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#1
von Roderich (gelöscht)
Paranoia I
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 26.02.2006 03:24von Roderich (gelöscht)
Paranoia I
Überall siehst du sie stehen – an jeder Ecke, auf jeder Straße, in jedem Gebäude. Schwarz gekleidet, mit der silbernen Marke genau dort, wo Kinder das menschliche Herz vermuten würden. Auf den Schultern das blaue Abzeichen, das sie als Angehörige der New Yorker Polizei deklariert. Woran man sie noch erkennt: An dem wachsamen Blick, der über die Menschenmassen gleitet. Doch wenn du näher kommst, ihnen wirklich tief in die Augen blickst (ohne dabei Verdacht zu erregen – hier ist natürlich Fingerspitzengefühl gefragt), dann glaubst du die Angst zu sehen, die ihre Pupillen flackern lässt. Und du verstehst, dass sie im Grunde harmlos sind – so harmlos wie du es selbst bist. Dabei verlierst du die eigene Angst, die du vor ihnen hattest, bevor du ihnen in die Augen geblickt hast. Und warum hattest du Angst? Wegen der Uniform, wegen der Pistole, die an ihrem Gürtel hängt und – noch mehr als wegen der Uniform und der Pistole zusammen – wegen der schwarzen Hand, die unruhig über dem Griff der Pistole baumelt. Die Finger fleischig wie eine imaginäre Verlängerung der wulstigen Lippen. Ja, du hattest Angst. Obwohl du dir immer noch nicht eingestehen willst, dass es die schwarzen Finger sind, die deine Haltung strammer und zielorientierter machten, in dem Bemühen, unauffällig zu sein, ein Mensch mit Ziel zu sein, kein Herumlungerer, der vielleicht Ärger macht, kein Orientierungsloser, der scheinbar nicht hierher gehört und sich dadurch verdächtig macht kein sprich es aus nenn das kindbeimnamen
Attentäter.
Nein, du bist nur ein harmloser Tourist. Aber wissen auch die das? Was hält sie davon ab, einfach ihre Pistole mit ihren dicken Händen zu ziehen und dir weiß Gott wie viele Löcher in den Leib zu ballern? Du hast die Angst in ihren Augen gesehen und nun bekommst du es selbst wieder mit der Angst zu tun. Deine schöne Conclusio geht den Bach hinunter – sie sind harmlos? Eher ähneln sie tickenden Bomben, die jederzeit bei der kleinsten Erschütterung hochgehen könnten. Und was, wenn du diese kleine Erschütterung auslöst? Unabsichtlich. Einfach, indem du beim Vorbeigehen stolperst und sie rammst. Du siehst ein wenig arabisch aus, das weißt du. Das kann unter Umständen genügen. Schwarze, zitternde Männer mit Pistolen. Und du. Dann ziehen sie ihre Pistole, schreien dich an, in dem kläglichen Bemühen, zu überdecken, dass sie sich selbst fast in die Hose scheißen. Und du. Tust nichts. Dennoch – sie werden lauter, werfen dich zu Boden. Weil du – weil du was? Gestolpert bist? Mach dich nicht lächerlich. Ja, sie haben Angst, aber nicht vor dir. Beruhige dich, geh weiter. Blick ihnen nicht mehr in die Augen. Dort siehst du nur das, was du ohnehin schon aus dem Spiegel kennst. Im Westen nichts Neues.
Und dann hörst du irgendwann im Radio oder im Fernsehen von diesem Polizisten, der angefangen hat, Bomben zu legen. Du bist gerade beim Rasieren, legst den Rasierapparat weg, drehst den Fernseher lauter. Ein Polizist, der Bomben legt? Du hast dich wohl verhört. Doch die Nachrichtensprecherin wiederholt es. Ein Polizist, der Bomben legt. Die Attentate im Rockefeller Center, im Trump Tower, im Chrysler Building. Insgesamt zwölf Tote. (Nicht mehr?) Kleine Bomben. Hinterhältig in Mülleimern deponiert. Natürlich Osama zugeschrieben. Es ist immer Osama. Und immer ist er es persönlich. Nur er. Er ganz allein. Wenn die Angst deine Kehle zuschnürt, du keine Luft mehr bekommst oder schweißgebadet in der Nacht aus einem Alptraum erwachst – dann war es Osama. Doch nun ist dieser Polizist geständig. Osama war es nicht. (Dieses Mal.) Sondern einer, der für Recht und Ordnung auf New Yorks Straßen sorgen soll. Und das auch unzählige Male getan hat. Nur, warum legt so einer Bomben? Die Nachrichtensprecherin rollt mit Genuss die Hintergründe auf – eine Sensation liegt in der Luft, die zelebriert werden muss, zumindest von den Medien. Der Polizist hat als Begründung angegeben: Damit wir nicht von Geistern getötet werden. Um eine reale, greifbare Bedrohung zu schaffen. Um dieses Flackern aus den Augen der Polizisten zu bekommen. Um den nervös zuckenden Händen wirklich einmal handeln zu lassen. Sonst zucken sie irgendwann im völlig falschen Zeitpunkt und ein Kind oder ein Rollstuhlfahrer oder sonst wer liegt blutüberströmt am Boden. So etwas soll ja vorkommen, wenn die Nerven blank liegen.
Du verstehst, was der Polizist meint. Du hast das Flackern in den Augen gesehen. Dieses Flackern, das nur dann greifbar wird, wenn man mit einer Katastrophe rechnet, die nicht und nicht eintritt. Jede Sekunde kann den Weltuntergang bringen und doch nimmt alles seinen gewohnten Gang. Touristen machen Fotos, Angestellte hetzen zur Arbeit, Senioren gehen mit ihren Hunden Gassi, Müttern zerren ihre plärrenden Kinder hinter sich nach, Straßenkünstler malen karikierte Bilder berühmter Persönlichkeiten oder spielen bekannte Countrysongs, alles wie gehabt. Niemand kümmert sich um Osama, wenn er seinen Hot Dog kauft. Osama kommt nur dann ins Gedächtnis, wenn man schlecht schläft. Oder eben eine scheinbar unbegründete Panikattacke erleidet. Dann ist er wieder da, grinst einen an und im Kopf hört man das Ticken der Bomben. Aber für die Polizisten ist Osama immer hier, an jeder Ecke, in jeder Person. Und wie er sich verkleiden kann! Dieses blonde Flittchen an der Ecke: Osama. Die alte Großmutter, die am Union Square Gospels singt: Osama. Das kleine Mädchen, das ihr einen Quarter in den Koffer wirft: Osama. Der Broker, der von der Wall Street nach Hause läuft: Osama. Und doch passiert nichts. Bis endlich einmal ein Polizist die Dinge in die eigene Hand nimmt und ein paar Bomben legt. Nichts Großes, keinesfalls vergleichbar mit dem World Trade Center. Aber es reicht aus, um Polizisten geschäftig hin und her hetzen zu lassen. Um ihren unruhigen Händen Arbeit zu geben. Die Bomben sind wirklich, sie existieren nicht nur in unserem Kopf. Da – wieder eine explodiert. Osama natürlich. Der Dreckskerl, den kriegen wir schon noch. Glaub nicht, du kannst dich mit uns anlegen!
Du schaltest den Fernseher ab. Und wer soll nun die Bomben legen? Oder sind gar keine Bomben mehr notwendig? Wie sieht es aus mit der Moral? Ist es noch da, dieses Flackern in den Augen der Polizisten? Das Zucken der Hände über den Pistolen? Beginnt alles wieder von vorne?
Sind keine Bomben mehr notwendig?
Wohin sind wir gelangt? Dieser Weg aus Asche und Verwüstung, den wir gegangen sind – wohin hat er uns geführt? Du fragst dich, was schief gelaufen ist, dass du selbst einmal denken kannst, dass Bomben notwendig sind. Gerade du, der Pazifist. Der jede Fliege, die sich ins Zimmer verirrt hat, zu retten versucht. Du schüttelst den Kopf. Die Welt geht zum Teufel. Wegen Osama. Natürlich wegen Osama. Wer sonst?
Übrigens: Der Bomben legende Polizist – er war weiß.
Jetzt musst du die Weißen auch noch fürchten. Schließ dich im Zimmer ein. Geh nicht mehr hinaus. Und falls es hart auf hart kommen sollte, hast du immer noch die Rasierklinge.
Überall siehst du sie stehen – an jeder Ecke, auf jeder Straße, in jedem Gebäude. Schwarz gekleidet, mit der silbernen Marke genau dort, wo Kinder das menschliche Herz vermuten würden. Auf den Schultern das blaue Abzeichen, das sie als Angehörige der New Yorker Polizei deklariert. Woran man sie noch erkennt: An dem wachsamen Blick, der über die Menschenmassen gleitet. Doch wenn du näher kommst, ihnen wirklich tief in die Augen blickst (ohne dabei Verdacht zu erregen – hier ist natürlich Fingerspitzengefühl gefragt), dann glaubst du die Angst zu sehen, die ihre Pupillen flackern lässt. Und du verstehst, dass sie im Grunde harmlos sind – so harmlos wie du es selbst bist. Dabei verlierst du die eigene Angst, die du vor ihnen hattest, bevor du ihnen in die Augen geblickt hast. Und warum hattest du Angst? Wegen der Uniform, wegen der Pistole, die an ihrem Gürtel hängt und – noch mehr als wegen der Uniform und der Pistole zusammen – wegen der schwarzen Hand, die unruhig über dem Griff der Pistole baumelt. Die Finger fleischig wie eine imaginäre Verlängerung der wulstigen Lippen. Ja, du hattest Angst. Obwohl du dir immer noch nicht eingestehen willst, dass es die schwarzen Finger sind, die deine Haltung strammer und zielorientierter machten, in dem Bemühen, unauffällig zu sein, ein Mensch mit Ziel zu sein, kein Herumlungerer, der vielleicht Ärger macht, kein Orientierungsloser, der scheinbar nicht hierher gehört und sich dadurch verdächtig macht kein sprich es aus nenn das kindbeimnamen
Attentäter.
Nein, du bist nur ein harmloser Tourist. Aber wissen auch die das? Was hält sie davon ab, einfach ihre Pistole mit ihren dicken Händen zu ziehen und dir weiß Gott wie viele Löcher in den Leib zu ballern? Du hast die Angst in ihren Augen gesehen und nun bekommst du es selbst wieder mit der Angst zu tun. Deine schöne Conclusio geht den Bach hinunter – sie sind harmlos? Eher ähneln sie tickenden Bomben, die jederzeit bei der kleinsten Erschütterung hochgehen könnten. Und was, wenn du diese kleine Erschütterung auslöst? Unabsichtlich. Einfach, indem du beim Vorbeigehen stolperst und sie rammst. Du siehst ein wenig arabisch aus, das weißt du. Das kann unter Umständen genügen. Schwarze, zitternde Männer mit Pistolen. Und du. Dann ziehen sie ihre Pistole, schreien dich an, in dem kläglichen Bemühen, zu überdecken, dass sie sich selbst fast in die Hose scheißen. Und du. Tust nichts. Dennoch – sie werden lauter, werfen dich zu Boden. Weil du – weil du was? Gestolpert bist? Mach dich nicht lächerlich. Ja, sie haben Angst, aber nicht vor dir. Beruhige dich, geh weiter. Blick ihnen nicht mehr in die Augen. Dort siehst du nur das, was du ohnehin schon aus dem Spiegel kennst. Im Westen nichts Neues.
Und dann hörst du irgendwann im Radio oder im Fernsehen von diesem Polizisten, der angefangen hat, Bomben zu legen. Du bist gerade beim Rasieren, legst den Rasierapparat weg, drehst den Fernseher lauter. Ein Polizist, der Bomben legt? Du hast dich wohl verhört. Doch die Nachrichtensprecherin wiederholt es. Ein Polizist, der Bomben legt. Die Attentate im Rockefeller Center, im Trump Tower, im Chrysler Building. Insgesamt zwölf Tote. (Nicht mehr?) Kleine Bomben. Hinterhältig in Mülleimern deponiert. Natürlich Osama zugeschrieben. Es ist immer Osama. Und immer ist er es persönlich. Nur er. Er ganz allein. Wenn die Angst deine Kehle zuschnürt, du keine Luft mehr bekommst oder schweißgebadet in der Nacht aus einem Alptraum erwachst – dann war es Osama. Doch nun ist dieser Polizist geständig. Osama war es nicht. (Dieses Mal.) Sondern einer, der für Recht und Ordnung auf New Yorks Straßen sorgen soll. Und das auch unzählige Male getan hat. Nur, warum legt so einer Bomben? Die Nachrichtensprecherin rollt mit Genuss die Hintergründe auf – eine Sensation liegt in der Luft, die zelebriert werden muss, zumindest von den Medien. Der Polizist hat als Begründung angegeben: Damit wir nicht von Geistern getötet werden. Um eine reale, greifbare Bedrohung zu schaffen. Um dieses Flackern aus den Augen der Polizisten zu bekommen. Um den nervös zuckenden Händen wirklich einmal handeln zu lassen. Sonst zucken sie irgendwann im völlig falschen Zeitpunkt und ein Kind oder ein Rollstuhlfahrer oder sonst wer liegt blutüberströmt am Boden. So etwas soll ja vorkommen, wenn die Nerven blank liegen.
Du verstehst, was der Polizist meint. Du hast das Flackern in den Augen gesehen. Dieses Flackern, das nur dann greifbar wird, wenn man mit einer Katastrophe rechnet, die nicht und nicht eintritt. Jede Sekunde kann den Weltuntergang bringen und doch nimmt alles seinen gewohnten Gang. Touristen machen Fotos, Angestellte hetzen zur Arbeit, Senioren gehen mit ihren Hunden Gassi, Müttern zerren ihre plärrenden Kinder hinter sich nach, Straßenkünstler malen karikierte Bilder berühmter Persönlichkeiten oder spielen bekannte Countrysongs, alles wie gehabt. Niemand kümmert sich um Osama, wenn er seinen Hot Dog kauft. Osama kommt nur dann ins Gedächtnis, wenn man schlecht schläft. Oder eben eine scheinbar unbegründete Panikattacke erleidet. Dann ist er wieder da, grinst einen an und im Kopf hört man das Ticken der Bomben. Aber für die Polizisten ist Osama immer hier, an jeder Ecke, in jeder Person. Und wie er sich verkleiden kann! Dieses blonde Flittchen an der Ecke: Osama. Die alte Großmutter, die am Union Square Gospels singt: Osama. Das kleine Mädchen, das ihr einen Quarter in den Koffer wirft: Osama. Der Broker, der von der Wall Street nach Hause läuft: Osama. Und doch passiert nichts. Bis endlich einmal ein Polizist die Dinge in die eigene Hand nimmt und ein paar Bomben legt. Nichts Großes, keinesfalls vergleichbar mit dem World Trade Center. Aber es reicht aus, um Polizisten geschäftig hin und her hetzen zu lassen. Um ihren unruhigen Händen Arbeit zu geben. Die Bomben sind wirklich, sie existieren nicht nur in unserem Kopf. Da – wieder eine explodiert. Osama natürlich. Der Dreckskerl, den kriegen wir schon noch. Glaub nicht, du kannst dich mit uns anlegen!
Du schaltest den Fernseher ab. Und wer soll nun die Bomben legen? Oder sind gar keine Bomben mehr notwendig? Wie sieht es aus mit der Moral? Ist es noch da, dieses Flackern in den Augen der Polizisten? Das Zucken der Hände über den Pistolen? Beginnt alles wieder von vorne?
Sind keine Bomben mehr notwendig?
Wohin sind wir gelangt? Dieser Weg aus Asche und Verwüstung, den wir gegangen sind – wohin hat er uns geführt? Du fragst dich, was schief gelaufen ist, dass du selbst einmal denken kannst, dass Bomben notwendig sind. Gerade du, der Pazifist. Der jede Fliege, die sich ins Zimmer verirrt hat, zu retten versucht. Du schüttelst den Kopf. Die Welt geht zum Teufel. Wegen Osama. Natürlich wegen Osama. Wer sonst?
Übrigens: Der Bomben legende Polizist – er war weiß.
Jetzt musst du die Weißen auch noch fürchten. Schließ dich im Zimmer ein. Geh nicht mehr hinaus. Und falls es hart auf hart kommen sollte, hast du immer noch die Rasierklinge.
#2
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Paranoia I
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 27.02.2006 11:58von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hallo Roderich
Ich möchte jetzt nicht näher auf die Geschichte eingehen, aber sie ist gut geschrieben wie man es von dir gewöhnt ist.
Vielmehr wollte ich dich fragen, ob du in dem Land tatsächlich Angst hast. Ich war, wie du vielleicht weißt auch kurze Zeit in den USA (3 Wochen, arbeiten in Michigan) und habe dort immer ein Gefühl permanenter Bedrohung gehabt. In Der Nacht hat man manchmal Schüsse aus einer Maschinenpistole gehört. Auch die Amis waren immer verkrampft und machten auf mich den Eindruck als hätten sie Angst. Dies war in Michigan. Ich denke, dass dieser EIndruck in NY noch stärker sein muss.
Auch die Autos hatten eine automatische Zentralverriegelung, die nach drei Metern automatisch das Auto versperrte. Angst vor carjacking.
Ich fühlte mich dort irrsinnig unfrei.
Sry für das kleine offtopic.
LG Gem
Ps.: Die Finger als verlängerung der wulstigen Lippen ist rassistisch.
Ich möchte jetzt nicht näher auf die Geschichte eingehen, aber sie ist gut geschrieben wie man es von dir gewöhnt ist.
Vielmehr wollte ich dich fragen, ob du in dem Land tatsächlich Angst hast. Ich war, wie du vielleicht weißt auch kurze Zeit in den USA (3 Wochen, arbeiten in Michigan) und habe dort immer ein Gefühl permanenter Bedrohung gehabt. In Der Nacht hat man manchmal Schüsse aus einer Maschinenpistole gehört. Auch die Amis waren immer verkrampft und machten auf mich den Eindruck als hätten sie Angst. Dies war in Michigan. Ich denke, dass dieser EIndruck in NY noch stärker sein muss.
Auch die Autos hatten eine automatische Zentralverriegelung, die nach drei Metern automatisch das Auto versperrte. Angst vor carjacking.
Ich fühlte mich dort irrsinnig unfrei.
Sry für das kleine offtopic.
LG Gem
Ps.: Die Finger als verlängerung der wulstigen Lippen ist rassistisch.
#3
von Roderich (gelöscht)
Paranoia I
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 27.02.2006 14:54von Roderich (gelöscht)
Hallo Gem,
erst einmal danke für das Nicht-näher-eingehen auf die Geschichte - ehrt mich sehr, wenn du es nicht für notwendig erachtest, mich stilistisch zu zerpflücken. [11]
Zu deiner Frage: Ich fühle mich eigentlich recht sicher. Man lernt recht schnell, wo man sich sicher und frei bewegen kann und welche Gegenden man eher meiden soll. Da muss man dann auch nicht hin. Schüsse habe ich noch keine gehört, aber nachdem ich in einer passablen Gegend wohne, werde ich wohl auch so schnell keine hören. Wenn man allerdings in der Nacht in Spanish Harlem unterwegs ist, könnte das durchaus ungesund sein.
Was mir jedoch vorkommt: Dass die Amerikaner selbst ziemlich nervös sind, eben vor allem die Polizisten. Und die laufen wirklich überall herum. Es ist praktisch unmöglich, zwei Blöcke zu gehen, ohne einen Polizisten zu sehen, der mit wachsamen Blick die Straßen durchstreift. Einerseits fühlt man sich da selbst wieder sicherer, denn Recht und Ordnung sind immerhin in Sichtweite - andererseits hat man schon auch ein bisschen ein komisches Gefühl - ist so viel Polizei wirklich notwendig?
Wie gesagt, ich fühle mich mittlerweile relativ sicher (außer, wenn ich nach Einbruch der Dunkelheit noch umherstreife - aber das sollte man sowieso in keiner Großstadt wirklich tun), aber die Nervosität der Amerikaner ist stets greifbar, baut sich fast plastisch in den Straßen auf. Und das habe ich versucht, hiermit einzufangen.
Zu deinem PS noch: Ja, durch den ganzen Text zieht sich eine Spur von latentem Rassismus. Ist aber durchaus beabsichtigt (klingt jetzt hart, ich weiß), aber ich wollte einfach die Paranoia auf mehreren Ebenen darstellen. Für einen Mitteleuropäer, der nach N.Y. kommt, ist der Anblick der vielen Schwarzen zunächst einmal etwas Neues - das war es auch für mich. Und auch, wenn man sich sehr schnell darauf einstellt, sich an die neue Umgebung gewöhnt, so bleibt dennoch ein Rest von Fragezeichen - der sich schnell einmal in xenophobischen Gedanken manifestieren kann. Ich selbst habe am Anfang aufpassen müssen, dass ich nicht aus Schwarz gleich Gefahr gemacht habe - und das als Mensch, der Rassismus in keinster Weise toleriert. Diese Beobachtung und die Tatsache, dass viele Polizisten hier Schwarze sind, hat mich dazu gebracht, diese Ebene der Paranoia mit einzubeziehen. Ich denke, das Bild der Paranoia ist unvollständig, wenn man die "Angst vorm schwarzen Mann" auslässt.
Dass ich mich selbst von den Grundgedanken des Textes distanziere, sollte dann eigentlich der Schluss deutlich machen, indem die Paranoia noch einmal überspitzt wird.
Puh, das waren jetzt viele Worte. Ich hoffe, ich habe mich nicht unverständlich ausgedrückt.
So, jetzt schwinge ich mich wieder in die paranoide Stadt und schau mal, was die Arbeit dort so macht.
Grüße
Thomas
erst einmal danke für das Nicht-näher-eingehen auf die Geschichte - ehrt mich sehr, wenn du es nicht für notwendig erachtest, mich stilistisch zu zerpflücken. [11]
Zu deiner Frage: Ich fühle mich eigentlich recht sicher. Man lernt recht schnell, wo man sich sicher und frei bewegen kann und welche Gegenden man eher meiden soll. Da muss man dann auch nicht hin. Schüsse habe ich noch keine gehört, aber nachdem ich in einer passablen Gegend wohne, werde ich wohl auch so schnell keine hören. Wenn man allerdings in der Nacht in Spanish Harlem unterwegs ist, könnte das durchaus ungesund sein.
Was mir jedoch vorkommt: Dass die Amerikaner selbst ziemlich nervös sind, eben vor allem die Polizisten. Und die laufen wirklich überall herum. Es ist praktisch unmöglich, zwei Blöcke zu gehen, ohne einen Polizisten zu sehen, der mit wachsamen Blick die Straßen durchstreift. Einerseits fühlt man sich da selbst wieder sicherer, denn Recht und Ordnung sind immerhin in Sichtweite - andererseits hat man schon auch ein bisschen ein komisches Gefühl - ist so viel Polizei wirklich notwendig?
Wie gesagt, ich fühle mich mittlerweile relativ sicher (außer, wenn ich nach Einbruch der Dunkelheit noch umherstreife - aber das sollte man sowieso in keiner Großstadt wirklich tun), aber die Nervosität der Amerikaner ist stets greifbar, baut sich fast plastisch in den Straßen auf. Und das habe ich versucht, hiermit einzufangen.
Zu deinem PS noch: Ja, durch den ganzen Text zieht sich eine Spur von latentem Rassismus. Ist aber durchaus beabsichtigt (klingt jetzt hart, ich weiß), aber ich wollte einfach die Paranoia auf mehreren Ebenen darstellen. Für einen Mitteleuropäer, der nach N.Y. kommt, ist der Anblick der vielen Schwarzen zunächst einmal etwas Neues - das war es auch für mich. Und auch, wenn man sich sehr schnell darauf einstellt, sich an die neue Umgebung gewöhnt, so bleibt dennoch ein Rest von Fragezeichen - der sich schnell einmal in xenophobischen Gedanken manifestieren kann. Ich selbst habe am Anfang aufpassen müssen, dass ich nicht aus Schwarz gleich Gefahr gemacht habe - und das als Mensch, der Rassismus in keinster Weise toleriert. Diese Beobachtung und die Tatsache, dass viele Polizisten hier Schwarze sind, hat mich dazu gebracht, diese Ebene der Paranoia mit einzubeziehen. Ich denke, das Bild der Paranoia ist unvollständig, wenn man die "Angst vorm schwarzen Mann" auslässt.
Dass ich mich selbst von den Grundgedanken des Textes distanziere, sollte dann eigentlich der Schluss deutlich machen, indem die Paranoia noch einmal überspitzt wird.
Puh, das waren jetzt viele Worte. Ich hoffe, ich habe mich nicht unverständlich ausgedrückt.
So, jetzt schwinge ich mich wieder in die paranoide Stadt und schau mal, was die Arbeit dort so macht.
Grüße
Thomas
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