#1

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 15.12.2005 10:04
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Kuckuck


Ich sprach zum Therapeut,
dass mir zum Glück
noch manches fehlte, doch nicht viel.

Das sei doch dummes Zeug,
gab der zurück,
das sei ein Weg ganz ohne Ziel.

Denn, wer es fände, der
wollte nur mehr
und gäb’ fürs Glück sein Leben her.

Er riet mir zum Verzicht,
wem der gebräche,
sei niemand, der von Unglück spräche.

Ich frag’ mich, wer da spricht,
ein Philosoph?
Denn diese Weisheit war nur doof

und wurde schnell bereut,
als ich kein Stück
bezahlte, was ihm nicht gefiel.

Drum weiß ich eines heut’:
es ist nicht schick,
zu raten, was ich selbst nicht fühl’.

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#2

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 15.12.2005 17:15
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Kuckuck!

Zum Kuckuck noch mal! Ich habe heute morgen nämlich eine erste Antwort produziert, die wenige Sekunden vor der Fertigstellung mit Absturz des Servers sich ins Nichts auflöste...

Auch mir fehlt zum Glück einiges... (eine schöne Doppeldeutigkeit)
... um dein Gedicht wirklich zu verstehen. Da ist ein Therapeut, der seinem Klienten einreden will, dass er nicht nach Glück streben solle, da er vor lauter Beschreiben seines Glückes und Streben danach das Leben vergäße. Weg = Ziel etcetera okay. Aber dann, 4. Strophe, krieg ich die Logik nicht hin. Der Therapeut rät zum Verzicht auf das Glücksstreben, weil der, dem der Verzicht gebräche (erinnert mich an Trakl: "kein Ding sei, wo das Wort gebricht"), also der, dem der Verzicht nicht gelingt, nicht vom Unglück spricht. Also positiv gewendet: wer verzichten kann, spricht vom Unglück. Orientiert sich also an Glück und Unglück. Hat der Therapeut nicht vorher genau das Gegenteil gesagt? Wenn du dieses Verneinungsknäuel etwas entknoten könntest, würde ich direkt ins höhere Lob einstimmen...

Denn der Plot überzeugt mich. (Abgesehen davon, dass du den Reim "Philosoph" und "doof" von mir geklaut hast, und ich nicht so doof bin zu glauben, dass nicht andere auch schon auf ihn gekommen wären, also geschenkt) Einen solchen Therapeutenkuckuck, der einem das eigene Gefühl nicht läßt, darf man, muss man aus dem Nest werfen. Aber warum der Klient nicht zahlt, versteh ich wiederum nicht. Er hat doch eine prima Lektion bekommen und macht daraus noch ein gutes Gedicht.

Für eingehende formale Analysen sind andere Tümpler besser berufen als ich. Nur eine Frage: warum fällt die 3. Strophe vollkommen aus dem ReimRahmen? Hats das einen höheren poetologischen Sinn?

Jetzut aber schnell gepostet, bevor der Postman das zweite Mal abstürzt...

Gute Grüße, Ulli


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#3

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 15.12.2005 17:52
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hallo Ulli!

Wer wollte nicht höheres Lob erlangen? Also flugs die Stolpersteine aus dem Weg geräumt:

Es geht um die häufig geäußerte (Therapeuten-)Meinung, dass das Streben nach Glück, welches die Amerikaner sogar in ihre Verfassung schreiben, eine ganz miserable Antwort auf die Suche nach dem Sinn (Inhalt) des Lebens sei, da man sich immer vorstellen könne, noch ein wenig glücklicher zu sein und es insofern eine Such(t)spirale ohne Ende sei (hierzu siehe auch die poetologische Formalie in Strophe 3 ). Folglich könne es im Leben nicht um Glück gehen, zumindest nicht um materielle Dinge (in der ersten Strophe sollte angedeutet werden, dass das lyrI sein Glück darüber definiert: manches fehlt, doch nicht mehr viel).

Dieser Therapeut rät nun dem verdutzten lyrI, es lieber mit Verzicht zu versuchen und auf diesem Weg wie weiland Diogenes in der Tonne wirklich glücklich zu werden. Und wem das Schicksal es nun schwierig mit dem Verzicht mache, weil und insofern es einen immer reich beschenkte, so würde man – und unser lyrI doch besonders – nicht von Unglück sprechen, wenn er mehr bekäme, als erwartet.

Unser lyrI akzeptiert diese Weisheit jedoch nicht für sich aber bezahlt konsequenterweise den Ratgeber nicht, da der doch gerade den Verzicht predigte. Die Moral von der Geschichte ist dann ziemlich klar. Oder auch nicht. Jedenfalls vielen Dank für deine Rückmeldung!

Grüße, du Gute
Mattes


P.S.: Entschuldige bitte den Reimdiebstahl, ich bin ein berüchtigter Eklektizist.

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#4

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 15.12.2005 18:18
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Alter Wahlspruch: Wahres Glück entsteht nicht aus der Befriedigung von Bedürfnissen, sondern aus dem Tun des Richtigen.

Das Thema ist nett und das Reimschema gefällt mir trotz oder gerade wegen des Wechsels in der Mitte. Aber am besten gefällt mir ehrlich gesagt der Titel, der so trefflich hintersinnig zum Inhalt passt. Ich tue mich ja mit Titeln bei meinen eigenen Gedichten immer so schwer. Aber der hier ist klasse.

Schöne Grüße
GerateWohl

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#5

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 15.12.2005 18:27
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Ja zum Kuckuck, zum dritten!

Das ist ja würklich eine plausible Erklärung. Wahrscheinlich habe ich mich heimlich zu sehr mit dem Therapeuten identifiziert oder bin zu wenig materialistisch gesünnt, um diesem naheliegenden Gedankengang folgen zu können.

Hochlob und Anerkennung !

mit der wünzigen Einschränkung, dass man es beschränkten Lesern wie mir ruhig noch ein bisschen einfacher machen darf, dann bin ich irgendwann auch bereit, für deine Gedichte zu zahlen und dem Glück zur Vollendung zu verhelfen... )

schicke* Grüße, Ulli


*auch an die Groß- Kleinschreibung-Debattanten - ein bißchen Unklarheit ist immer...

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#6

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 15.12.2005 22:16
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Nur schnell eine Bemerkung zum 'dem Philosoph ist nichts zu doof'. Ich glaube, ich hab das mal bei Busch gelesen, kann mich aber auch täuschen. Wenn man es bei google eingibt, dann kriegt man eine Menge Rückmeldungen. Ich würd mal sagen, Ulli, das ist leider nicht nur dir in den Sinn gekommen. Hat eigentlich mit Mattes Text nichts zu tun, sorry M., es fiel mir nur grad auf.

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#7

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 16.12.2005 10:40
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Grüezi miteinand’ !

@GW: Jedem seinen Wahlspruch, das soll ja vermittelt werden. Also das Reimschema, nur um Missverständnissen vorzubeugen, ist wie folgt: (A-B-C) ( A-B-C) (D-D-D) (E-F-F) (E-G-G) (A-B-C) (A-B-C). Mithin sind da eigentlich zwei Wechsel vorhanden. Ich gehe aber davon aus, dass du den Einschub (Strophe 3) meinst und freue mich, wenn das akzeptabel ist. Über dein Lob bezüglich des Titels habe ich mich sehr gefreut, denn den finde ich selber klasse.

@Ulli:Danke, ich fühle mich gebauchpinselt. Wie ist das gemeint, du würdest zahlen? Darf ich dir also ein Büchlein mit Rechnung schicken, wenn ich eine Gebrauchsanweisung beilege? Dabei geht es mir natürlich nur um den Verleger, ich selbst bin außen vor. Mein Glück liegt eher in solchem Hochlob.

@Marge: Ich meine, Ulli hat das nicht wirklich ernst gemeint aber wer weiß das bei Frauen schon so genau? Übrigens, wo du schon vorbeischaust, wäre doch ein gaaaanz kurzes Statement möglich gewesen!? Oder bedeutet das Fehlen eines solchen, dass es dir nicht gefällt und du das nur nicht so kurz und knapp abwerfen wolltest?

Vorweihnachtliche Grüße (tut mir leid, Marge, dieses „Tschou“ gefällt mir nicht )
Mattes

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#8

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 16.12.2005 11:11
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Dann halt

Ich versteh die Pointe nicht. Ok, das lyr. Ich will in Zukunft nur noch das raten, was es selber fühlt, aber der Therapeut hat doch einen Rat gegeben. Müsste es denn am Ende nicht heissen:

Drum weiß ich eines heut’:
es ist nicht schick,
zu raten, was man selbst nicht fühlt.

Weil, wenn da 'ich' steht, macht das für mich absolut keinen Sinn. Und, da schliesse ich mich meinen Vorrednern an, sehe ich den Zusammenhang zwischen "Suche nach Glück/Honorar/Zeche prellen" nicht. Ich bin wohl zu doof oder kein Philosoph!

Tschou
Margot

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#9

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 16.12.2005 11:38
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Siehst du, ich danke dir. Für mich war das völlig klar, dass das „ich“ der letzten Zeile wie ein „man“ zu verstehen ist.. Redet man zuweilen höflicherweise nicht so, dass man von sich selbst redet, auch und obwohl man den anderen meint? Nun, hier werde ich in Zukunft wohl nicht mehr so großzügig sein dürfen.

Der Sinnzusammenhang ist folgender: Therapeut rät, sich von materiellen Interessen frei zu machen. Patient geht davon aus, dass Therapeut dieses Motto auch selbst lebt. Patient fühlt, dass er sich nicht frei machen kann und/oder will. Patient behält sein Geld, weil es für ihn einen Wert darstellt, für seinen Therapeuten ja aber ganz offensichtlich nicht. Therapeut ist sauer und Patient erkennt, dass vermeintlich kluge Ratschläge bisweilen wertlos bzw. gar nicht klug sind und nimmt sich vor, nur noch zu empfehlen, was er für und im Zweifel auch gegen sich selbst gelten lassen will. Diese Erkenntnis fördert logischerweise den Gedanken, Ratschlägen künftig kritischer zu begegnen.

Ich finde das nach wie vor offensichtlich, gebe aber zu, einen gewissen Vorsprung zu haben, weil ich den Mist ja verzapft habe. Nun habe ich aber dank Ulli und dir gelernt, dass die Verdichtung ihre Grenzen hat und es keineswegs ausreicht bzw. sogar ganz unerheblich ist, selbst zu wissen, was man meint.

Ich werde mir weiter Mühe geben. Danke für den abgepressten Kommentar.

Mattes

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#10

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 16.12.2005 15:15
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Vielen Dank für die Erläuterungen, aber ich sehe den Zusammenhang leider immer noch nicht.
Wo rät den der Therapeut sich von materiellen Dingen frei zu machen? Ich verstehe eher, dass er rät, sich von der sinnlosen und aufreibenden Suche nach dem Glück frei zu machen. Glück ist doch nicht gleich Kohle, oder? Es kann doch auch Liebe, Kinder, ein Heim, beruflicher Erfolg etc. etc. bedeuten. Aber vielleicht sehe ich auch vor lauter Bäumen den Wald einfach nicht.

Es grüsst
die aus(ab)gepresste Zitrone

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#11

Kuckuck

in Humor und Fröhliches 16.12.2005 17:25
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Grmbl, du liest einfach nicht alle Posts aufmerksam genug.

Klar, kann das alles Glück bedeuten, was du da aufzählst, aber

1.) steht in der 1. Strophe als Hinweis auf das materielle Glücksstreben unseres lyrI: noch manches fehlte, doch nicht viel , was ich zumindest bei immateriellem Glück so nicht ausdrücken würde, weil ich es nicht bemessen könnte und
2.) auch bei ideellen Werten das Streben nach Glück als Sinninahlt des Lebens eine Suchtspirale auslösen kann, denn wann ist man denn glücklich bzw. glücklich genug?

Das sind übrigens nicht meine fundamental neuen Ideen, sondern in der Psychologie und Philosophie ziemlich ausgelutschte Allgemeinplätze, auf deren Rücken ich hier meinen schmalen Witz platzierte (siehe Rubrik). Aber noch einmal: Ich sehe ein, dass der misslungen ist. So ging es offenbar nicht.

Schreibe ich demnächst eben wieder unter Vielosovieh...

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