#1

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 12.04.2006 13:15
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Unhaltbar (CXIII)

Befehlend ist Dein Ton, autoritär,
und duldet nicht, dass ich Dir widerspreche.
Dein Griff belastet meine Schulter schwer,
ich folge furchtsam, weil ich sonst zerbreche.

Doch unvermutet bist Du abgelenkt
und lässt mir damit eine kleine Lücke.
Die Chance bleibt bei mir nicht unverschenkt:
indem ich dich beherzt beiseite drücke,

fällst Du erbärmlich rudernd in den Dreck.
Ich bin so frei, dass ich mir selbst vergebe,
denn unverkennbar dient das nur dem Zweck,

dass ich in meiner Freiheit lang noch lebe;
und eh Du es bemerkst, bin ich schon weg,
lass Dich zurück und Deine Gitterstäbe.

(c) Don Carvalho
- März/April 2006

edit: mit Dank an meine Kritiker

--------------------------------------------------------------------------------------

alte Version:
Befehlend ist Dein Ton, autoritär,
und duldet nicht, dass ich noch widerspreche.
Dein Griff belastet meine Schulter schwer,
ich folg in Furcht, weil ich wohl sonst zerbreche.

Doch irgendwann bist Du dann abgelenkt
und lässt mir damit eine kleine Lücke.
Die Chance bleibt bei mir nicht unverschenkt:
indem ich dich beherzt beiseite drücke,

fällst Du erbärmlich rudernd in den Dreck
(ich bin so frei, dass ich mir selbst vergebe).
Dies hat für mich allein nur diesen Zweck,

dass ich in meiner Freiheit lang noch lebe;
und eh Du es bemerkst, bin ich schon weg,
lass Dich zurück und Deine Gitterstäbe.

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#2

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 12.04.2006 13:47
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Euer Ehren!

Nett, so nett kommen deine Strafgesetzgedichte daher, man kann dir gar nicht böse sein über das eine oder andere Füllwort, Füllzeile gar oder, dass du die (Berliner) Schangse nutzt, unreinere Reime zu bereinigen. Allerdings wundre ich mich über diesen Paragraphen im Zusammenhang mit den Gitterstäben. Benutze ich das falsche Buch oder hast du dich vertan, was ich gar nicht glauben kann?

Mir gefällt die Reihe und mir gefällt grundsätzlich auch dieses Teil daraus. Allerdings meine ich, dass du noch ein wenig feilen müsstest an folgenden Stellen:

Befehlend ist Dein Ton, autoritär,
"Dein"? Ist Gott gemeint?
und duldet nicht, dass ich noch widerspreche.
"ihm" statt "noch", was denkst du?
ich folg in Furcht, weil ich wohl sonst zerbreche.
vielleicht besser: "Ich folge furchtsam (ängstlich), weil ich sonst zerbreche"?
Doch irgendwann bist Du dann abgelenkt
irgendwann dann? besser: schlicht, sehr, so, doch...viele Möglichkeiten
Die Chance bleibt bei mir nicht unverschenkt:
vielleicht besser: "Die Chance hast du mir nicht umsonst geschenkt"?
Dies hat für mich allein nur diesen Zweck,
Dies...diesen, allein nur? Nee, im Leben nicht, tut mir leid.
dass ich in meiner Freiheit lang noch lebe;
Das hat wohl eher den Zweck, Metrik und Reime zu halten!?

Also, da ist einiges schief nach meinem Geschmack. Aber das Gedicht hat so viel Charme und Esprit, besonders die abschließenden 2 Zeilen, dass ich es dennoch gerne glesen habe.

DG
Mattes

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#3

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 12.04.2006 14:39
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi Mattes,

um mit Deinen, tributwürdigen Worten zu sprechen: Ficken, Du hast Recht! Die römische Zahl ist noch von einem anderen Versuch übriggeblieben und ich habs einfach übersehen. Es ist die CXIII, um die es geht, die Gitterstäbe müssten doch aber eigentlich klar sein, auch wenn sie das, was kommen wird, vorgreifen.

Deinen Einwürfen muss ich mich auch fast bedingungslos unterwerfen, nur ab und zu mucke ich noch etwas auf:


"Dein"? Ist Gott gemeint?
Nein, schlicht das lyrDu, was mit der obigen Berichtigung klarer werden dürfte. Sofern man den strafrechtlichen Aspekt weglässt und diese Zeilen unabhängig davon betrachtet, würde ich jedoch auch nicht unbedingt Gott sehen... Hm, wie kommst Du darauf?

"und duldet nicht, dass ich noch widerspreche"
"ihm" statt "noch", was denkst du?
Das "noch" ist unnötig, das hast Du recht. Dem Ton zu widersprechen ist aber auch nicht sinvoll, statdessen könnte man aber, um Deinen berechtigten Füllselvorwurf zu entschärfen "Dir" statt "noch" schreiben.

vielleicht besser: "Ich folge furchtsam (ängstlich), weil ich sonst zerbreche"?
Gefällt mir. Da werde ich noch was ändern.

irgendwann dann? besser: schlicht, sehr, so, doch...viele Möglichkeiten
Stimmt auch, da dürfte ich was besseres finden können/ müssen.

vielleicht besser: "Die Chance hast du mir nicht umsonst geschenkt"?
Das missfällt mir metrisch und ändert den Sinn in eine Richtung, die es in meinen Augen nicht trifft.

"Dies hat für mich allein nur diesen Zweck,"
Dies...diesen, allein nur? Nee, im Leben nicht, tut mir leid.
Gerade wollte ich zur Verteidigung dieser Zeile ansetzen, sie scheint mir aber doch etwas verquer, wie ich gerade verärgert feststelle. Insbesondere das doppelte Dieschen muss weg, ich denke drüber nach. Mist.

"dass ich in meiner Freiheit lang noch lebe;"
Das hat wohl eher den Zweck, Metrik und Reime zu halten!?
Ja, schon, aber eigentlich auch dem Inhalt. Oder? Hm.

Danke für die große Portion Salz, Mattes, Du hast es in die richtigen Wunden gestreut . Einiges ändere ich gleich, über einiges muss ich noch mal nachdenken. Schön, dass Du es trotzdem wohlwollend gerne gelesen hast.


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#4

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 12.04.2006 14:56
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ja, ich gestehe, mir war klar, dass das lyrDu gemeint ist. Warum aber schreibst du es groß? Das macht man doch eigentlich nur, wenn Er gemeint ist.

Ja, ich gebe zu, einem Ton zu widersprechen ist schon ziemlich komich...

Ja, ich räume ein, dass ich die Schonks auch ziemlich versemmelte.

Ja, ich konzediere, dass der In- zwar Gehalt hat, aber doch eher auf der Freiheit, als auf dem langen Leben!?

Ja, ich mag es. Ich hoffe, es wird irgendwann ein StGB (StrafGedichtBuch) von Don Carvalho geben, welches ich dann mit Widmung kaufen kann.

DG
Mattes

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#5

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 12.04.2006 15:09
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Jetzt hör doch auf, mir recht zu geben, wo Dir doch recht geben wollte. Es ist doch nur meine Eitelkeit, die stets noch ein aber hinterherschiebt ...

Aber ( ) zumindest in Briefen schreibt (schrieb) man die Anrede doch auch groß - und da ich ein höflicher Mensch bin, wende ich diese Höflichkeit auch in Gedichten an, in denen das lyrische Du direkt angesprochen wird, selbst wenn es sich nicht um Gott handelt.

Schonks, oh, ja. Nochmal Mist . Wird dieser Tag auch mal eine Ende haben ?


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#6

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 12.04.2006 15:18
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Du bist einfach so verdammt...höflich, Don, da halte ich nicht mit. Um Längen nicht.

Und immer daran denken: Man soll den Tag nicht vor dem Abend, die Maid nicht vor dem Morgen loben.

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#7

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 12.04.2006 17:29
von Maya (gelöscht)
avatar
Vielleicht könnte man das doppelte Dieschen umgehen, wenn man letzteres durch „einen“ (Zweck) ersetzen würde.

Gefällt mir...

LG, yamaha

__________________

edit:

Sehe gerade, dass kurz zuvor noch "allein" steht, was
zu meinem Vorschlag nicht wirklich passt .
Aber vielleicht könnte man das "allein" kicken und durch was anderes ersetzen.

edit II:

Dies hat für mich, verzeih, nur einen Zweck...
Dies hat für mich, mein Schatz, nur einen Zweck...

Naja...gar nicht so leicht...

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#8

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 13.04.2006 09:40
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte

Zitat:

yamaha schrieb am 12.04.2006 17:29 Uhr:
Dies hat für mich, verzeih, nur einen Zweck...
Dies hat für mich, mein Schatz, nur einen Zweck...


"Mein Schatz" ? Das wird aber nur schwer mit der zweiten Sinnebene in Einklang zu bringen sein... schließlich soll es ja unter anderem zum § 113 StGB passen (daher die römische Zahl in Klammern) .

Aber schön, dass es Dir gefällt, Danke yamaha .

An der Stelle, an der Du herumgerätselt hast, murkse ich auch herum.
"Doch unerwartet bist Du abgelenkt"
oder
"Doch unvermutet bist Du abgelenkt"
gefallen mir bislang am Besten.

Noch einen Nachtrag zur "Schonks": laut Duden von langeher kann man Chace sowohl zweisilbig "Schangse" wie auch einsilbig "Schongs" aussprechen. Und ich mache beides, keine Ahnung nach welchen Richtlinien ich da vorgehe. Hm.... auf jeden Fall muss man die Stelle dann wohl nicht unbedingt ändern, oder?


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#9

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 13.04.2006 18:21
von Maya (gelöscht)
avatar
Ups, ich habe es glatt falsch interpretiert. Habe nach Deinem Hinweis (113) gegoogelt und mich vor Lachen weggehauen ...

Nein, "mein Schatz" passt da nun wirklich nicht...

LG, yamaha

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#10

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 15.04.2006 16:32
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Hi Don,

Mir gefällt diese in Gedicht gesetzte Szene auch gut, und es sind nur ein paar Inszenierungsfeinheiten, die ich ändern würde. Dazu gehört die Auflösung der Klammer, die den Gedankenfluss unnötig stört.

Es könnte etwa in diese Richtung gehen:


...
kaum dass ich dich beherzt beiseite drücke,

fällst Du erbärmlich rudernd in den Dreck,
was ich mir freigeworden gern vergebe.
Denn mich zu lösen, hat ja einen Zweck,

dass ich in dieser Freiheit länger lebe.
Und eh Du es bemerkst, bin ich schon weg,
lass Dich zurück und Deine Gitterstäbe.



Das nur als Denkrichtung. Überigens finde ich die Version mit dem "unvermutet" auch am überzeugendsten.

Sincereulli

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#11

Unhaltbar (CXIII)

in Gesellschaft 18.04.2006 11:34
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi Ulli,

mit der Klammer bin ich auch noch nicht ganz glücklich, in der ursprünglichen Version hatte ich auch auf eine verzichtet, jedoch erschien mir diese Zeile syntaktisch zu wenig mit der vorangegangenen verknüpft, weshalb ich sie auch optisch loslösen wollte. Auf den Gedanken, diese Zeile umzuschreiben, bin ich da gar nicht gekommen ! Dein Vorschlag gefällt mir dabei zwar gut, jedoch beziehst Du das Freisein hier anders als von mir gedacht. Eigentlich kein Problem (und durchaus passend), dennoch muss ich noch mal darüber nachgrübeln, ob mir diese leichte inhaltliche Änderung wirklich zusagt. Aber ich werde dann doch versuchen, die Klammer wieder zu entfernen und den Klammerinhalt auf die nachfolgenden Zeilen zu beziehen.

Die "unvermutet"-Version gefällt mir auch am Besten, das werde ich jetzt auch so machen.

Freut mich aber, dass es Dir meine Zeilen im Ganzen dennoch zusagen und hab Dank für Deinen Kommentar.

@Yamaha: Die Möglichkeit, das Gedicht vorangig auf einer "privaten" Ebene zu interpretieren, ist ja aber auch beabsichtigt und insofern noch nicht mal meiner Intention nach fehlgehend. Der strafrechtliche Verweis soll aber eine zusätzliche Sinnebene eröffnen, wozu der Text nun auch passen muss - was mit "mein Schatz" tatsächlich eher lustig wäre. "Falsch interpretiert" trifft es daher aber keineswegs .

Don

edit: Chance jetzt zwei- oder einsilbig? Beides scheint doch möglich, oder? Wenn es nicht allzu unglücklich ist, würde ich gern bei der alten, zweisilbigen Version bleiben .

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