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Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 05.04.2006 17:58von Mattes • | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.
»Wie war« (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
»möglich, wie dies Unglück, ja —:
daß es überhaupt geschah?
Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?
Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, — kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht —?«
Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!
Und er kommt zu dem Ergebnis:
»Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil«, so schließt er messerscharf,
»nicht sein kann, was nicht sein darf.«
ja ja, der gute alte Morgenstern. Die Spiegel, die er uns vorhält, sind immer mit ganz witzigen Rahmen versehen, aber sie bleiben Spiegel.
Schön, das hier von ihm gelesen zu haben. Konnte mich jetzt gar nicht daran erinnern, aber untergekommen ist es mir sicher schon einmal.
Grüße
Thomas
Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 08.06.2008 11:55von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Die drei Spatzen
In einem leeren Haselstrauch
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mitten drin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 28.09.2008 14:15von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Herr Meier hält sich für das Maß der Welt.
Verständlich ist allein, was ihm erhellt.
Herr Meier sagt, wozu doch eure Kunst,
wenn nicht für mich! Sonst ist sie eitel Dunst.
Noch mehr, bei weitem mehr: Herr Meier meint,
daß dann die Kunst im Grunde sträflich scheint.
Man muß sich eiligst von Herrn Meier wenden,
um nicht mit Mord und Raserei zu enden.
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 24.12.2009 00:59von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Der Werwolf
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
"Der Werwolf" - sprach der gute Mann,
"des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
den Wenwolf, - damit hat's ein End."
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 25.12.2009 11:31von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Möwenlied
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.
Ich schieße keine Möwe tot,
Ich laß sie lieber leben —
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 25.12.2009 18:27von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Die zwei Wurzeln
Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt: knig. Die andre sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 22.05.2011 01:39von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
"Aus dem Anzeigenteil einer Tageszeitung des Jahres 2407"
Von morgen ab wieder
täglich:
Verwandlung
von Wasser
in Wein
Austern, Kaviar, Champagner, Tafelobst
für jedermann
auf einfachstem Wege
Egon Schwarzfuß, Hypnotiseur
Gegenüber dem Ackerbauministerium
*
Zur erneuten Besprechung des Problems der Wasser-schienen ladet auf den 12. September ein der Vorstand des Klubs für technische Fragen, Verkehrsabteilung.
*
Nutridentol!!
Ist das beste Zahnwasser!
Dasselbe besitzt außer seinen reinigenden Eigenschaften hohen Nährwert!
Der Gebrauch ersetzt
jedes Abendbrot oder Frühstück!
*
Künstliche Köpfe!!!
Jedermann ist ein Narr,
der sich nicht einen künstlichen Kopf anschafft.
Der künstlichen Kopf wird über den natürlichen gestülpt und gewährt diesem gegenüber folgende Vorteile:
a) des Schutzes gegen Regen, Wind, Sonne, Staub,
kurz alle äußeren Unbilden, die den natürlichen Kopf ohne Ende belästigen
und von seiner eigentlichen Beschäftigung, vom Denken, abhalten:
b) der Erhöhung der natürlichen Sinnesfunktionen: man hört mit seinen künstlichen Ohren etwa hundertmal mehr und besser, als mit den natürlichen, man sieht mit seinem Augenapparat so scharf wie ein Triëder-Binocle, man riecht mit dem K.K. feiner und man schmeckt mit dem K.K. differenzierter als mit seinem Vorgänger.
Dabei braucht man jedoch nichts von alledem.
Man kann die Apparate nämlich einstellen, wie man will, also auch auf ´tot´.
Der auf tot eingestellte K.K. ermöglicht
ein vollkommen ungestörtes Innenleben.
Geschlossene Zimmer, Mönchszellen, Waldeinsamkeit usw.
sind fortan überflüssig.
Man isoliert sich im dichtesten Volksgewühl.
Der K.K. wird nur nach Maß angefertigt und ist leicht zu tragen.
Gegen unbefugte Berührung ist er durch eine eigene Batterie geschützt.
Da er kein Haarkleid braucht, ist die Schädeldecke für Annoncen reserviert.
Wer klug ist und vorurteillos,
kann durch Übernahme einer geeigneten Großfirmenanzeige
unschwer die Kosten eines K.K. herausschlagen,
ja noch mehr,
durch den künstlichen Kopf auch auf diesem Wege
weit leichter Geld verdienen
als durch den natürlichen!
*
Die Gesellschaft für Verbreitung von Schrecken aller Art teilt mit, daß nun auch gefingierte Einbrüche polizeilich genehmigt worden sind.
Die Abonnenten genießen wie immer erhebliche Vorteile.
Auf ein Jahresabonnement zu 3 Einbruche
1 Mordüberfall gratis
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Amerikanischer Agent sucht ausgestopfte Fürsten zu höchsten Preisen.
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Die Vereinigung für Ameisespiele wird ersucht, sich morgen, den 17. hjs auf dem Tempelhofer Felde einzufinden, um den großen Haufen zu vollenden.
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Demnächst Eröffnung
der ersten deutschen
Luftzeitung!
Der von sechs Fesselballons festgehaltene Projektionsdrache mißt 800 m im Quadrat und wird oberhalb des Kreuzberges allabendlich nach Einbruch der Dunkelheit die neusten Berichte in weithin sichtbare Buchstaben zeigen.
Eigens konstruierte Abonnements-Ferngläser, sowie Dachstuhl- und Kaminsitzkarten in der Redaktion und allen Filialen.
Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß nur feste Abonnenten an den großen Veranstaltungen teilhaben, welche die Luftzeitung plant und deren erste sein wird:
Die Projektion
jedes an einem Sonntag geborenen Abonnenten
in voller Bildgröße
(800 qm)
*
aus(!):
Christian Morgenstern
Galgenlieder, Palmström
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 22.05.2011 01:41von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Lied
Wenn so der erste feine Staub
des Sommers auf die Blätter fällt -
dann ade, du Frühlingswelt!
Dann ade, du junges Laub! -
Ach, wie sterben die Frühlinge schnelle!
Wenn erst das Auge sich versöhnt
mit all dem Grün und Weiß und Rot,
da beginnt des Frühlings Tod,
da versommern wir verwöhnt ...
Ach, wie sterben die Frühlinge schnelle!
Und dann schauen wir vom Hügel,
wie das Land sich müde sonnt ...
Leblos steht ein Mühlenflügel,
wie ein Kreuz, am Horizont -I-.
Ach, wie sterben die Frühlinge schnelle!
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 22.05.2011 01:43von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Die Westküsten
Die Westküsten traten eines Tages zusammen
und erklärten, sie seien keine Westküsten,
weder Ostküsten noch Westküsten -
"daß sie nicht wüßten!"
Sie wollten wieder ihre Freiheit haben
und für immer das Joch des Namens abschütteln,
womit eine Horde von Menschenbütteln
sich angemaßt habe, sie zu begaben.
Doch wie sich befreien, wie sich erretten
aus diesen widerwärtigen Ketten?
Ihr Westküsten, fing eine an zu spotten,
gedenkt ihr den Menschen etwan auszurotten?
Und wenn schon! rief eine andre schrill.
Wenn ich seine Magd nicht mehr heißen will? -
Dann blieben aber immer noch die Atlanten -
meinte eine von den asiatischen Tanten.
Schließlich, wie immer in solchen Fällen,
tat man eine Resolution aufstellen.
Fünfhundert Tintenfische wurden aufgetrieben,
und mit ihnen wurde folgendes geschrieben:
Wir Westküsten erklären hiermit einstimmig,
daß es uns nicht gibt, und zeichnen hochachtungsvoll:
Die vereinigten Westküsten der Erde. -
Und nun wollte man, daß dies verbreitet werde.
Sie riefen den Walfisch, doch er tat's nicht achten;
sie riefen die Möwen, doch die Möwen lachten;
sie riefen die Wolke, doch die Wolke vernahm nicht;
sie riefen ich weiß nicht was, doch ich weiß nicht was kam nicht.
Ja, wieso denn, wieso? schrie die Küste von Ekuador:
Wärst du etwa kein Walfisch, du grober Tor?
Sehr richtig, sagte der Walfisch mit vollkommener Ruh:
Dein Denken, liebe Küste, dein Denken macht mich erst dazu.
Da war's den Küsten, als säh'n sie sich im Spiegel;
ganz seltsam erschien ihnen plötzlich ihr Gewiegel.
Still schwammen sie heim, eine jede nach ihrem Land.
Und die Resolution, die blieb unversandt.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 22.05.2011 21:20von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Die zwei Parallelen
Es gingen zwei Parallelen
ins Endlose hinaus,
zwei kerzengerade Seelen
und aus solidem Haus.
Sie wollten sich nicht schneiden
bis an ihr seliges Grab:
Das war nun einmal der beiden
geheimer Stolz und Stab.
Doch als sie zehn Lichtjahre
gewandert neben sich hin,
da wards dem einsamen Paare
nicht irdisch mehr zu Sinn.
Warn sie noch Parallelen?
Sie wußtens selber nicht, -
sie flossen nur wie zwei Seelen
zusammen durch ewiges Licht.
Das ewige Licht durchdrang sie,
da wurden sie eins in ihm;
die Ewigkeit verschlang sie
als wie zwei Seraphim.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 15.02.2013 20:11von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Christian Morgenstern:
In Phanta's Schloß - Kapitel 13
Im Tann
Gestern bin ich weit gestiegen,
abwärts, aufwärts, kreuz und quer;
und am Ende, gliederschwer,
blieb im Tannenforst ich liegen.
Weil' ich gern in heitrer Buchen
sonnengrünem Feierlichte,
lieber noch, wo Tann und Fichte
kerzenstarr den Himmel suchen.
Aufrecht wird mir selbst die Seele,
läuft mein Aug empor den Stamm:
Wie ein Kriegsvolk, straff und stramm,
stehn sie da, ohn Furcht und Fehle;
ernst, in selbstgewollter Buße,
nicht zur Rechten nicht zur Linken:
wer der Sonne Kuß will trinken,
hat im Dämmer keine Muße.
Denksam saß ich. Moose stach ich
aus des Waldgrunds braunem Tuch.
Und der frische Erdgeruch
tat mir wohl, und heiter sprach ich:
Wahrlich, ich vergleich euch Riesen
unerbittlichen Gedanken,
die sich ohne weichlich Wanken
Höhenluft der Wahrheit kiesen.
Philosophin Mutter Erde
hat euch klar und schlicht gedacht,
jeglichem zu Lehr und Acht,
wie man teil des Lichtes werde.
Stolz aus lauem Dämmer flüchten,
Rast und Abweg herb verachten,
nur das eine Ziel ertrachten –
also muß der Geist sich züchten.
Lang noch an den schlanken Fichten
sah ich auf mit ernstem Sinn.
Erde! Große Meisterin
bist du mir im Unterrichten!
Besser als Folianten lehren,
lehrst mich du, solang mein Leben.
Unerschöpflich ist dein Geben,
doch noch tiefer mein Verehren.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 15.02.2013 20:13von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Christian Morgenstern:
In Phanta's Schloß - Kapitel 18
Andre Zeiten, andre Drachen
Immer nicht an Mond und Sterne
mag ich meine Blicke hängen –:
Ach man kann mit Mond und Sternen,
Wolken, Felsen, Wäldern, Bächen
allzuleichtlich kokettieren,
hat man solch ein schelmisch Weibchen
stets um sich wie Phanta Sia.
Darum senk ich heut bescheiden
meine Augen in die Tiefe.
Hier und da ein Hüttenlichtlein;
auch ein Feuer, dran sich Hirten
nächtliche Kartoffeln braten –
wenig sonst im dunklen Grunde.
Doch! da drunten seh ich eine
goldgeschuppte Schlange kriechen . . .
Hochromantisches Erspähnis!
Kommst du wieder, trautes Gestern,
da die Drachen mit den Kühen
friedlich auf den Almen grasten,
wenn sie nicht grad Flammen speien
oder Ritter fressen mußten –
da der Lindwurm in den Engpaß
seinen Boa-Hals hinabhing
und mit grünem Augenaufschlag
Dame, Knapp und Maultier schmauste –
kommst du wieder, trautes Gestern?
Eitle Frage! Dieses Schuppen-
Ungetüm da drunten ist ein
ganz modernes Fabelwesen,
unersättlich zwar, wie jene
alten Schlangen, doch auch wieder
jenem braven Walfisch ähnlich,
der dem Jonas nur auf Tage
seinen Bauch zur Herberg anbot.
Feuerwurm, ich grüße froh dich
von den Stufen meines Schlosses!
Denn ob mancher dich auch schmähe,
als den Störer stiller Lande,
und die gelben Humpeldrachen,
die noch bliesen, noch nicht pfiffen,
wiederwünschte, – ich bekenne,
daß ich stolz bin, dich zu schauen.
Höher schlägt mir oft das Herze,
seh ich dich auf schmalen Pfaden
deine Wucht in leichter Grazie
mit dem Flug der Vögel messen
und mit Triumphatorpose
hallend durch die Nächte tragen.
Sinnbild bist du mir und Gleichnis
Geistessiegs ob Stoffesträgheit!
Gleichnis bist du neuer Zeit mir,
die, jahrtausendalter Kräfte
Erbin, Sammlerin, sie spielend
zwingt und formt, beherrscht und leitet!
Andre Zeiten, andre Drachen,
andre Drachen, andre Märchen,
andre Märchen, andre Mütter,
andre Mütter, andre Jugend,
andre Jugend, andre Männer –:
Stark und stolz, gesund und fröhlich,
leichten, kampfgeübten Geistes,
überwinder aller Schwerheit,
Sieger, Tänzer, Spötter, Götter!
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Christian Morgenstern (1871-1914)
in Rumpelkammer 03.09.2017 08:47von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
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Mensch und Möwe
Eine neugierkranke Möwe,
kreiste ich zu Häupten eines
Wesens, das in einen weiten
dunklen Mantel eingewickelt,
von dem Kopfe einer Buhne
auf die grüne See hinaussah.
Und ich wußte, daß ich selber
dieses Wesen sei, und war mir
dennoch selbst so problematisch,
wie nur je dem klugen Sinne
einer Möwe solch ein dunkler
Mantelvogel, Mensch geheißen.
Warum blickt dies große, stumme,
rätselhafte Tier so ernsthaft
auf der Wasser Flucht und Rückkehr?
Lauert es geheimer Beute?
Wird es plötzlich aus des Mantels
Schoß verborgne Schwingen strecken,
und mit schwerem Flügelschlag den
Schaum der weißen Kämme streifen?
So und anders fragte rastlos
mein beschränktes Möwenhirn sich,
und in immer frechern Kreisen
stieß ich, kläglich schreiend, oder
ärgerlich und höhnisch lachend,
um mich selber ... Da erhob sich
aus dem Meere eine Woge ...
stieg und stieg ... Und Mensch und Möwe
ward verschlungen und begraben.
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