#1

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 22.05.2006 01:18
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Der Sonne entgegen


Siehe, die Sonne lacht,
Sie lacht und lacht
über uns-.
Blendend, wie Sie sich schmückt.
Doch siehe,
Sie beherrscht Sich nicht!
Durchschaue Sie,
schaue Ihr Angesicht
und Sie selbst schliesst deine tumben Augen,
offenbart dir die rote Hölle!

Der Himmel, den Sie breitet,
er verbirgt die unerträgliche Nacht,
gleich dem Glauben,
der das Nichts verbirgt!

Glaube nicht, der du in Ihrem Schatten stehst!

Nur Lügen, nur Täuschung -
verflucht seien die tumben Sonnenanbeter!
Sollen sie doch in Verzweiflung sterben,
begreifen sollen sie,
im letzten Augenblick erst,
dass sie blind waren.

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#2

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 25.05.2006 01:03
von Roderich (gelöscht)
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Hallo Willi,

im ersten Moment (vom Titel dazu verführt) habe ich an Ikarus gedacht, das dann wieder verworfen, nachdem ich dein Gedicht gelesen habe, dann den Gedanken wieder aufgenommen, nachdem ich es ein zweites Mal gelesen habe und mich letztendlich meiner bodenlosen Verwirrung hingegeben.

Ich denke, dass du hier mit den Sonnenanbetern die Masse an Schafen beschreibst, die auch Mattes in seinem "Wolfshund" lyrisch verewigt hat. Ausreden und Selbstbetrug als Hausmittelchen fürs ruhige Gewissen. Die Sonne, die lacht, als Selbstblendung. Insofern passt mir auch der Ikarus wieder rein, da er sich bekanntlich die Flügel verbrannt hat, als er der Sonne entgegen ist, sowie die Masse an Mitläufern sich die Finger verbrennt, wenn ihr Lügengebilde zusammenbricht. (Und außerdem brauche ich eine Rechtfertigung dafür, dass dein Gedicht unter Mythologisches steht ...).

Wie auch immer, das sind jedenfalls meine ersten Assoziationen zu deinem Gedicht, die uhrzeitbedingt vielleicht nicht unbedingt die Hellsten sind, aber das Beste, was ich jetzt noch anbieten kann.

Ich danke dir jedenfalls dafür, mich auch zu dieser Stunde noch zum nachdenken angeregt zu haben. Habe ich gern gelesen, dein Werk.

Grüße

Thomas

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#3

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 28.05.2006 17:46
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Hallöchen Thomas,

deine Interpretation trifft zu, es handelt sich um die Gläubigen, die Schafe.

Das Gedicht fußt auf der Tatsache, dass man nicht direkt in die Sonne schauen kann ohne die Augen schließen zu müssen. Und wenn man sie schließt sieht man rot (das Blut in den Augenlidern - das sollte die Hölle sein.)
Das wollte ich auf die Gläubigen übertragen. Sie glauben über Umwege, über Messen, Prediger, Bücher, Gebete - doch der direkte, ehrliche, wahre Glaube ist unerträglich, da er einen zu sehr blendet.
Gott selbst sagt ja in der Bibel, kein sterblicher könne seinen Anblick ertragen.

Was ich noch ergänzen möchte, ist, dass die Sonne erst den blauen Himmel macht. So wird das unendliche Schwarz des Universums verdeckt. Das wollte ich auf den Glauben übertragen. Mit seinem strahlenden Blau mag er die unendliche Schwärze überdecken, doch sie ist trotzdem da. Der Glaube ist, überträgt man dieses Bild, eine Täuschung.

(Ich bin Atheist )

Ich danke dir für deine Gedanken und hoffe ich konnte dir etwas weiterhelfen.

PS: Findest du eigentlich auch, dass gerade ein Anti - Reim & Form - Trend den Tümpel durchzieht?

Grüßle,

Willi

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#4

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 28.05.2006 22:49
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Willi,

aber Du beschreibst ja selbst, auch wenn der bereitete Himmel nicht echt sein mag und nur das nichts verbirgt, so ist dies doch ein guter Zweck, auch wenn es mur von dem Nichts und vielleicht einem großen Ausmaß der Sinnlosigkeit ablenkt.
Ich muss sagen, ich finde das mit der roten Hölle beim dirket hineinschauen nicht so ganz schlüssig. Warum sollte man eh direkt hineinschuen, wenn man dann auch noch nur die Hölle sieht?
Die Idee mit der Täuschung und dem blauen Himmel finde ich sehr gut und der Vergleich passt bei deiner Intention, bis auf ,wie gesagt, die rote Hölle, sehr gut.
Das mit dem Glauben der das nichts verbirgt, ist mir auch eine Spur zu deutlich. Hier nimmst Du dem Leser die Möglichkeit, sich aus der Analogie seine eigene Meinung zu bilden, seine eigenen Gedanken zu dem Thema basierend auf Dienem Gleichnis zu machen. Würde ich weniger direkt formulieren.
Bei den tumben Sonnenanbetern musste ich schmunzeln, weil ich gleich an einen Ferienstrand denken musste mit einem Haufen krebsroten Touristen in Liegestühlen.

Also, Idee gut, umsetzung teilweise etwas zu wenig subtil für meinen Geschmack.

Lieben Gruß,
GW

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#5

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 28.05.2006 23:13
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Du hast Recht das muss ich mir nochmal überlegen... andererseits fürchtet man dann wieder, nicht verstanden zu werden. Deshalb wollte ich es diesmal direkt machen. Verdammt, eine Crux!

Ich überdenke das nochmal.

Vielen Dank für deine Gedanken.

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#6

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 06.07.2006 22:21
von kein Name angegeben • ( Gast )
-----

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#7

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 06.07.2006 23:54
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Na das ist eine Überraschung ,

Willkommen Kerlchen

Danke für den Hinweis auf diesen offensichtlichen fehler. Stilistisch sicher fraglich, habe ich mich in den Sie's und Sich's verrannt!

Umso glücklicher bin ich über dein positives Feedback

Vielen Dank und liebe Grüße,

Willi




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#8

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 07.07.2006 08:23
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Erinnert mich an "Also sprach Zarathustra"
Hüte dich vor den Gläubigern! Denn sie wollen dir nichts Gutes!
Durch den belehrenden Inhalt, wirkt dieses "von oben herab" Stil gut.
Obwohl mich der Inhalt nun nicht wirklich berührt, aber es ist schon interessant, dass der Willi nun auch ein freier Schreiber wird.

FREEEEEDDDOOOOOOOOOOOOMMMMMM (Zack de la Rocha)

LG Gem

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#9

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 07.07.2006 14:21
von AiAiAwa (gelöscht)
avatar

Zitat:

Gemini schrieb am 07.07.2006 08:23 Uhr:
FREEEEEDDDOOOOOOOOOOOOMMMMMM (Zack de la Rocha)



Yeeeeeeaaaaah, right!!!!!!!!

Bin froh, immer mehr Menschen zu entdecken, die Aheisten sind. Scheinbar gibt es doch noch einige intelligente Menschen auf diesem Planeten (was nicht heißen soll, dass es auch intelligente Menschen gibt, die an ein höheres Wesen glauben). Allerdings spricht die Menge an Ungläubigen in diesen Dichterforen schon für sich.

Genug geschwafelt, nun zu Deinem Text, Willi:
Er konnte mich nicht so ganz überzeugen. Das liegt zum einen am recht offensichtlichen Thema.

gleich dem Glauben,
der das Nichts verbirgt!

Glaube nicht, der du in Ihrem Schatten stehst!

Nur Lügen, nur Täuschung -
verflucht seien die tumben Sonnenanbeter!
Sollen sie doch in Verzweiflung sterben,
begreifen sollen sie,
im letzten Augenblick erst,
dass sie blind waren.


Besonders ab dem Teil, wo du den Glauben ins Spiel bringst und die Analogie eigenständig entschlüsselst, ist auch dem letzten klar, was gemeint ist. In der Tat klingt hier etwas der gute Zarathustra an ("Glaube nicht, der du in Ihrem Schatten stehst!") - und wäre mir der Typ nicht nach hundert Seiten auf den Geist gegangen, könnte ich jetzt vielleicht auch noch ein passendes Zitat bringen.
Ebenfalls Zarathustra-mäßig jene Wiederholung ("tumben Sonnenanbeter"); das Ende ist etwas fragwürdig, denn ich glaube nicht, dass jene Menschen jemals bewusst so etwas begreifen werden, erst recht nicht kurz vor dem Tod, wenn das Gehirn noch letzte undeutliche Informationen über die Synapsen jagt. Ebenso ist die Verzweiflung zu bewerten - ich glaube nicht, dass dies der Fall sein wird; es ist mehr eine pessimistische Einschätzung des lyr. Ichs, eine Drohung im Angesicht der Wahrheit.
Apropos Wahrheit: Anfangs zog ich noch das beliebte Höhlengleichnis in Erwägung, doch diese Variante musste ich relativ schnell ausschließen. Eine andere Möglichkeit wäre die Anbetung des Lichtbringers Luzifer oder heidnischer Sonnenkulte, die Anbetung von Ra, etc. - also eine Lösung ohne Metaphorik und eine ander erklrung für die Verklärung der Gläubigen. Aber das musste ich verwerfen, s. auch Deine eigene Aussagen dazu. Hier hättest du m.E. duirchaus etwas vager formulieren können, ohne den Leser gleich in eine komplett andere Richtung zu lenken. Im Grunde sind die Deutungen um Lügen und Scheinwahrheiten, Priester und ihre Heuchelei vor den Menschen sehr ähnlich.
Sehr gut ist übrigens die Sache mit der Nacht geworden. Die Menschen erkennen nur die Sonne und empfinden sie als hellsten, wichtigsten Punkt am Himmel, doch sehen sie nicht, wie er ihre Sicht trübt. Daher wissen sie nciht um die gesamten, gigantischen Ausmaße des Universums - eine elegante Offenbarung der menschlichen Engstirnigkeit, die Dir da gelungen ist. Auch das Blicken in die Sonne, das daraus resultierende Fehlinterpretieren, weil man den Anblick nicht ertragen kann, ist bezeichnend.

Was noch zu erähnen wäre:
In den ersten beiden Zeilen würde ich die zweite Wiederholung des "lacht" weglassen - es soll spöttisch wirken doch insgesamt wirkt es eher unfeinfühlig. Besser wäre in meinen Augen:
"Siehe, die Sonne lacht,
sie tanzt und lacht"
o.Ä.

Letztlich bleibt aber Dir überlassen, was Du damit anfängst.
Dann folgen einige unverständliche Passagen: Die Sonne beherrscht sich nicht - Wieso ist die Sonne schuld? Übersetzt hieße das doch, dass Gott sich präsentiert und die Menschen deshalb an ihn glauben, weil er ihnen so prächtig erschiene, oder nicht? Die Verfälschung und die Mystfizierung geht doch letzten Endes nur vom Menschen selbst aus. Irgendwie erscheint mir dieser Teil unplausibel. Ebenso gefällt mir die "rote Hölle" nicht recht. Das Bild von Rot beim Schließen der Augen ist gut gedacht und nachvollziehbar; nur inhaltlich ist diese Stelle halt etwas unschlüssig und merkwürdig dramatisiert. Vielleicht kannst Du das später noch auflösen, im Moment steig' ich da nicht durch.
Insgesamt bietest Du also eine passende Allegorie mit einigen hintersinnigen Feinheiten. Doch einige Fehler im Detail und Ungereimtheiten (von meiner Warte aus) stören das Gesamtbild - die Offenkundigkeit am Schluss trübt das Grübeln des Lesers über das Gedicht, was sehr schade ist. Vielleicht wäre etwas weniger Nietzsche und etwas mehr verklärende Prophezeiung sinnvoller gewesen.
So hätte man noch mehr herauskitzeln können. Nichtsdestotrotz habe ich mich gerne mit dem Text auseinandergesetzt. Beim nächsten Mal nur bitte die Interpretation bitte erst später posten, sonst wird's öde. =)

Grüße
Philipp

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#10

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 07.07.2006 15:39
von pringles (gelöscht)
avatar

Zitat:

PS: Findest du eigentlich auch, dass gerade ein Anti - Reim & Form - Trend den Tümpel durchzieht?



ich halte mich an reime und formen,zumindest versuch ich es so gut ich kann

ich finde es kommt in deinem werk gut durch das der glaube den weg des glaubens aber auch gleichzeitig den weg des wissens geht

Durchschaue Sie,
schaue Ihr Angesicht
und Sie selbst schliesst deine tumben Augen,
offenbart dir die rote Hölle!


hier weißt es prima darauf hin

man glaubt an gott,sinnbildlich gesehen als die sonne und wird aber,sobald man dem glauben an gott zu nahe steht,sofort gewiss das die hölle nicht weit von ihm entfernt ist,in diesem kontext zeigt es für mich das gott nicht in den himmel sondern in die hölle führt,somit wären gott und teufel ein und die selbe person,nur halt ein wenig multipel veranlagt ^^
glg pringles

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#11

Der Sonne entgegen

in Mythologisches und Religiöses 09.07.2006 17:59
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Vielen Dank für diese tollen, ausführlichen Kommentare, die viel besser sind als das Gedicht selbst. Der Abstand, den ich nun zum Gedicht habe, in Verbindung mit euren Kommentaren, sagt mir eigentlich nur eines: Die Idee war vielleicht nicht schlecht, aber die Umsetzung ist miserabel.

Ich werde also das Gedicht auf die reine Idee zurückschneiden, um es dann wieder wachsen zu lassen.
Vielen Dank für eure Anregungen, noch nie wurde mir so hilfreich geholfen!

Ein dankbarer, erfahrener Willi

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