#1

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in Düsteres und Trübsinniges 15.03.2006 19:17
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Faktura

Die Wände kahl, fast klinisch rein,
Erinnerungen abgehängt.
Regale stieren blicklos drein,
nichts, was das Hier und Jetzt verdrängt.

Die Alben in der Schrankwand leer,
die Seiten des Adressbuchs sind
herausgerissen, das war fair,
auch die vom einstmals lieben Kind,

das niemals anrief oder schrieb.
Was bringt das eigen Fleisch und Blut,
das, wenn benötigt, fern nur blieb -
welch jämmerliches Attribut!

Der autophobe Selbstbetrug
weicht selbst gewählter Einsamkeit.
Und war ihm früher nichts genug
eins hat er nun - und das ist Zeit.

(c) Don Carvalho
- März 2006

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#2

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in Düsteres und Trübsinniges 15.03.2006 23:53
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi DC

Tolle Rechnung, so am Ende des Lebens.

Ich lese da ein paar Unstimmigkeiten. Hier und Jetzt schreibt man, m.E., gross. Regale und Schrankwand sind nicht das Gleiche? Oder haben wir das Zimmer gewechselt? 'Eigne' würde ich durch 'eigen' ersetzen. Keine Ahnung weshalb (*g), klingt mir besser im Ohr. In der nächsten Zeile stimmen die Zeitformen irgendwie nicht, oder? Benötigt und blieb scheinen mir nicht zusammen zu passen. Fern nur blieb? Yoda? Das 'kennzeichnendes' würgt mich beim Sprechen, aber ich mag - um diese Uhrzeit - nicht mehr x-en. Aber wahrscheinlich klemmt da die Metrik. Autophob? Kenne ich nicht, erklärst du mir das bitte? So fertig gemeckert, denn eigentlich gefällt's mir ja.

Gruss
Margot

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#3

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in Düsteres und Trübsinniges 16.03.2006 11:12
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi Margot,

ja, ich habe mich schwer getan, auf meinem Rechner schlummern noch diverse an- und abgebrochene Strophen und Fragmente, irgendwie hatte ich aber die Schnauze voll und wollte es einfach mal ins kalte Wasser werfen...

Zu Deinen Anmerkungen:

Mit dem Hier und Jetzt hast Du recht, wird umgehend geändert.

Zwischen Regalen und einer Schrankwand sehe ich jedoch Unterschiede:
"Ein Regal (v. lat. riga "Reihe") ist ein Möbelstück, das der Lagerung von Gegenständen aller Art dient. Die Lagerungsfläche entsteht durch waagerechte Böden, die in ein vertikales Gestänge eingehängt oder an der Wand befestigt sind. Im Gegensatz zum Schrank ist es nach vorne offen."

"Eine Schrankwand ist ein großer, mehrteiliger Schrank, der entweder aus einzelnen, zusammengeschraubten Elementen besteht oder auch in sog. Endlosbauweise aus einzelnen Seiten und Böden besteht." (...) "Die einzelnen Schrankelemente können mit Flügel-, seltener jedoch mit Schiebetüren verschlossen werden. Auch offene Schränke ohne Türen, dann aber mit einer Nischenauskleidung, sind möglich."
(Zitate aus der Wikipedia, ich war jetzt zu faul, um mir selbst eine Definition zu überlegen. Unglaublich, zu was man da alles Texte findet ). Also ein Zimmer, das auf der einen Seite eine Schrankwand hat und in dem sich ansonsten noch ein paar Regale an der Wand befinden...

Das "eigne" stört mich zwar nicht, das "eigen" gefällt mir aber besser. Das übernehme ich gleich.

Die Zeitformen finde ich allerdings in Ordnung. Dieser Einschub "wenn benötigt" ist natürlich reduziert, würde man es ergänzen, hieße es "wenn (es) benötigt (wurde)". Ich meine, das müsste aber doch in der verkürzten Form gehen.

Das "kennzeichnende" spricht sich wirklich schlecht, ich habe auch überlegt, ob ich es verwenden solle oder nicht. Metrisch müsste es aber eigentlich in Ordnung sein:
"welch kennzeichnendes Attribut!"
xXxXxXxX
Natürlich muss man auf der 3. Silbe des kennzeichendes einen Nebenakzent setzen, was aber eigentlich nicht das Problem sein dürfte. Die Zunge bleibt dennoch kleben...

Autophobie ist die Angst, auf sich alleine gestellt zu sein oder auch die Angst vor sich selbst/ mit sich alleine zu sein. Hach, es gibt so viele tolle Ängste... ich glaube, das ist zudem ein Begriff aus der Physik/ Chemie, wird da aber sicher ähnliches beschreiben, so wie Sauerstoffatome nicht gerne alleine bleiben, sondern sich mittels gemeinsamer Nutzung ihrer Elektronen zu Zweiergrüppchen zusammentun - ob allerdings Sauerstoff als "autophob gilt, weiß ich nicht, denn er hat ja weniger Angst, alleine zu sein, sondern strebt nur nach einer vollkommeneren Elektronenzahl. Aber ich schweife ab Vergiss den Sauerstoff, es geht um die Angst!

Mit dem Titel bin ich mir übrigens auch nicht sicher... zu kopflastig? Hm...

Freut mich auf jeden Fall, das Du es trotz Deiner Kritikpunkte irgendwo magst und Danke für Deine Anregungen .

Grüße,

Don


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#4

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in Düsteres und Trübsinniges 16.03.2006 13:40
von Krabü2 (gelöscht)
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Hallo Don,
huch, wie eine Rasierklinge irgendwie, oder wie auf 'nem Seil.
Ein Mensch, der sich auf eigenen Wunsch oder in eigener Verantwortung - so das gesagt werden kann - von Allen zurückzieht, dann klagt, dass eh nie Jemand da war und so oder so immer einsam war oder gar sein wollte. Aus Enttäuschung vielleicht ... durch eine Art Sozialphobie?
Und dieser Mensch merkt dann, nach aller 'Abnablung', dass er mit sich selbst auch nicht zurechtkommt?
Nur verstehe ich tatsächlich nicht die ersten beiden Zeilen der letzten Strophe.
Wieso weicht der autophobe Selbstbetrug 'sogar' der selbst gewählten Einsamkeit? Wieso weicht er überhaupt? Ist er immer schon irgendetwas gewichen, hat also Platz für andere Empfindungen gemacht? Das verwirrt mich.
*kopfkratz*
Ich würde es aber gern verstehen. Klärst Du mich auf?
Die letzte Strophe hat einen ganz anderen Klang als die vorherigen, sie ist so was wie 'die Moral von der Geschicht'? Eine Anklageschrift, Dein Gedicht?
Je mehr ich drüber nachdenke, desto konfuser werde ich.
Sag' jetzt nicht, dass Du den Eindruck eh schon hattest von mir ;-))))
LG
Uschi

PS: Faktura heißt ja Rechnung. Geht sie auf?

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#5

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in Düsteres und Trübsinniges 17.03.2006 10:21
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi Krabü,

ich würde das Pferd von der anderen Seite aufsatteln:

dieser Mensch ist einsam. Seine sozialen Kontakte, die er einmal hatte, sind gänzlich versiegt, selbst sein Kind - auf das viele ja als Altersversicherung bauen - meldet sich nicht und ist in seinen Augen nicht für ihn da. Warum das so ist, bleibt im Dunkeln (man könnte die letzten beiden Zeilen heranziehen), gleichwohl entschließt sich das lyrIch, einen Schnitt zu machen und sich nicht an Dinge zu klammern, die tatsächlich nicht da sind. Darum wurden die Bilder abgehängt, die Seiten des Adressbuchs herausgerissen etc., der auf der Angst, alleine zu sein, begründete Betrug an sich selbst, eben nicht alleine zu sein, wird beendet... er will also nicht einsam sein, er ist es und gesteht sich das ein. Nachvollziehbar?

Den Titel habe ich dementsprechend auch ein bisschen so verstanden, dass eben das lyrische Ich den anderen und sich slebst die Rechnung präsentiert.

Die letzte Strophe komm tatsächlich ein bisschen wie die Moral von der Geschicht daher, naja, ich wollte dem Gedicht eben ein Ende verleihen.

@Margot und natürlich alle:

"das, wenn benötigt, fern nur blieb -
welch jämmmerliches Attribut!"
Oder: abstoßendes , würdeloses, miserables, inhumanes?
*grübel*


Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,

Don

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#6

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in Düsteres und Trübsinniges 17.03.2006 10:33
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi DC

Ja, jämmerlich finde ich passender. Aber das ... fern nur blieb.... ne, das ist einfach unschön. Wie wär's denn mit:

das, wenn benötigt, abseits/auswärts/jenseits blieb,
welch jämmerliches Attribut!

?

Gruss
Margot

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#7

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in Düsteres und Trübsinniges 17.03.2006 10:47
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Danke, Margot.

Bezüglich des "fern nur blieb" versteh ich Dein Problem, aber abseits/auswärts/jenseits haben alle eine etwas andere Bedeutung. Hm... vielleicht fällt mir noch was ein. Oder Dir, hergott Margott, streng Dich doch mal an !


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#8

Faktura

in Düsteres und Trübsinniges 17.03.2006 10:50
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Mach du mal deine Arbeit selber, wa!

Ich weiss, dass die Vorschläge nicht die selbe Bedeutung haben, aber die "neue" finde ich auch recht interessant.

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#9

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in Düsteres und Trübsinniges 18.03.2006 14:09
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
Hi Don,
ein Gedicht, dass gefällt. Über die Form bei Dir zu schreiben, Zeitverschwendung., wenn auch 1St Z1+3 unsaubere Reime sind. Ich vertrete auch die Meinung, dass das ok ist wenn es phonetisch passt.
Der Inhalt, obwohl nicht ganz neu, begeistert mich.
Das alte Thema, ein Egomane, selbstliebend nur von anderen fordernd merkt, dass er nicht geliebt wurde. Vor lauter Fixierung auf das eigene Ich hatte er vergessen auch Liebe zu geben. Sein Umfeld hatte ihm schon länger, von ihm nicht bemerkt (wie sollte er auch) die Rechnung aufgemacht. Nun meint er, im ewigen Selbstbetrug, durch die Beseitigung der Dinge die ihn erinnern, seinerseits die Rechnung zu präsentieren. Das wird doch wohl nicht ein überarbeiteter Advokat gewesen sein? (grins)
Gern gelesen.
Gruss
Knud

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#10

Faktura

in Düsteres und Trübsinniges 18.03.2006 14:51
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Tja, Don, Pech.
Nun hast Du ein schönes Gedicht geschrieben, das so gut zu dem 2. Thema des Wettbewerbs passt, und hast es aber schon veröffentlicht.
Aber im Ernst, der Text gefällt mir auch. Ich mag zum einen Txte, die wörtlich so locker daherkommen, aber dennoch in so eine schöne Versform passen.
Ich sehe das Ich gar nicht so egomanisch, verbittert und enttäuscht schon. Es schließt irgendwie mit der Vergangenheit ab. Andererseits scheint ihm hier ja nun die Rechnung für das vergangene präsentiert zu werden. Also doch Egomane? Wahrscheinlich doch.

Grüße,
GW

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#11

Faktura

in Düsteres und Trübsinniges 20.03.2006 11:10
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Ihr Zwo,

ja, anscheinend kann man die (Ab-)Rechnung auf zweierlei Art, entweder hat sie das lyrIch präsentiert bekommen oder eben selbst vorgenommen...

Str.1 Z1&3 sind unsaubere Reime? Ich bin mir gerade unsicher? Weil es umgangssprachlich für "darein" steht und somit eigentlich kein Reim, sondern eine Wortwiederholung ist? Wobei es die ja nicht wirklich ist... Hm. *grübel*

Freut mich auf jeden Fall, wenn es Euch zusagt. Das es gut zum Thema 2 passen würde, ist mir noch gar nicht aufgefallen... Wäre mir vermutlich auch nicht aufgefallen, wenn ich es erst nach Bekanntgabe der Themen geschrieben hätte. Naja, muss halt ein Neues her!

Vielen Dank,

Don

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