#1

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 11:15
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
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#2

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 11:20
von sEweil (gelöscht)
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Entschuldige Mattes, was willst du damit bezwecken?
Ich tu mir, ob der Schriftart, immens schwer, das zu lesen und eine eingehende Beschäftigung mit dem Text wird daran scheitern, alles 10 mal lesen zu müssen.

Also ich tu mir zu schwer. D:

Bin ich jetzt irgendwie in die Falle gegangen und hab mich als faul erwiesen?
Ich such mal einen Spiegel.

Klär mich auf

Lg sEweil.

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#3

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 11:34
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Du musst dich doch nicht entschuldigen, sEweil!

Blättere einfach um, dann wirst du es lesen können. Es ist leichter, als man gemeinhin denkt. Und wenn nicht, dann nicht, so pferdvoll ist der Erguss nun auch wieder nicht. Ich hatte einfach Spaß dran und deswegen bin ich hier.

DG
Mattes

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#4

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 12:02
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
@sEweil: Einfach das Bild kopieren, in ein Bildprogramm einfügen (Paint reicht) und spiegeln ! Dann klappt es auch mit Mattes Text ...

Hallo Mattes,

die spiegelbildliche Präsentation ist - wenn auch nicht gerade kundenfreundlich - bei dem Thema eine gute Idee. Bei dem Text bin ich allerdings noch hin und her gerissen.

Das Grundthema ist ja nicht unbedingt neu. Sich selbst im spiegel sehen zu müssen und sich dabei nicht sehen zu können (im Sinne von wollen) ist immer wieder gern genommenes Thema.

Du legst dabei den Schwerpunkt weniger auf Unzufriedenheit mit dem Äußeren, sondern es ist das Klägliche, Kleinmütige und sich Selbstbetrügende, was dem lyrIch so zusetzt. Es scheint zumindest im realen Leben diese unschönen Attribute durch Arroganz zu überspielen, die das lyrIch aber letztlich ebenfalls zum Kotzen findet.

Interessant ist die Schlussfolgerung am Ende, die eigentlich das Klägliche noch mehr unterstreicht. Das lyrIch könnte ja infolge dieser harten Selbsterkenntnis beschließen, sich zu ändern. Statt dessen sinnt es lieber darüber nach, den Spiegel einfach zu entfernen. Dieses Ende gibt natürlich auch Raum für weitere Überlegungen, denn letztlich steht dieses Verhalten ja offenbar für ein grundsätzliches Herangehensweise des lyrIch: es geht nicht darum, sich Widrigkeiten oder Erkenntnissen zu stellen, sondern sie werden einfach umgangen. Und das ist ja eben durchaus auch eine Ausprägung dieses Kleinmutes, aber auch der Arroganz, die dem lyrIch so zu schaffen machen.

Warum der Blick übrigen fordernd und weich ist, verstehe ich nicht. Natürlich kann man da was hineininterpretieren, der Zusammenhang zu dem Sonstigen, was das lyrIch im Spiegel sieht, erschließt sich mir aber nicht so recht. Und gab es in Deinem Graphikprogramm keine Umlaute? Das wäre für mich die einzige Erklärung für die Schreibweise. Nach "kann" im 2. Abschnitt gehört außerdem m.E. ein Komma.

Was das Sprachliche angeht, mag ich grundsätzlich Deine sperrigen Fomulierungen, zeitweise übertreibst Du es aber ein wenig und es klingt nur verdreht: "Wenn ich nicht morgens beim Rasieren schon mich ständig schnitte, ..." finde ich dann doch etwas sehr umständlich.

Gefällt mir, reißt mich aber nicht vom Hocker.

Grüße,

Don

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#5

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 12:31
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hi Don!

Es handelt sich vordergründig um ein Gedicht für Linkshänder. Die können in aller Regel Spiegelschrift locker lesen, manche sogar flüssig schreiben. Diese Linken werden gemeinhin als verdreht angesehen und bis vor gar nicht langer Zeit ja auch in unserem Lande mehrheitlich umgedreht, worunter die meisten litten bzw. hernach einige Problemchen bekamen. Und wenn man also so ein Linker ist, dann ist bisweilen schwer, im rechten Leben zurecht zu kommen. Und das – haha – gilt natürlich nicht nur für solche, sondern für alle. Die einen leiden mehr darunter, die anderen weniger, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt. Das lyrI leidet unter dem Widerspruch zwischen (eigenem) Anspruch (an sich selbst) und Wirklichkeit. So ist das mit dem „fordern“ und „weich“ zu verstehen. Der geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach.

Allerdings empfand ich das Ende nicht, oder wollte es zumindest nicht so resignativ gestalten. Vielmehr sollte das lyrI den Spiegel einfach abhängen, seine Mitmenschen und sich selbst mit überzogenen Moralansprüchen in Ruhe lassen und einfach sein. Denn der Anspruch des lyrI richtet sich zuvorderst gegen seine Mitmenschen, mit sich selbst ist es da generöser.

Gedacht war, dass der Leser in der Rolle des lyrI ist und durch die Darstellung gezwungen ist, dem Gedicht und damit ja sich selbst, den Spiegel vorzuhalten, um ihn am Ende aber wieder wegzulegen (abzuhängen), da die fortgesetzte Selbstbespiegelung äußerst ungesund ist.

Hmm, wenn du jetzt diesem Gesülze den Spiegel vorhältst, habe ich vielleicht Glück und es kommt ein vernünftiger Halbsatz dabei heraus.

DG
Mattes


P.S.: Was meinst du mit verdrehten Formulierungen? Menno, da habe ich die poetische Lizenz für, wie oft denn noch?

P.P.S.: Solange ich dich aus deiner Lethargie reißen kann, ohne dass du gleich vom Hocker fällst, bin ich doch sehr zufrieden!

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#6

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 13:02
von Krabü2 (gelöscht)
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wenn nur ein einziges mal
nicht schon zu jeder frühen stunde
dein klägliches gesicht
mir penetrant entgegenblickte.

was gäbe ich dafür!

wenn ich nicht morgens beim rasieren schon
mich ständig schnitte, weil nicht schnell genug
ich deinem blick entkommen kann
der fordernd ist und weich zugleich

wenn ich noch sehr viel länger

diesem kümmerlichen ausdruck
fleichgewordenen kleinmuts
von selbstbetrug und arroganz
alltäglich ausgesetzt sein werde

dann hänge ich den spiegel ab.

Hi Mattes,
ich empfand die Spiegelschrift als gute Herausforderung für meinen Kopf - ich hab es nicht noch einmal gespiegelt, sondern so gelesen. Allerdings ist es vor allem deshalb auffällig. Der Text selbst hat auch was, ja, aber ich möchte behaupten, dass Deine eigene Erklärung ggb. Don nicht alles beinhaltet. Ich sehe darin viel mehr. Von der lyrI-Persönlichkeit. Sie ist nicht nur in 2 Teilen - Innen- und Außensicht - dort, obwohl Du das sicher versuchst. Innerhalb dieser Sichten spielt sich noch ne Menge mehr an Widersprüchlichem ab, die Persönlichkeit ist *gottseidank* vielfältiger - oder auch *heillos*.
- Was gäbe ich dafür? - ist für mich ein Indiz, dass das Ich gar nicht wirklich benennbar ist.
- Blick, der fordernd ist und weich zugleich - ist ein weiteres Indiz für eine mehrschichtige Sicht, denn weder die 'Gesellschaft' noch der in-den-Spiegel-Gucker spricht vorher von 'seinen' mehreren Seiten.
Insgesamt sehe ich es sogar als eine Selbstzerfleischung, als eine sehr harte Zensur verschiedener innewohnender Persönlichkeiten, die streitbar sind, deren *Über-Ich* aber allmächtig zu sein scheint in der Bestrafung für *wasauchimmer*.... - dann hänge ich den Spiegel einfach ab - ist der Sieg des Über-Ichs - denn dann bliebe der Kleinmut, den das weitaus schwächere Ich im Spiegel wahrnimmt.
Die Spiegelung an sich ist das Gefährliche, das stimmt, aber auch das Risiko, dass dem lyrI bei genau näherem Hinsehen und einem Hinsehen in Gelassenheit die Möglichkeit gäbe, Frieden zu schließen.
Für mich als Leser würde ich um der 'Wahrheit' willen sogar hinter 'was gäbe ich dafür' ein Fragezeichen setzen, so wie die Satzstellung es im Fluss anbietet.
Ansonsten, allein vom Gedicht selbst, von der Art, wie Du es schreibst, finde ich, Du hättest es mit ausgefalleneren Metaphern oder interessanteren Wortspielen erschaffen können. Aber wahrscheinlich war der Effekt der Spiegelung erstens als ein gewisses 'Versteck', zweitens als Effekt Nr. 1 gedacht, oder? Von daher ist es auch ein ehrliches Gedicht. Ich finde es höchst interessant.
LG U

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#7

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 15:08
von AiAiAwa (gelöscht)
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Hi Mattes,

interessant ist es allemal. Als Leser bekommt man zuerst ein spiegelverkehrtes Gedicht im Zusammenhang mit dem Titel "Abbild" zu sehen. Wobei ich letzteres eher mit einem Blueprint (Klonen, etc.) in Verbindung gebracht hätte, erschloss sich im Zusammenhang mit der Spiegelschrift schon etwas mehr. Es war klar, dass Inhalt und optische Gestaltung miteinander zu tun haben müsste (sonst wäre es ja sinnlos), folglich müsste es eie Art Selbstbespiegelung, eine Sicht auf das Abbild von sich selbst geben.


Zitat:

Gedacht war, dass der Leser in der Rolle des lyrI ist und durch die Darstellung gezwungen ist, dem Gedicht und damit ja sich selbst, den Spiegel vorzuhalten, um ihn am Ende aber wieder wegzulegen (abzuhängen)


Lustigerweise habe ich mir einen Spiegel besorgt, um das ganze ohne größere Anstrengungen lesen zu können. ^^ Durch das Fehlen der Umlaute, wie's DonCavallo erwähnt hatte, wird's noch schwieriger für den Leser.
Den Spiegel habe ich dann als eine Art Mittel bewertet, der die Identifizierung mit dem lyr. Ich veranlassen soll. Das führt umgehend zum Inhalt. (Im Übrigen ist's sprachlich solide, geht angesichts der thematik in Ordnung. Einige Gimmicks, wie die durchgehende Kleinschreibung (Minderwertigkeitgefühle?) sind interessant, andere Geschichten wie die unnötig invertierte Sprache in der zweiten Strophe gefallen weniger.)
Inhaltlich vollzieht sich eine Klimax. Die erste Strophe führt in das Selbstreflexions-Erlebnis ein. "Dein klägliches Gesicht" spricht das lyr. Ich selbst an; es kritisiert sich, man neigt dazu, so etwas wie Selbsthass darin zu vermuten. Im Einschub "was gäbe ich dafür!" würde ich Krabtzbürstes Vorschlag aufgreifen und ein Fragezeichen einsetzen, besser noch: einn Fragezeichen anhängen. Das passt zum einen in den Satz, motiviert zum anderen zum Weiterlesen - der Inhalt wird im Folgenden deutlicher. Außerdem symbolisiert es eine gewisse Verzweiflung (ob du diese so ausdrücken wolltest, hm, keine Ahnung).
In der nächsten Strophe ist eigentlich nur die letzte Zeile interessant. (Die ersten sind allenfalls dahingehend zu berücksichtigen, da sie an suizidale Absichten (am Hals schneiden) erinnern - doch das geht m.E. schon etwas zu weit.) "Fordernd und weich" erschließt einem ein vielschichtigeres lyr. Ich - in meinen Augen deutet es zum einen auf den Anspruch an sich selbst hin ("Bring endlich etwas zustande!"), zum anderen auf einen sanfmütigen Umgang mit sich selbst. Dies ist der erwähnte "Selbstbetrug".
Der nächste Einschub gefällt mir nicht richtig. Anders als in Z.5 ist es mehr der Anfang eines neuen Satzes und passt nicht recht, wenn man ihn separiert. Es wirkt eher als ein Zugeständnis an die Form. Nachfolgend kommen etwaige Hyperbeln ("alltäglich"--> würde "tag für tag" nicht besser sein?) und die gelungene Pointe. Was die Interpretation dieser Stelle angeht, bin ich eher auf der Seite des Dons. Das Abhängen des Spiegels wirkt wie ein Abwechen von der Selbstreflexion, eine Aufgabe des Versuchs der Selbsterkenntnis. Daher würde ich das ganze eher negativ deuten.

Weiterhin überzeugt der Text durch Andeutungen und HIntergründigkeit. Die von Don erwähnte Spieglung des inneren Selbstbildes statt des sichtbaren ist auch ein feines Detail.
Sprachlich ist das ganze gut geworden, doch dieser Text ist sicher am ehesten durch seine formell-inhaltlichen Verknüpfungen sehr lesens- und bedenkenswert.

Grüße
Philipp


edit: Ich seh' gerade, dass du Groß- und Kleinschreibung schon richtig hast, nur ich hatte mich leider auf Kratzbürstes "Übersetzung" in Normalschrift verlassen. Mea Culpa, nichts für ungut.

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#8

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in Philosophisches und Grübeleien 06.07.2006 15:49
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
@Kratzbürste:
Ich bin ein Anhänger der Vorstellung, dass der Autor Kontrolle über sein Werk und weiß, was er geschrieben hat und was nicht. Nun gibt es durchaus mehrere Interpretationsmöglichkeiten und solange das halbwegs textnah geschieht, ist dagegen auch gar nichts einzuwenden. Ich kann nicht behaupten, dass dein psychologisierender Unterton mir gefällt, deine Überlegungen sind aber alle am Text begründ- und daher nachvollziehbar. Deine intensive Auseinandersetzung ehrt mich. Ausgefallenere Metaphern und Wortspielereien als Selbstzweck sind mein Ding nun überhaupt nicht und passen nach meiner Überzeugung in diesen Text sowieso nicht.

@AiAiAwa:
Auch dir vielen Dank für die sehr interessante und aufschlussreiche Kommentierung. Was die Umlaute angeht, bin ich selbst sehr unglücklich, ich habe keinen anderen Font mit Umlauten gefunden und war doch zu erpicht darauf, es einzustellen. Ich hätte einen Satz als Erklärung beifügen sollen, denn es ist klar nicht beabsichtigt.
Die durchgehende Kleinschreibung ist nicht vorhanden, hier handelt es sich um ein Missverständnis. Die knuddelige Syntax ist beabsichtigt und soll das verquere Denken des lyrI unterstreichen (nicht besonders gelungen, vielleicht).
Interessant ist der Vorschlag mit Frage- und Ausrufezeichen. In der ersten Version hatte ich es genau so, gab dann aber dem Ausrufezeichen den Vorrang, um den Selbstbetrug deutlicher zu unterstreichen. Das ist aber vermutlich die falsche Entscheidung gewesen, weil der sich besser transportiert, wenn beides vorhanden ist. Das Fragezeichen werde ich also wieder hereinnehmen.
Hinsichtlich des Einschubes muss ich mich schuldig im Sinne der Anklage bekennen. Es ist leider wahr: Außer der Form gibt es keinen nachvollziehbaren Grund dafür. Ich weiß nicht mehr, wie ich mir den schön log, aber momentan fürchte ich, dass es ein echter genickbrecher ist. Unausgereift, überzeugt mich selbst nicht (mehr).
Alltäglich, Tag für Tag, das sind für mich inhaltlich keine großen Unterschiede, wobei letzteres klanglich natürlich den Inhalt besser unterstützte, metrisch aber nicht passt.
Was die Conclusio angeht, muss ich wohl ins Grübeln kommen, da ich es schlimmstenfalls wertneutral sehen wollte, denn dieses lyrI bringt die fortgesetzte Selbstbespiegelung doch tatsächlich nicht weiter!?

Wie dem auch sei. Danke für das Feedback.

DG
Mattes

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