

Die abschließende Phrase hingegen gefällt mir gar nicht, auch wenn sie inhaltlich nicht verkehrt ist. Insgesamt habe ich ein etwas durchwachsenes Empfinden, was aber ungrecht ist, da ich selbst zu solcher Art Dichtung neige. Von anderen möchte ich aber immer lesen, was ich selbst (thematisch, nur thematisch gemeint, lieber Hojaro) nicht zustande brächte.

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#4

Wir sind doch selbst Schuld (überall)!

in Gesellschaft 21.10.2005 15:21
von Hojaro (gelöscht)
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Hallo ihr

@Mattes: Du hast meine Intention fast punktgenau getroffen. Das lyrische Ich ist eigentlich froh über die Revolution und stolz auf diejenigen, die sie geschaffen haben, weil es glaubt, dass es das nicht geschafft hätte. Andererseits ist es nun enttäuscht über die jetzige Situation, die nicht viel besser zu sein scheint (im Osten, dass sich aber in der Mentalität immer weniger vom Westen unterscheidet, daher die letzte Strophe). Im Nachhinein betrachtet finde ich das Gedicht nun ein wenig zu plakativ und kann nachvollziehen, warum Mattes die Phrase als Conclusio gestört hat. Ich hätte da vielleicht ein wenig mehr reflektieren sollen. Mit ein wenig Abstand zum Gedicht würde ich so einiges wieder verwerfen wollen, aber ich trau mich nicht. Aber in politischer Dichtung bin auch noch nicht so geübt, aber die Übung macht ja den Meister (oder einen Anwärter darauf ). Ich sollte mir vielleicht noch ein paar Kniffe von Heine und Büchner zeigen lassen, schaden kann's wohl nicht.

Danke, dass ihr mein Gedicht nochmal hochgeholt habt und für eure Rückmeldung.

Viele Grüße,

Hojaro

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