#1

Auszug aus Rigantona

in Zwischenwelten 18.04.2006 18:53
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Dem Wunsch aus diesem thread folgend:



Aus dem 1. Teil (Kapitel 13)


„Komm Rina, wir müssen uns für den schlimmsten Fall rüsten“, sagte Emma und zog sie vom Küchenstuhl hoch.
„Was ist denn der schlimmste Fall?“, fragte Rina erschrocken.
„Na, dass jemand hier rein kommt, um uns zu töten.“

Rina schluckte. Wollten sie sie wirklich töten? Sie, die kleine Schweizer Bankangestellte? Irgendwie erschien ihr das alles etwas unrealistisch, aber wenn sie in die besorgten Gesichter von Calvin, Nico und Emma blickte, kamen ihr Zweifel, ob sie selber den Ernst der Lage unterschätzte.

Sie folgte Emma die Treppe hoch in den ersten Stock. Hier hatten der Hausherr und seine Tochter ihre Räume. Neugierig schaute Rina sich um.
Ein langer Gang führte von der Treppe weg in den linken Flügel Fortingall Manors. Auf dem Boden lag ein dunkelroter Läufer, der an einigen Stellen bereits etwas fadenscheinig wirkte. Beidseitig des Korridors gingen Türen ab, die alle identisch aussahen. Grosse Messingtürfallen schimmerten im schwindenden Tageslicht. Emma trat durch die erste Türe zu ihrer Rechten und sie befanden sich in einem kleinen Salon, der, wie die Zimmer von Rina und Nico, einen Ausblick auf Loch Earn bot. Zielbewusst durchquerte Emma das Zimmer und winkte Rina ihr zu folgen. Im ganzen Raum standen Fotos einer attraktiven Frau, die eine ältere Schwester von Emma hätte sein können. Wahrscheinlich handelte es sich um ihre Mutter, mutmasste Rina.

„Meine Mutter“, bestätigte Emma Rinas Vermutung, als sie sich umdrehte und deren Blicken folgte.
„Sie ist wunderschön“, sagte Rina zu ihr. „Du siehst ihr sehr ähnlich.“
„Danke“, lächelte sie. „Ich weiss..... Hier entlang, Rina. Ich werde dir jetzt etwas geben und du wirst mir versprechen, dass du es gebrauchen wirst, wenn es nötig ist, ok?“
Rina nickte stumm.

Emma schloss einen kleinen Sekretär auf, der in der Ecke neben einem Bücherregal stand. Darin befanden sich, auf bordeauxfarbenem Samt, eine Reihe Pistolen.
„Hey!“, rief Rina. „Emma, ich kann nicht mit Waffen umgehen, tut mir leid.“ Sie streckte abwehrend die Arme aus.
„Blödsinn! Ich werde es dir zeigen. Das wirst du schnell lernen, kein Problem“, erwiderte diese leichthin. Sie nahm zwei kleinere Pistolen und eine Schachtel Munition aus der Lade und verschloss sie dann sorgfältig wieder. Den Schlüssel steckte sie an einen grossen Schlüsselbund, der an ihrer Jeans befestigt war.
„Na klar!“, sagte Rina ironisch. „Das lerne ich im Vorbeigehen. Ist ja auch nicht schwierig. Sag mal spinnst du Emma?! Das lernt man doch nicht in zwei Minuten!“
Emma schaute ihr direkt in die Augen und erwiderte kalt: „Man lernt es sofort, wenn das eigene und das Leben von Menschen auf dem Spiel steht, die man liebt.“
Verlegen schaute Rina zu Boden. Sie führte sich wie ein Feigling auf und schämte sich.
„Entschuldige, Rina. Ich wollte dich nicht so anfahren. Aber wir sind uns das eben gewohnt und hier zählt immer noch das Recht des Stärkeren. Viele haben in den vergangenen Jahren Angehörige verloren, weil unsere Gegner keine Skrupel kennen.“
Ihr Blick fiel auf die Fotos und ein schrecklicher Gedanke formte sich in Rinas Kopf. Emma sah, dass sie beobachtet wurde und sagte schnell: „Komm, gehen wir in den Keller, dort werde ich dir den Umgang mit den Pistolen zeigen.“
„In den Keller? Habt ihr dort eventuell einen Schiessstand?“, fragte Rina grinsend, um die Stimmung etwas zu entspannen.
„Ja, haben wir“, entgegnete Emma und jetzt war Rina wirklich verblüfft.

Die beiden Frauen gingen zurück in die Halle und Emma warf einen besorgten Blick in die Küche.
„Gott sei Dank, es ist noch keiner der Gäste zurück. Wir müssen uns beeilen, ich muss bald Abendessen kochen. Also los!“
Sie öffnete eine kleine Türe unter der Treppe und knipste einen Lichtschalter an. Eine steile Treppe führte nach unten. Ein etwas modriger Geruch schlug ihnen entgegen und Rina fröstelte leicht.
„Hab keine Angst, Rina. Dies hier war früher das Verliess, aber die ehemaligen Gefangenen sind schon seit mehr als 200 Jahren tot.“
„Wie beruhigend, danke“, gab diese trocken zurück.
Zuunterst befand sich ein kleiner Gang, der etwa sechs Meter lang war. An seinem Ende versperrte eine schwere Eichentür das Weiterkommen. Emma griff in eine Nische, die sich rechts an der Wand befand und zog einen grossen, altmodischen Eisenschlüssel hervor.
„Keine elektronische Zahlenkombination?“, fragte Rina leicht spöttisch und Emma streckte ihr die Zunge raus.
Sie öffnete die schwere Türe, die sich seltsamerweise geräuschlos in den Angeln bewegte. Rina hätte doch mindestens ein unheimliches Quietschen erwartet.

„Oh, wow!“, entfuhr es ihr, als Emma die Beleuchtung einschaltete.
Sie befanden sich in einem Raum, der die Ausmasse einer Bowlingbahn hatte. Rina staunte nicht schlecht. Vorne waren Holzboxen aufgestellt, die durch Wände voneinander getrennt waren. An der gegenüberliegenden Wand befanden sich Zielscheiben.
„Hey, das sieht ja wie in einem Spionagefilm aus!“, sagte sie bewundernd.
„Na ja, Daddy ist ein leidenschaftlicher Jäger und Schütze. Er hat mir schon als Kind beigebracht, wie man mit Waffen umgeht. Hier!“, sie reichte ihr einen Gehörschutz. „Den trägst du besser, sonst hörst du später etwas weniger gut. So, nimm die mal in die Hand.“

Emma gab ihr eine der Pistolen und Rina nahm sie mit spitzen Fingern entgegen. Die Waffe fühlte sich kühl an und war überhaupt nicht schwer. Rina hatte sich immer vorgestellt, dass man Pistolen mit beiden Händen hielt, weil sie so massiv waren.
„Das ist eine Beretta 92FS, Kaliber 9 mm, Halbautomatik“, rezitierte Emma. Da Rina sowieso nur Bahnhof verstand, war es wohl das Klügste, einfach zu nicken.
„Sie zeichnet sich durch einen minimalen Rückstoss aus und ist, dank der diversen Aluminiumbauteile, nur knapp 1000 Gramm schwer. Deshalb ist es wohl die geeignetste Pistole für dich. Du hast 15 Schuss in deinem Magazin. Schau...“
Mit einer Bewegung liess sie das Magazin herausschnellen und zeigte Rina die Munition. Dann schob sie es wieder in die Pistole und entsicherte sie.
„Jetzt ist sie scharf. Achte darauf, dass, wenn du sie mit dir trägst, immer sicherst, so....“ Sie zeigte ihr, wie sie das tun musste. „Nicht, dass du dir noch ins Bein schiesst.“ Sie kicherte leicht. „So, jetzt stell dich mal hier hin und ziele auf die Scheibe dort drüben und dann knall den Hund ab!“

Rina schaute sie mit gerunzelter Stirn von der Seite an, es schien ihr irgendwie Spass zu machen. Wohl etwas mehr, als mir, dachte sie, aber sie wollte nicht schon wieder das ängstliche Dummchen spielen. Also stellte sie sich breitbeinig hin, so, wie ich es schon in zig Filmen gesehen hatte und zielte auf die gegenüberliegende Wand. Rina drückte ab und trotz des Hörschutzes gab es einen lauten Knall, der sie zusammenzucken liess.
„Nicht schlecht“, sagte Emma, die mit zusammengekniffenen Augen auf die Scheibe starrte. „Wirklich, gar nicht mal so übel. Also, jetzt versuchst du es einfach mal ne Weile, ok? Nimm beide Hände, so hast du mehr Stabilität beim Zielen.“ Sie zeigte ihr, was sie damit meinte. „Aber übe auch, nur mit einer Hand zu schiessen. Nicht immer bleibt einem die Zeit, um genau zielen zu können, wenn du weisst, was ich meine.“
Rina verstand nur zu gut.
„Also, dann lass ich dich hier mal eine Weile allein, ok? Ich muss jetzt unbedingt das Abendessen vorbereiten.“
„Wird man den Lärm denn oben nicht hören?“, fragte Rina.
„Nein, die Steinmauern sind viel zu dick. Das ist das einzig gute an diesem alten Kasten.“ Sie klopfte liebevoll auf eines der Steinquader. Dann drehte sie sich um und schloss mit einem fröhlichen Winken die schwere Holztüre.
„Na, Indiana? Wie gefällt dir dein neues Leben? Gut? Ok, dann brennen wir dem räudigen Köter mal eins auf den Pelz!“, murmelte sie vor sich hin und feuerte einen weiteren Schuss ab.


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Aus dem 2. Teil (Kapitel 25)


Nur vereinzelte weisse Wolken durchbrachen das tiefe Blau des Himmels über dem Loch Ness. Heerscharen von Touristen bevölkerten an diesem strahlend, schönen Sommertag die Ufer des Sees. Auf dem Parkplatz von Urquhart Castle reihte sich Bus an Bus, Auto an Auto.
Eddie unterdrückte den Wunsch, sich das alte Gemäuer anzusehen, musste aber in der nächsten Zeit doch irgendwo anhalten, um dem Ruf der Natur zu folgen. Er betätigte den Blinker und fuhr auf einen kleinen Parkplatz. Da sich, ausser einem alten Holztisch und ein paar baufälligen Stühlen, keine weiteren „Bauwerke“ auf dem Aussichtspunkt befanden, trat er schnell in die Büsche und erleichterte sich.
Sein Magen knurrte schon seit geraumer Zeit und er packte die Sandwichs aus, die er sich vor Antritt seiner Fahrt in Lochearnhead noch gekauft hatte. Zum Essen setzte er sich auf den Tisch, der ihm noch stabiler schien, als die wurmstichigen Stühle. Eine kräftige Biese kühlte angenehm und kräuselte die Wellen.

Eddie erinnerte sich daran, dass er während der Schulzeit einmal hier gewesen war und an die Erwartung, die er damals hegte, vielleicht einer derjenigen zu sein, der Nessie zu Gesicht bekam. Aber natürlich war nichts Derartiges geschehen. Doch, wie jeder Schotte, war er felsenfest davon überzeugt, dass es in den Tiefen des Lochs hauste. Er schraubte den Deckel wieder auf die Wasserflasche und kickte die Papierserviette in den überquellenden Abfallkübel. Dann warf er noch einen letzten Blick auf den See und stieg wieder ein. In etwa einer halben Stunde müsste er in Inverness sein. Er war aufgeregt, fast so wie damals in der dritten Klasse.

Inverness war ein bezaubernder Ort. An der Mündung des Moray Firth gelegen, verströmte die Hauptstadt der Highlands schon fast ein mediterranes Flair. Dazu trugen auch die vielen Hängebrücken bei, die sich über den Fluss Ness wölbten. Eddies Blick fiel auf die Burg, die etwas erhöht über der Stadt thronte. Auf ihr regierte im 11. Jahrhundert der berühmte Macbeth, aber wohl nicht so grausam, wie Shakespeare ihn geschildert hatte. Er stellte seinen Wagen auf einen der öffentlichen Parkplätze ab und studierte den Stadtplan. Dann straffte er die Schultern und marschierte los.
Auch hier wimmelte es nur so von Touristen und Eddie wich geschickt einer Gruppe Japaner aus, die laut schnatternd seinen Weg kreuzten. Auf dem Marktplatz bog er links ab und folgte der Strasse, die leicht abwärts führte, bis zum Flussufer. Harbour Road, las er auf dem Strassenschild. Nach weiteren 100 Metern sah er das Gebäude.
Es handelte sich um ein flaches Bauwerk, das ganz im Stil der umliegenden Steinhäuser gehalten war, jedoch kaum älter als zwei Jahre sein konnte. Auf einer Seite war die Front komplett verglast. Vor dem Eingang standen Kübelpflanzen, die in einem satten Grün leuchteten. Ein roter Teppich lockte die Kunden in den Verkaufsraum. Eddie pfiff durch die Zähne. Der Bau musste eine schöne Stange Geld gekostet haben. Über der Eingangstür prangte in blauer Neonschrift der Name: Campbells Garage.
Als Eddie durch die automatische Schiebetür trat, ertönte ein leichtes Bimmeln. Im Innern war es angenehm kühl. Er ging zu einem kleinen Tisch, der neben einem Kaffeeautomaten stand, und blätterte ein paar Prospekte durch. Jaguar, Jeep, Aston Martin, lauter teure Autos.
„Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?“ Eine attraktive Blondine in einem fliederfarbenen Kostüm lächelte ihn freundlich an.
„Guten Tag, mein Name ist Edward MacCoy, ich würde gerne mit Les Campbell sprechen.“
„Haben Sie einen Termin, wenn ich fragen darf?“
„Sie dürfen, selbstverständlich. Sagen Sie ihm, die Polizei möchte ihn sprechen.“
Die hübsche Blondine hob erstaunt die Augenbrauen, erwiderte aber nichts und ging in den hinteren Teil des Austellungsraums. Dort befand sich, hinter einer Glasscheibe, ein grosses Büro. Eddie schlenderte zwischen den teuren Wagen umher. Er konnte es sich nicht verkneifen, über den Lack eines dunkelgrünen Jaguars zu fahren. Als er jedoch das Preisschild las, zuckte seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt.
„Guten Tag, ich bin Les Campbell. Sie möchten mich sprechen?“
Eddie musterte den Mann aufmerksam. Les Campbell musste so um die 35 sein. Er trug einen teuren Anzug und roch penetrant nach After Shave. Er war ihm auf der Stelle unsympathisch.
„Sergeant Edward MacCoy, vom Edinburgher Police Departement.“ Er zeigte ihm seinen Ausweis. „Es geht um Michael Lamont.“
Les Campbell zuckte mit keiner Wimper, als der Name fiel und Eddie seufzte innerlich. Das würde nicht leicht werden.
„Lamont, Lamont .... hm, sagt mir nichts. Sollte ich diesen Herrn denn kennen?“
„Das nehme ich doch an“, erwiderte Eddie. „Sie haben ihn, sagen wir mal, vor gut zwei Jahren kennen gelernt. Noch bevor Sie in diesem schönen Gebäude ihre teuren Autos verkauft haben.“
Les Campbell runzelte die Stirn. Wenn er den Seitenhieb bemerkt hatte, und Eddie nahm doch stark an, dass er das getan hatte, dann liess er sich jedenfalls nichts anmerken.
„Am Besten wird sein, wir gehen in mein Büro, dann kann ich in meinen Unterlagen nach sehen.“
„Das ist eine ausgezeichnete Idee, Mr. Campbell. Lassen Sie uns in Ihr Büro gehen.“

„Les, ich habe Mrs. Huffman am Telefon. Sie fragt nach ihrem Cabriolet.“ Die Blondine hielt die Hand über den Telefonhörer.
„Sag ihr, ich rufe sie später zurück. Ich möchte jetzt nicht gestört werden, ok?“
Die Blondine nickte und sprach mit der Anruferin. Dann legte sie auf und warf Eddie einen giftigen Blick zu. Eddie lächelte sie freundlich an, doch sie drehte ihm demonstrativ den Rücken zu. Nettes Personal, dachte er und zuckte die Achseln.

„Also Sergeant, wer ist Michael Lamont und was sollte ich mit ihm zu tun haben?“ Les Campbell setzte sich in den grossen, schwarzen Ledersessel, der hinter seinem Mahagonischreibtisch stand, und faltete die Hände über seinem Bauch. Eddie nahm, obwohl Campbell ihn nicht dazu aufgefordert hatte, auf einem der Besucherstühle Platz und öffnete seine Aktentasche.
„Vor etwas mehr als zwei Jahren mietete Michael Lamont bei ihnen einen Jeep Cherokee. Es war, um genau zu sein .... der 13. April. Gemäss dem Protokoll, das damals von der örtlichen Polizei erstellt wurde, hat Lamont Ihnen den Wagen am nächsten Tag wieder zurückgebracht. Unversehrt.“ Eddie blickte Campbell an und der zuckte mit den Achseln.
„Und? Kann sein, ich erinnere mich nicht daran. Ich habe viele Kunden, da kann ich nicht jeden im Gedächtnis behalten.“ Er wippte leicht mit seinem Managerstuhl und machte ein ablehnendes Gesicht.
„Ja, verständlich. Es handelte sich aber um keinen gewöhnlichen Kunden, Mr. Campbell. Vielleicht darf ich Ihr Gedächtnis etwas auffrischen? Michael Lamont wurde damals beschuldigt, an einem Unfall mit tödlichem Ausgang beteiligt gewesen zu sein. Es wurde ihm vorgeworfen, einen Wagen, der sich auf der Fahrt von Inverness nach Aviemore befand, von der Strasse abgedrängt zu haben. Das Auto, mit seinen zwei Insassen, stürzte bei Kilometer 34 in den Findhorn River und die beiden Menschen ertranken in den kalten Fluten. Nachdem ein Hinweis auf eine mögliche Beteiligung von Michael Lamont einging, nahm die Polizei damals die Ermittlungen auf. Am Tatort wurden Reifenspuren und Lackteile gefunden, die eindeutig zu einem schwarzen Jeep Cherokee gehören mussten. Da Michael Lamont just so einen Wagen bei Ihnen gemietet hatte, war der Verdacht natürlich naheliegend, dass er der Fahrer gewesen war. Sie sagten aber damals aus, und zwar unter Eid, dass der Jeep unversehrt bei Ihnen wieder abgegeben wurde.“ Eddie blickte Campbell direkt in die Augen. „Dämmert’s?“
„Ah, ja. Jetzt erinnere ich mich daran. Schlimme Sache, aber ich verstehe nicht, wieso Sie mich nach so langer Zeit wieder danach fragen. Was ich damals gesagt habe, stimmt auch heute noch: Der Jeep hatte keinen Kratzer.“
„Sind Sie sicher?“
„Absolut, ja.“
„Möchten Sie nicht noch einmal Ihre Akten durchsehen? Es kann ja sein, dass in der Zwischenzeit... ehm, sagen wir, neue Erkenntnisse zu Tage kamen.“
„Das ist nicht nötig, Sergeant. Was ich damals ausgesagt habe, stimmt auch heute noch.“ Er erhob sich. „Ist das dann alles? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, Sergeant. Sie werden verstehen, wenn meine Zeit kostbar ist....“
Eddie rührte sich nicht vom Fleck.

„Wie läuft eigentlich das Geschäft mit den Luxuswagen, Mr. Campbell?“
Campbell schaute ihn verdutzt an, dann setzte er sich wieder. „Na ja, es könnte besser gehen. Die Touristen mieten lieber kleine, wendigere Autos, die keine so hohe Versicherung brauchen und die Einheimischen haben sowieso wenig Geld. Aber was hat das mit Ihren Fragen zu tun?“
„Ach, nur so, es interessiert mich einfach. Einen sehr schönen Betrieb haben Sie hier, Mr. Campbell. Es hat sicher ein Heidengeld gekostet, Ihre kleine Garage umzubauen, nicht?“
Campbell lachte. „Aye, ein paar Pfund musste ich schon investieren.“ Er öffnete den obersten Knopf seines Hemds.
„Hm ... denke ich auch. Wie konnten Sie sich das eigentlich leisten?“ Eddie blickte durch die Glaswand in den Verkaufsraum, wo die Blondine gerade damit beschäftigt war, die Grünpflanzen zu giessen.
„Ehm... Eigenkapital und natürlich durch einen Bankkredit. Was soll denn diese ganze Fragerei eigentlich?“
Eddie griff in seine Aktentasche und zog einen Schnellhefter hervor. „Gemäss Ihrer Bank liefen Sie, bevor Michael Lamont den Wagen bei Ihnen gemietet hatte, schwer auf einen Konkurs zu, Mr. Campbell. Sie waren mit den Raten für Ihr Unternehmen, das damals nicht mal ein Viertel der jetzigen Grösse hatte, ständig in Verzug. Sie wurden schon mehrmals betrieben und das Wasser stand Ihnen bis zum Hals. Zwei Monate nach dem angeblichen Unfall, bezahlten Sie Ihre Schulden plötzlich bis auf den letzten Penny. Und nicht nur das, Mr. Campbell, Sie fingen sogar an zu bauen und leisteten sich dieses schöne Gebäude. Mit Eigenkapital, wie Sie selbst sagten. Woher kam denn dieses Eigenkapital?“
Campbell biss sich auf die Unterlippe. Er schien langsam etwas nervös zu werden, was Eddie ungemein freute.
„Meine Frau hatte geerbt. Eine entfernte Verwandte. Sie gab mir das Geld.“
„So, so ... ihre Frau hatte geerbt. Dann wird es wohl ein Leichtes für Sie sein, mir eine Kopie des Testaments zu zeigen und die Bankauszüge der Überweisungen, nicht?“
Campbell sprang auf und Eddie zuckte ein wenig zusammen. Automatisch drückte er seinen Arm zum Körper und spürte das beruhigende Gewicht der Pistole. Man wusste ja nie.
„Hören Sie, verdammt noch mal! Das sind alte Geschichten. Die beiden Menschen wird niemand wieder lebendig machen können. Auch Sie mit Ihrer Fragerei nicht. Ich lasse mir hier nichts anhängen! Sie wissen ja gar nicht, worum es geht, Scheisse! Ich rufe jetzt meinen Anwalt an.“ Er machte aber keine Anstalten zum Telefon zu greifen.
Eddie blieb ruhig sitzen und beobachtete den Mann. Das schlechte Gewissen troff Campbell aus allen Poren und Eddie glaubte, dass er Angst hatte. Wahrscheinlich nicht mal davor, für eine falsche Aussage zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nein, Campbell hatte vor etwas ganz anderem Angst.

Les Campbell lief aufgeregt auf und ab. Er knetete sich die Hände und schien fieberhaft zu überlegen.
Eddie dachte, dass es jetzt an der Zeit war, seinen letzten Trumpf auszuspielen. Wenn der nicht zog, dann hatte er verloren und eine weite Reise umsonst gemacht. Er wusste, dass er nur eine Chance hatte. Sobald Campbell realisieren würde, dass ihm keine Gefahr mehr drohte, würde er sich wahrscheinlich wie eine Auster verschliessen und dann für immer schweigen.
„Mr. Campbell“, begann er ruhig. „Ich kann verstehen, dass es nicht leicht ist, einem grosszügigen Angebot zu widerstehen. Sie hatten Schulden. Ihre Frau war im achten Monat schwanger. Die Bank sass Ihnen im Nacken und es hätte nicht mehr lange gedauert, bis Sie alles verloren hätten. Da war es ja fast eine Fügung des Schicksals, als an jenem Tag Michael Lamont mit dem beschädigten Jeep zu Ihnen kam, und Ihnen für Ihr Schweigen viel Geld bot. Sie dachten sich nichts dabei, nicht? Schliesslich wussten Sie zu dem Zeitpunkt ja nicht, dass der Wagen in einen Mord verwickelt war. Sie nahmen das Geld, reparierten den Wagen und als später die Polizei zu Ihnen kam, sahen Sie keine Möglichkeit mehr, aus dieser Sache herauszukommen. Deshalb schwiegen Sie. Ist es nicht so?“ Und als Campbell nicht antwortete, fragte er nochmals: „Ist es nicht so, Mr. Campbell?!“
Les Campbell liess sich schwer in seinen teuren Sessel fallen. Plötzlich schien ihm sein massgeschneiderter Anzug zu gross zu sein.
„Ich wusste nichts von dem Mann und der Frau“, sagte er leise und Eddie fiel ein Stein vom Herzen.
„Lamont sagte, dass er einen Hirsch angefahren und ihn dann einfach liegen gelassen hätte. Das ist verboten. Man muss solche Unfälle beim Wildhüter melden. Beim Reparieren dachte ich mir aber schon, dass da was nicht stimmte. Ich fand kein Blut oder irgendwelche Haare an der Stossstange. Aber natürlich habe ich nicht nachgefragt. Ein paar Tage später kam dann schon der Check und ich habe ihn eingelöst. Als die Polizei plötzlich vor meiner Türe stand, fiel ich aus allen Wolken. Ich habe Lamont dann angerufen und es ihm erzählt. Er hat nur gelacht, verstehen Sie? Er hat einfach nur gelacht und mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, mir würde nichts passieren, wenn ich nur meinen Mund halten würde. Und dann hat er noch gefragt, wie es Tracy ginge, und ob das Baby schon da sei. Und wissen Sie, was mir da durch den Kopf ging?“ Eddie schüttelte den Kopf.
„Ich dachte, jetzt hast du dich mit dem Teufel eingelassen. Wie in diesen Geschichten, wissen Sie? Wo der eine einen Pakt mit dem Teufel schliesst und ihm dafür seine Seele verkauft. Und genau so war es. Er gab mir in der folgenden Zeit noch andere Dinge zu tun. Die Bezahlung war immer grosszügig, aber er gab mir auch immer wieder zu verstehen, dass mir, oder meiner Familie, etwas Schlimmes passieren würde, wenn ich nicht spurte.“ Er stütze seinen Kopf in die Hände und fing an zu weinen. „Verdammtes Schwein! Ich wünschte, ich wäre ihm nie begegnet.“
Eddie seufzte. Er hatte kein Verständnis für Campbell, er hatte sich mitschuldig gemacht, aber er fühlte Mitleid mit ihm. Was musste das für ein Leben für ihn gewesen sein? Er räusperte sich.
„Mr. Campbell, Sie sind sich im Klaren, dass Sie diese Aussage zu Protokoll geben müssen?“
Campbell nickte stumm. Er hatte resigniert. Fast tat es Eddie leid, dass er ihm nicht sagen konnte, dass Lamont wahrscheinlich tot war, und von dieser Seite nichts mehr zu befürchten war. Aber er wollte das Risiko nicht eingehen, dass Campbell dann seine Aussage widerrief. Er würde es früh genug erfahren, dass der Teufel, mit dem er sich vor zwei Jahren eingelassen hatte, wahrscheinlich schon in der Hölle schmorte.
Eddie stand auf und verstaute seine Akten wieder in seiner Tasche. „Auf Wiedersehen, Mr. Campbell. Sie hören von uns.“ Dann ging er an der fliederfarbenen Blondine vorbei nach draussen und atmetet tief ein. Er hatte sein Motiv!


(c) Margot S. Baumann


Eben, die Überarbeitung!

Nachtrag: Meine Güte, ich sehe 1000 Dinge, die ich noch ändern muss!



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#2

Auszug aus Rigantona

in Zwischenwelten 18.04.2006 20:49
von Nonverbal • Mitglied | 407 Beiträge | 407 Punkte
Also stellte sie sich breitbeinig hin, so, wie ich es schon in zig Filmen gesehen hatte und zielte auf die gegenüberliegende Wand.

Hallo Marge,

Oh ich bin jetzt wohl die erste die hier was schreibt, hat sich bestimmt keiner getraut

Beide Texte sind gut, nur der zweite Text kam mir etwas langatmig vor, vielleicht lag das aber nur daran das es schon irgendwie anstrengend ist einen langen text in einem forum zu lesen und dann verzettelt man sich auch noch so oft in den zeilen

beim ersten text hätte ich am liebsten weiter gelesen und gewusst was es mit der Waffe auf sich hat. Wieso weshalb warum...

Beim zweiten text finde ich die geschichte echt spannend... wie man auf sowas kommt das it echt super...

haben beide texte etwas miteinander zutun?

wie auch immer , ich finde um sich hier richtig eine meinung machen zu können müsste man mehr text gelesen haben, aber du wolltest ja auch nur einen kleinen einblick zeigen

Ich kann dir aber mit gutem gewissen sagen das du meine erwartungen mehr als erfüllt hast

schönen abend noch...

Liebe Grüße franzi

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#3

Auszug aus Rigantona

in Zwischenwelten 18.04.2006 21:08
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hallo Margot

Ich muss sagen, dass diese Gechichte vermutlich nichts für mich wäre.
Das liegt aber wohl daran, dass ich keine Krimis lese.
Genau wie Franzi, wollte ich aber doch wissen, wie es nach den Schießstunden weitergeht. Der erste Teil ist hier etwas schauriger erzählt. Das liegt natürlich an der Atmosphäre des Schlosses. Den Dialog hätte ich vermutlich etwas gekürzt, denn der wird doch etwas langwierig.
Im zweiten Teil, sind etwas zu viele Filmsätze und Klischees verarbeitet worden. Die Sache mit dem Auto wirkt auch ein wenig an den Haaren herángezogen, denn wie viel Kohle hat der Mann denn bekommen, dass er sich einen Autohandel mit Luxuskarossen leisten konnte.
Bitte sei nicht traurig, wenn ich nicht lobhudele, aber ich sag dir ja nur, was mich stört.
Man sollte den ganzen Roman lesen, um sich ein genaues Bild machen zu können.
Aber im Netz laufen längere Geschichten nicht so gut (meine laufen nicht mal wenn sie kurz sind )

LG Gem

Ps.: Natürlich, sollte ich selbst erst einmal so ein Projekt starten, um es entsprechend würdigen zu können.

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#4

Auszug aus Rigantona

in Zwischenwelten 18.04.2006 21:14
von Nonverbal • Mitglied | 407 Beiträge | 407 Punkte
ja das stimmt ein paar klischees sind dabei und einige fehler... aber ich kann mir vorstellen bei soviel text verliert man leicht den überblick

ich muss auch dazu sagen ich lese normalerweise auch keine krimis so wie gem ....

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#5

Auszug aus Rigantona

in Zwischenwelten 19.04.2006 08:03
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi ihr Zwei

Besten Dank fürs feedback. Wie gesagt ist es recht schwierig, dazu etwas zu sagen, da die Auszüge natürlich - für sich alleine - nicht viel aussagen. Aber man sieht doch in etwa, wie mein Schreibstil ist. Ein Krimi ist es nicht unbedingt. Wenn ich das Genre bestimmen müsste, würde ich mal sagen: Abenteuer/Liebe/Fantasy.

Grüsse
Margot

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#6

Auszug aus Rigantona

in Zwischenwelten 19.04.2006 12:25
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Eigentlich habe ich dir mit meinem vorigen posting unrecht getan. Denn ich wollte natürlich etwas Anderes lesen. Etwas, dass ein wenig in die Tiefe geht. Aber du hast ja gesagt, dass es nur ein Unterhaltungsroman sein soll. So gesehen ist es dann doch wieder in Ordnung.
Müßen sich die Miezen eigentlich wegen dem Ungeheuer von Loch Ness bewaffnen?

LG Gem

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#7

Auszug aus Rigantona

in Zwischenwelten 19.04.2006 21:02
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Das ist schon ok, Gem. Ich hatte wirklich nicht vor, 'Schuld und Sühne' Konkurrenz zu machen. Und vielleicht war die Erwartungshaltung, eurerseits, grösser. Das kann ich sogar verstehen, jedoch ging's mir eher um die Erfahrung, es wirklich bis zum Schluss zu schaffen, als darum, ein Meisterwerk zu fabrizieren. Der Blick auf meine eigenen Sachen ist schon realistisch, keine Angst. *g
Vielleicht wird's ja beim nächsten Mal besser, wer weiss .....



Zitat:

Gemini schrieb am 19.04.2006 12:25 Uhr:
Müßen sich die Miezen eigentlich wegen dem Ungeheuer von Loch Ness bewaffnen?



Tja, um das zu erfahren, müsstest du schon das Buch kaufen!

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