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#1
von Ulli Nois • | 554 Beiträge | 554 Punkte
Dichtung für Tür und Fenster
in Liebe und Leidenschaft 16.11.2005 13:02von Ulli Nois • | 554 Beiträge | 554 Punkte
Dichtung für Tür und Fenster
In meine Dunkelheit brachst du ein Loch
und bautest eine Tür
und noch
zwei Fenster wo jetzt Licht reinbricht
Ich frage mich wofür
Die Fenster sind nicht dicht
und durch die Ritzen zieht der Wind
Ich friere doch
Ich dichte meine Höhle wieder zu
auch wenn wir Nachbarn sind
Für jede Tür für jedes Fenster
das nicht richtig schließt
mache ich Dichtungen – wie du
sie liest?
In meine Dunkelheit brachst du ein Loch
und bautest eine Tür
und noch
zwei Fenster wo jetzt Licht reinbricht
Ich frage mich wofür
Die Fenster sind nicht dicht
und durch die Ritzen zieht der Wind
Ich friere doch
Ich dichte meine Höhle wieder zu
auch wenn wir Nachbarn sind
Für jede Tür für jedes Fenster
das nicht richtig schließt
mache ich Dichtungen – wie du
sie liest?
Hallo Ulli,
das Thema deines Gedichts spricht mich sehr an und das Bild, dass du durchgehend verwendest, leuchtet mir ein. Wenn ich dich richtig verstehe, kann man die Behausung des lyrischen Ichs mit ihm selbst gleichsetzen. Jemand schafft sich einen Zugang in sein verschlossenes Inneres, was es aber als unangenehm (weil ungewohnt oder bedrohlich) empfindet.
Ich verstehe die Doppeldeutigkeit des Wortes "Dichtung" so:
Das lyrische Ich verbarrikadiert sich hinter Worten? Oder es verarbeitet das, was von der Außenwelt zu sich hineindringt dichterisch? In meinen Augen stellt es jedenfalls eine Art von Selbstschutz dar..
Was ich nicht so recht begreife, sind die letzten beiden Zeilen...
Dass du "wie du" in der vorletzten Zeile zunächst seperat stehen lässt, ließ zuerst auf einen Vergleich schließen und mich fragen, ob das lyrische Du sich ebenfalls "verdichtet" (oder abdichtet).
In der Schlusszeile werden diese beiden Worte zum Teil einer Frage (obwohl "wie du sie liest?" keine richtige Frage ist). Geht es darum, wie der Eindringling die Dichtungen des lyrischen Ichs versteht? Also, fragt sich das lyrische Ich hier, wie es vom anderen verstanden wird?
Naja, ich bin hoffentlich nicht zu verwirrend..
Noch schnell zum Formalen: Du verzichtest bewusst auf jegliche festen Formen. Allerdings wiederholen sich einige Versenden, als seien es verstreute Reime, was mich ein bißchen irritiert hat. Ich habe die Reime herausgeschrieben, konnte aber keine Abfolge o.ä. feststellen.
Jedenfalls mocht ich dein Gedicht sehr und über die Schlusszeilen bin ich gespannt noch etwas zu hören!
Liebe Grüße
das Thema deines Gedichts spricht mich sehr an und das Bild, dass du durchgehend verwendest, leuchtet mir ein. Wenn ich dich richtig verstehe, kann man die Behausung des lyrischen Ichs mit ihm selbst gleichsetzen. Jemand schafft sich einen Zugang in sein verschlossenes Inneres, was es aber als unangenehm (weil ungewohnt oder bedrohlich) empfindet.
Ich verstehe die Doppeldeutigkeit des Wortes "Dichtung" so:
Das lyrische Ich verbarrikadiert sich hinter Worten? Oder es verarbeitet das, was von der Außenwelt zu sich hineindringt dichterisch? In meinen Augen stellt es jedenfalls eine Art von Selbstschutz dar..
Was ich nicht so recht begreife, sind die letzten beiden Zeilen...
Dass du "wie du" in der vorletzten Zeile zunächst seperat stehen lässt, ließ zuerst auf einen Vergleich schließen und mich fragen, ob das lyrische Du sich ebenfalls "verdichtet" (oder abdichtet).
In der Schlusszeile werden diese beiden Worte zum Teil einer Frage (obwohl "wie du sie liest?" keine richtige Frage ist). Geht es darum, wie der Eindringling die Dichtungen des lyrischen Ichs versteht? Also, fragt sich das lyrische Ich hier, wie es vom anderen verstanden wird?
Naja, ich bin hoffentlich nicht zu verwirrend..
Noch schnell zum Formalen: Du verzichtest bewusst auf jegliche festen Formen. Allerdings wiederholen sich einige Versenden, als seien es verstreute Reime, was mich ein bißchen irritiert hat. Ich habe die Reime herausgeschrieben, konnte aber keine Abfolge o.ä. feststellen.
Jedenfalls mocht ich dein Gedicht sehr und über die Schlusszeilen bin ich gespannt noch etwas zu hören!
Liebe Grüße
#3
von Ulli Nois • | 554 Beiträge | 554 Punkte
Dichtung für Tür und Fenster
in Liebe und Leidenschaft 16.11.2005 17:26von Ulli Nois • | 554 Beiträge | 554 Punkte
Liebe Motte:
danke für deine GeDanken. Ich fühle mich ganz gut von dir wiedergegeben und gebe zu, dass das Ende irritierend ist. Das soll es auch.
Der Ausgangspunkt ist der, dass jemand kommt, in dich "hineinschaut", in dich "hineingeht", Licht in dein Dunkel bringt, dich öffnet für die Welt und anderen erklärt, wer du bist. Da passiert es dann leicht, dass du dich nicht richtig "gesehen" fühlst. Dem anderen ist "alles klar", dir aber überhaupt nicht. Es fröstelt dir, wenn du hörst, wie der andere dich wahrnimmt. Und du beginnst dich zu erklären. Du suchst nach Worten, um die Löcher (deines Unverstandenseins) zu stopfen, du beschreibst (dich) immer genauer, bis die Sprache "passt", die Gedanken "schließen", manchmal solange, bis du auch die kleinste Unebenheit beseitigt hast. Das meine ich mit "Dichten". Du wirst buchstäblich "dichter" in deinen Worten. Und das heißt nicht nur, dass du du dich in ihnen wiedererkennst, dass du dich wieder zu Hause fühlst. Das heisst auch, dass du dich abgrenzen musstest. Du wirst notwendig einsamer.
Du kannst dein Bestes gegeben haben, trotzdem ist Sprache immer etwas Hermetisches. Du öffnest dich in ihr und verbirgst dich zugleich. Dieses Paradox habe ich zu beschreiben versucht.
Das Schreiben ist dabei nur die eine Seite des Problems. Die andere ist das Gedeutetwerden. "Ich" bin darauf angewiesen, wie "Du" mich "liest". Meine Sprache muss zu deinem Sprachverständnis passen. Dass auch "Du" "dichtest", ist erst einmal eine schöne Gemeinsamkeit, die auf Verständnis hoffen läßt. Aber jeder "liest" (wie auch dieses Forum zeigt) aus den Texten der anderen vor allem sein "Eigenes".
Wären wir beim Lesen und Hören des anderen so gründlich wie beim eigenen Verfassen, und wären wir vor allem wohlwollend, würden sich sicher manche Gekränktheiten vermeiden lassen. Auf der anderen Seite wäre ein Scheinverständnis ebenso fatal.
Es grüßt aus seiner Höhle bei offener Tür
Ulli Nois.
danke für deine GeDanken. Ich fühle mich ganz gut von dir wiedergegeben und gebe zu, dass das Ende irritierend ist. Das soll es auch.
Der Ausgangspunkt ist der, dass jemand kommt, in dich "hineinschaut", in dich "hineingeht", Licht in dein Dunkel bringt, dich öffnet für die Welt und anderen erklärt, wer du bist. Da passiert es dann leicht, dass du dich nicht richtig "gesehen" fühlst. Dem anderen ist "alles klar", dir aber überhaupt nicht. Es fröstelt dir, wenn du hörst, wie der andere dich wahrnimmt. Und du beginnst dich zu erklären. Du suchst nach Worten, um die Löcher (deines Unverstandenseins) zu stopfen, du beschreibst (dich) immer genauer, bis die Sprache "passt", die Gedanken "schließen", manchmal solange, bis du auch die kleinste Unebenheit beseitigt hast. Das meine ich mit "Dichten". Du wirst buchstäblich "dichter" in deinen Worten. Und das heißt nicht nur, dass du du dich in ihnen wiedererkennst, dass du dich wieder zu Hause fühlst. Das heisst auch, dass du dich abgrenzen musstest. Du wirst notwendig einsamer.
Du kannst dein Bestes gegeben haben, trotzdem ist Sprache immer etwas Hermetisches. Du öffnest dich in ihr und verbirgst dich zugleich. Dieses Paradox habe ich zu beschreiben versucht.
Das Schreiben ist dabei nur die eine Seite des Problems. Die andere ist das Gedeutetwerden. "Ich" bin darauf angewiesen, wie "Du" mich "liest". Meine Sprache muss zu deinem Sprachverständnis passen. Dass auch "Du" "dichtest", ist erst einmal eine schöne Gemeinsamkeit, die auf Verständnis hoffen läßt. Aber jeder "liest" (wie auch dieses Forum zeigt) aus den Texten der anderen vor allem sein "Eigenes".
Wären wir beim Lesen und Hören des anderen so gründlich wie beim eigenen Verfassen, und wären wir vor allem wohlwollend, würden sich sicher manche Gekränktheiten vermeiden lassen. Auf der anderen Seite wäre ein Scheinverständnis ebenso fatal.
Es grüßt aus seiner Höhle bei offener Tür
Ulli Nois.
#5
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Dichtung für Tür und Fenster
in Liebe und Leidenschaft 16.11.2005 21:39von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Ulli
Ja, das gefällt mir auch. Die versteckten Reime geben ihm etwas Zufälliges und doch ist eine Melodie drin. Die Aussage hast du ja bereits selber vermittelt (*g), da brauche ich nichts mehr hinzuzufügen. Vielleicht überdenkst du nochmals die Zeichensetzung: Entweder comme il faut oder dann gar nicht.
Hier würde ich die Metrik anpassen.
Gruss
Margot
Ja, das gefällt mir auch. Die versteckten Reime geben ihm etwas Zufälliges und doch ist eine Melodie drin. Die Aussage hast du ja bereits selber vermittelt (*g), da brauche ich nichts mehr hinzuzufügen. Vielleicht überdenkst du nochmals die Zeichensetzung: Entweder comme il faut oder dann gar nicht.
Zitat: |
das nicht richtig schließt mache ich Dichtungen |
Hier würde ich die Metrik anpassen.
Gruss
Margot
Lieber Ulli,
Deine Erläuterungen klingen sehr emphatisch! Es ist eigentlich ein sehr philosophisches Thema, das du hier auftust.
Ja, es scheint ausweglos, wenn man meint, sich ständig den anderen erklären zu müssen, weil man sich missverstanden und nicht “richtig gesehen “ fühlt. Man kann eben niemanden durch die eigenen Augen sehen lassen. Aber sollte man deshalb aufhören, sich mitzuteilen?
Versteht man denn sich selbst immer so genau (Schopi sagt nein!), so, dass man die eigenen Empfindungen durch und durch selbst begreift und immer das “Richtige” von sich mitteilen kann?
Und ich frage mich auch, ob wir mit Sprache da viel weiterkommen. Mir fällt der Brief ein, den Philipp Lord Chandos an Francis Bacon schrieb (der berühmte Chandos-Brief von Hofmannsthal), in dem er die Unfähigkeit sich in Sprache auszudrücken beschreibt und sich an die Grenzen des Sprachvermögens getrieben fühlt.
Aber diese Art des Nichtverstehens einer Person ist auch ein Phänomen unter dem man nicht nur selbst zu leiden hat, das man nur an sich selbst beobachten kann. Man sollte eben auch nicht einfach aufhören, sein Bild von “anderen” zu revidieren und neu zusammensetzten. Oftmals schert man Leute über einen Kamm, lebt mit Klischees , die ich - ehrlich gesagt - auch brauche, und Vorurteilen.
Wichtig sind vor allem die nahestehenden Personen und dass man irgendwann meint, den anderen zu kennen, heißt nicht, dass man aufhören sollte, ihn/sie sich genau anzuschauen..
Naja, das geht vielleicht ein bißchen über die Intention des Gedichtes heraus. Ist aber ein spannendes, neverending-Thema!
Liebe Grüße
#9
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Dichtung für Tür und Fenster
in Liebe und Leidenschaft 17.11.2005 16:40von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
#10
von Ulli Nois • | 554 Beiträge | 554 Punkte
Dichtung für Tür und Fenster
in Liebe und Leidenschaft 17.11.2005 23:25von Ulli Nois • | 554 Beiträge | 554 Punkte
Schade, Gemini,
dass du deinen Kommentar rausgenommen hast. Ich hätte gern noch darauf geantwortet. Ich erinere mich, dass du mir empfahlst, den Titel über das Gedicht zu stellen. Das werde ich gleich tun. Vielleicht magst du mir deine anderen Eindrücke doch noch mal mitteilen. Während der Antwort an Motte gestern nachmittag wurde ich so oft unterbrochen, dass sie mehrere Stunden in Anspruch nahm und ich auf dich wirklich nicht mehr eingehen konnte. Ich sehe ein, ich hätte wenigstens einen Erklärungssatz schreiben können. Entschuldigung akzeptiert?
@Margot:
danke, mit der Zeichensetzung gebe ich dir recht, bis auf das letzte Fragezeichen und einen Gedankenstrich werde ich kein Komma und Punkt mehr setzen, weil sich die Pausen aus den Versen ergeben. Mit deinem Metrikvorschlag hadere ich noch ein bißchen. 1. Weil ich nur schwer eine sinngleiche Alternative finde, und weil ich 2. den etwas getrageneren Daktylos zu den pathetischen "Dichtungen" ganz passend finde. Aber ich denk drüber nach.
@Motte:
Ich kann dem nur zustimmen, was du schreibst. Sich-nie-selbst-ganz-verstehen und Nie-ganz-verstanden-sein sollten nicht zu Selbstmitleid oder zur Resignation fühlen. Sprache ist wie ein unendlicher Adventskalender: man kann immer wieder neue Fenster öffnen...
@Loki,
auch dein Lob freut mich natürlich. Bei Lob fällt mir überhaupt sehr schwer, mich mißverstanden zu fühlen...
Liebe Grüße Euch allen
Ulli Nois.
dass du deinen Kommentar rausgenommen hast. Ich hätte gern noch darauf geantwortet. Ich erinere mich, dass du mir empfahlst, den Titel über das Gedicht zu stellen. Das werde ich gleich tun. Vielleicht magst du mir deine anderen Eindrücke doch noch mal mitteilen. Während der Antwort an Motte gestern nachmittag wurde ich so oft unterbrochen, dass sie mehrere Stunden in Anspruch nahm und ich auf dich wirklich nicht mehr eingehen konnte. Ich sehe ein, ich hätte wenigstens einen Erklärungssatz schreiben können. Entschuldigung akzeptiert?
@Margot:
danke, mit der Zeichensetzung gebe ich dir recht, bis auf das letzte Fragezeichen und einen Gedankenstrich werde ich kein Komma und Punkt mehr setzen, weil sich die Pausen aus den Versen ergeben. Mit deinem Metrikvorschlag hadere ich noch ein bißchen. 1. Weil ich nur schwer eine sinngleiche Alternative finde, und weil ich 2. den etwas getrageneren Daktylos zu den pathetischen "Dichtungen" ganz passend finde. Aber ich denk drüber nach.
@Motte:
Ich kann dem nur zustimmen, was du schreibst. Sich-nie-selbst-ganz-verstehen und Nie-ganz-verstanden-sein sollten nicht zu Selbstmitleid oder zur Resignation fühlen. Sprache ist wie ein unendlicher Adventskalender: man kann immer wieder neue Fenster öffnen...
@Loki,
auch dein Lob freut mich natürlich. Bei Lob fällt mir überhaupt sehr schwer, mich mißverstanden zu fühlen...
Liebe Grüße Euch allen
Ulli Nois.
#11
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Dichtung für Tür und Fenster
in Liebe und Leidenschaft 18.11.2005 21:42von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Wenn das so ist, dann verzeih bitte mein herumgezicke.
Ursprünglich habe ich dir geschrieben, dass der Vergleich der Psyche mit einem Haus nicht wirklich der Renner ist. Da ich aber auf den fahrenden Zug aufgesprungen bin und ebenfalls eines dieser topaktuellen Häusergedichte verfasst habe, bleibt mir nur über, mein Gefallen auszudrücken.
Lg Gem
Ursprünglich habe ich dir geschrieben, dass der Vergleich der Psyche mit einem Haus nicht wirklich der Renner ist. Da ich aber auf den fahrenden Zug aufgesprungen bin und ebenfalls eines dieser topaktuellen Häusergedichte verfasst habe, bleibt mir nur über, mein Gefallen auszudrücken.
Lg Gem
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