#1

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 27.03.2006 21:19
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Traurigkeit

Streiche mir heute nicht die
Haare aus der Stirn
Zeige mir keine
Einbauküchen
Schneid keinen Bärlauch
lass die Suppe kalt
aber
küsse mich länger
zünd eine Kerze bei Nacht
lies mir was von Eminescu
Hölderlin oder Baudelaire
Oh sonst
stille ich selbst in Gedanken
durstig die Verse in mir

Stanislaw Lem ist
heute gestorben
Wie übermannte mich
Traurigkeit

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#2

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 27.03.2006 21:27
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hi Al

Ich muß dir gestehen, dass ich das Verscheiden dieses Mannes zwar vernommen habe, aber keine Ahnung habe wer das war.
Hier finde ich die Form, welche du gewählt hast, nicht passend.
Ich hätte, um die Trauer und die Melancholie zu verstärken die Sätze auslaufen lassen.
Sonst ist es inhaltlich nicht schlecht.

LG Gem

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#3

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 27.03.2006 21:36
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
hallo Gemini

merci für die schnelle Rückmeldung

ich werde mir die nächsten Tage überlegen ob ich die paarigen Zeilen der ersten Strophe nach deinem Vorschlag zusammenführe

bitte verwende keine Diminutive bei meinem Pseudonym

Gruß
Alcedo


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#4

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 27.03.2006 21:39
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Oh Sry (Sorry)...

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#5

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 27.03.2006 22:09
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Lieber Alcedo,

auch wenn ich es lieber so erfahre als über die Zeitung, macht es auch mich traurig, dass Stanislav Lem tot ist.

Manche Menschen, die ich nur von ihrem Geschriebenen kenne, sind mir näher als manche (entfernte) Verwandte. Stanislav Lem gerhört auch dazu.

Deine Art, Trauer zu zeigen und zu beschreiben, spricht mich an. Aber welche Verse meinst du, wenn du von Versen in dir sprichst, die du durstig zu stillen gedenkst? Verse von Lem, die dir durch den Kopf gehen, Verse von Eminescu, Hölderlin, Beaudelaire, oder deine eigenen? Sind es Verse, die die Trauer hervorbringt, weil sie nach Trost dürstet? Und sind sie klagend oder laut, so dass du sie still haben willst? Ich verstehe das "in- Gedanken-Stillen" eher im Hölderlinschen Sinne als ein "Gedenken" in Versen (wessen auch immer), das den Schmerz besänftigt und die Trauer erhebt.

Liebe Grüße,

Ulli


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#6

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 28.03.2006 14:06
von Fabian Probst (gelöscht)
avatar
ich habe "Eden" gelesen, und muss zugeben, dass ich es nicht so toll fand. Lag aber auch am Thema, denn mit Science Fiction kann ich nicht viel anfangen und es ist auch sehr lange her.

Du hast wohl ein "r" im ersten Wort vergessen, denke ich.

Die Stimmung hast du in meinen Augen gut eingefangen.

lg,Fabian

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#7

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 28.03.2006 23:25
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Zitat:

Ulli Nois schrieb am 27.03.2006 22:09 Uhr:
welche Verse meinst du, wenn du von Versen in dir sprichst, die du durstig zu stillen gedenkst? Verse von Lem, die dir durch den Kopf gehen, Verse von Eminescu, Hölderlin, Beaudelaire, oder deine eigenen? Sind es Verse, die die Trauer hervorbringt, weil sie nach Trost dürstet? Und sind sie klagend oder laut, so dass du sie still haben willst? Ich verstehe das "in- Gedanken-Stillen" eher im Hölderlinschen Sinne als ein "Gedenken" in Versen (wessen auch immer), das den Schmerz besänftigt und die Trauer erhebt.




@Ulli:
ja, es ist das schmerzlindernde Gedenken im Hölderlinschen Sinne und es tut verdammt gut, dies so verstanden zu wissen - deine Empathie überrascht mich äußerst angenehm.

@Fabian:
danke für das Lob und den Orthographie-Hinweis, habe das erste Wort korrigiert


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#8

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 29.03.2006 10:57
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hallo Alcedo...

komme erst jetzt dazu Dir zu schreiben, obwohl Dein Gedicht mir seit dem ich es gelesen habe nicht aus dem Kopf geht.

Es ist einfach wunderschön.

Da ich nie über Asimov und Heinlein hinausgekommen bin, war mir Stanislav Lem kein Begriff
als ich vorgestern Dein Gedicht las. Und trotzdem überkam mich beim Lesen eine tiefe Traurigkeit,
die mich in Gedanken an Dein Gedicht selbst gestern noch durch meinen Arbeitstag begleitete.
Auch wenn es für mich viele besondere Stellen in Deinem Gedicht gibt, möchte ich sie jetzt nicht aufspalten,
da mir es mir in seiner Traurigkeit einfach zu zerbrechlich erscheint.
Obwohl sie sich auf jemanden beziehen der mir unbekannt war,
wecken Deine Zeilen in mir eine Trauer die ich zuletzt spürte als Peter Ustinov verstarb.... und das will was heißen.

Es ist einfach ein wunderschönes Gedicht, genau so wie es ist.

Liebe Grüße, Benno

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#9

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 01.04.2006 10:48
von Goosie (gelöscht)
avatar
hallo alcedo,

auch wenn in jedem forum schon oft kommentiert, muss ich doch auch noch meine meinung dazu sagen
ich staune, ich staune, ich erkenne dich kaum wieder. gefällt mir wirklich sehr. vor allem gefällt mir

Zeige mir keine
Einbauküchen
Schneid keinen Bärlauch
lass die Suppe kalt
aber
küsse mich länger

dieses gedicht ist dir überaus gelungen. das einzige was mir auffallen würde, wär das oh, das ich vielleicht mit einem denn ersetzen würde.

liebe grüße,
goosie

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#10

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 01.04.2006 11:15
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
@goosie:
dieses "denn" hatte ich tatsächlich da stehen gehabt, aber es dann geändert, da ich unbedingt eine Betonung auf "sonst" vermeiden wollte. ich werd mit den Versen sowieso nochmal in Klausur gehen, auch um Geminis Vorschlag zu prüfen. dann fühl ich auch dem "Oh" nochmal auf den Zahn.
dein Staunen verursachte ein Lächeln.
freut mich dass ich dich hiermit erreichen konnte.

@Benno:
danke für das Lob. es gibt kaum befriedigenderes, als zu hören dass meine Verse jemanden über längere Zeit begleiten.
bei Sir Peter war es für mich nicht so überraschend gekommen,
aber lieb von dir, dass du diesen Bezug bringst.
wie sagte Rilke so schön in seinem Schlußstück...

liebe Grüße
Alcedo

----------------------------------------------------------------
SCHLUSSSTÜCK

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

Rainer Maria Rilke (1906)


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#11

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 02.04.2006 22:40
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
@Gemini:
hab das heute ausprobiert mit dem Auslaufenlassen der Sätze.
Im Ergebnis empfand ich es allenfalls bei den ersten zwei Zeilen neutral.
schon bei Einbauküchen ergab sich eine Abschwächung am Zeilenende. aufeinanderprallende Hebungen lassen im weiteren Verlauf nicht viele Möglichkeiten zu. Insgesamt sagt mir aber die heruntergebrochene Struktur, schon von Beginn an, am ehesten zu.

@goosie:
das "denn" anstatt "oh" ist nicht tragbar, da sonst ein Jambus oder gar Anapäst aufgerollt wird. das wäre mehr als unpassend. einen anderen Ersatz habe ich nicht gefunden und auch nicht mehr weiter danach gesucht, als ich gemerkt hab, dass die Vokabel sich schön ergänzt zu den Alliterationen der vorherigen Zeile. unterhalb von Hölderlin erscheint mir das große O auch trefflich platziert.

werde deshalb alles so belassen wie es dasteht,
bedanke mich aber für die Hinweise.

Gruß
Alcedo


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#12

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 03.04.2006 13:28
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Alcedo,

es wurde ja schon viel geschrieben, vor allem viel Lob, dem ich mich einfach mal anschließe. Das Lem gestorben ist, ist auch mir entgangen, aber es betrübt auch mich. Die Sterntagebücher lassen mich noch immer kichern und sind gleichzeitig ebenso philosophisch tief wie wissenschaftlich fundiert. Und Solaris ist mir auch noch in guter Erinnerung, diese Thematik ist immer noch groß. Aber okay, mit 84 darf man auch abtreten. Trotzdem...

Dein Beginn erinnert mich an den Song XI (bekannt auch als Funeral Blues) von Auden, ich könnte mir vorstellen, dass er Dich inspiriert hat, ohne ihn allerdings zu kopieren.

Aber es ist gerade dieses Innehalten, die Unmöglichkeit, einfach mit dem Normalen fortzufahren, die sowohl Audens Gedicht wie auch Deinen Anfang so stark machen. Manchmal kann man eben nicht einfach weitermachen wie bisher...
...und schön dann die Reaktion darauf. Die Suche nach Geborgenheit und auch der Wille, dieses Gefühl der Trauer zu erleben. Fast nüchtern ist da der 2. Abschnitt mit dem Hinweis auf Lems Tod. Und dennoch ist er wichtig, da damit die Grundlage des Verstehens für die vorangegangenen Zeilen gegeben wird.

Einzig den Titel finde ich fast etwas zu schwach. Natürlich nimmt er Bezug auf den 2. Abschnitt, aber wenn einen die Traurigkeit übermannt, ist das in meinen Augen eines stärkeren Begriffes würdig, so dass mir "Trauer" besser gefiele. Aber grundsätzlich einen schlichten Titel zu wählen, finde ich gut, insofern bleibt auch meine Titelklage eine kleine...

Sehr gern gelesen. Und jetzt nehme ich mir mal wieder ein Lem-Buch vor .

Don

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#13

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 04.04.2006 09:55
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
hallo Don

vielen Dank für diese ausführliche und lehrreiche Rückmeldung.
natürlich darf man abtreten, in jedem Alter, aber - und das ist der Hauptgrund für meine Reaktion gewesen - ich hatte gar nicht gewusst dass Lem überhaupt noch unter den Lebenden weilte. (das hört sich jetzt bescheuert an, ist mir aber schnuppe) dies hat auch private Gründe, die damit zu tun haben, dass ich mich viele Jahre lang, völlig abseits aktuellem kulturellen und literarischen Geschehens befunden habe. so hab ich Solaris aus einer abgegriffenen russischen oder polnischen Ausgabe erfahren (in deutscher Übersetzung), Exemplar das mir leider abhanden gekommen ist.

Autor und Betitelung dieses "Song XI" sagten mir nichts, aber dann bin ich dem Link gefolgt, hab den Text gelesen und es durchzuckte mich heiß: den Film hab ich tatsächlich gesehen/in deutschem synchron gehört und ich muss gestehen, es ist mir äußerst unangenehm, auch nur im entferntesten mit Hugh Grant in Verbindung gebracht zu werden! andererseits wiegen Andie McDowell und andere Protagonistinnen einiges wieder auf...
ich hatte die ganze Zeit über gedacht, Rilkes Schlußstück wäre mir alleine Pate gestanden. nun fällt mir einiges wie Schuppen vor die Augen, merci nochmal für deinen Hinweis.

auch ich werd mir ganz sicher ein neues Exemplar von Solaris zulegen und es erneut lesen.

Gruß
Alcedo

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Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

(Rainer Maria Rilke)

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#14

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 04.04.2006 13:52
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Du hast gar nicht gewusst, dass Lem gestorben ist? Und da hast Du zufällig exakt am Tag seines Todes dem 27.03.2006 dieses Gedicht gepostet? Wow, ich hoffe, Du schreibst nicht regelmäßig Todesgedichte über Personen ... *

An Hugh Grant würde ich mich übrigens nicht so hochziehen, was kann denn der Auden dafür, wenn man sich an ihm reibt .



P.S.: * Sorry, der Groschen fiel langsam, jetzt weiß ich, wie Du es gemeint hast - und ich bin beruhigt.

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#15

Traurigkeit

in Düsteres und Trübsinniges 05.04.2006 07:45
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
keine Frage, Auden kann nun wirklich nichts dafür.

wobei man aber anerkennen muss, dass die deutsche Übersetzung zum Teil auch sehr gelungen ist. vor allem die letzte Zeile wirkt beinah stärker als das Original.

edit:
was den Titel betrifft, ich wollte unbedingt eine buchstabengleiche, identische Umrahmung. deshalb hab ich jetzt auch das Fettgedruckte editiert.

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