#1

Friedrich Rückert (1788-1866)

in Rumpelkammer 09.10.2005 16:47
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Herbsthauch

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der prangende Frühling nicht trug
Werde der Herbst dir noch tragen?

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch
Immer zu schmeicheln, zu kosen,
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends zerstreut er die Rosen.

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.

(Friedrich Rückert)

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#2

Friedrich Rückert (1788-1866)

in Rumpelkammer 09.10.2005 16:55
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Sehnsucht

In gold'nen Abendschein getauchet,
Wie feierlich die Wälder stehn!
In leise Stimmen der Vöglein hauchet
Des Abendwindes leises Weh'n.
Was lispeln die Winde, die Vögelein?
Sie lispeln die Welt in Schlummer ein.

Ihr Wünsche, die ihr stets euch reget
Im Herzen sonder Rast und Ruh!
Du Sehnen, das die Brust beweget,
Wann ruhest du, wann schlummerst du?
Beim Lispeln der Winde, der Vögelein,
Ihr sehnenden Wünsche, wann schlaft ihr ein?

Was kommt gezogen auf Traumesflügeln?
Was weht mich an so bang, so hold?
Es kommt gezogen von fernen Hügeln,
Es kommt auf bebendem Sonnengold.
Wohl lispeln die Winde, die Vögelein,
Das Sehnen, das Sehnen, es schläft nicht ein.

Ach, wenn nicht mehr in gold'ne Fernen
Mein Geist auf Traumgefieder eilt,
Nicht mehr an ewig fernen Sternen
Mit sehnendem Blick mein Auge weilt;
Dann lispeln die Winde, die Vögelein
Mit meinem Sehnen mein Leben ein.

(Friedrich Rückert)

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#3

Friedrich Rückert (1788-1866)

in Rumpelkammer 07.03.2006 09:41
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Bitterkeit


Amara, bittre, was Du tust ist bitter,
Wie Du die Füße rührst, die Arme lenkest,
Wie Du die Augen hebst, wie Du sie senkest,
Die Lippen auftust oder zu, ists bitter.

Ein jeder Gruß ist, den Du schenkest, bitter,
Bitter jeder Kuß, den Du nicht schenkest;
Bitter, was Du sprichst und was Du denkest,
Und was Du hast, und was Du bist, ist bitter.

Voraus kommt eine Bitterkeit gegangen,
Zwo Bitterkeiten gehn Dir zu den Seiten,
Und eine folgt den Spuren Deiner Füße.

O Du mit Bitterkeiten rings umfangen,
Wer dächte, daß mit all den Bitterkeiten
Du doch mir bist im innern Kern so süße.

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