#1

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 28.07.2006 17:56
von kein Name angegeben • ( Gast )
Da!
Auf morschem Tisch
ein weisses Blatt-
bedürfnislos
und spiegelglatt.

Nun!
Der Scherenschnitt
in meiner Hand-
Ich häng' ihn auf
mit Klebeband.

Den andern

...mit einem Strang.

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#2

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 30.07.2006 10:35
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Beiss mich

Nettes, kleines Ding (der Text *g), lässt Platz für diverse Interpretation. Ich sehe da ein Zurückblicken auf ein Leben, das nicht so verlief, wie das lyr. Ich es gewollt hat. Der morsche Tisch = das verpfuschte/gelebte Leben; das weisse Blatt = die Hoffnungen, die sich nicht erfüllten; der Scherenschnitt = die Versuche, doch noch etwas „Anständiges“ daraus zu machen; das Klebeband = das Gewöhnliche, Übliche, die Verzweiflung etwas zu kitten. Und am Ende bleibt nur der Freitod, um dem Ganzen zu entfliehen (andern = das RL).

Das ‚da!’ und das ‚nun!’ vermitteln das Bedürfnis um Aufmerksamkeit, wie es oft bei Selbstmördern der Fall ist. Seht her! Schaut, wie schlecht es mir geht! Ich tue doch etwas, aber es nützt nichts!etc.

Ja, gefällt mir. Wenige Worte mit Aussagekraft. Die diversen Pünktchen finde ich albern und die Elision bei ‚andern’ muss man nicht speziell kennzeichnen.

Gruss
Margot

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#3

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 04:19
von kein Name angegeben • ( Gast )
Liebe Margot,

Mit deiner Interpretation kommst du sehr sehr nahe an meine Gedanken, das freut mich wirklich sehr:)
Die Pünktchen beim ''nun'' wurden entfernt, die anderen möchte ich gerne lassen und auch der andere ''Fehler'' würde ausgebessert.
Nun ist mir noch was aufgefallen, ist der Lesefluss nicht besser wenn steht:

Ich häng' ihn auf ?

somit könnte man dann auch das ''so'' aus s1z4 entfernen damit alles wieder einheitlich ist.


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#4

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 09:27
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Tach Beiss mich

Jupp, ich würde das 'so' streichen und 'häng' schreiben. 'So' ist unnötig und ein Füllsel und die Elision bei 'häng' fügt sich problemlos ein. Ist aber lediglich meine Meinung. Angeri gsehnd da secher ganz angersch, gäu.

Grüsse
Margot

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#5

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 12:49
von DOCC (gelöscht)
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Hallo Beiss mich,
gefällt mir ganz gut: knackig und bissel frustran. Einzig mit dem Schluss komm ich nicht klar, da sich für mich nicht erschließt, worauf sich "den andern" bezieht. Ansonsten sind ja die verwendeten Bilder Deines Gedichtes schon bei gedichte.com ausführlich von Dir erklärt worden.
Liebe Grüsse von
DOCC

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#6

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 13:39
von kein Name angegeben • ( Gast )
also, ich habe es geändert.
mir gfallts so besser:)

Hallo DOCC,

Danke für das Lob. Das verstehe ich nicht ganz, auf dotcom habe ich doch erklärt was ''den andern'' (für mich) ist?!

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#7

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 13:52
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hi!

Wenn du jetzt noch bei dem "andern" die Elision weglässt, liest es sich rund.

Inhaltlich kann ich die hier vorgestellte Interpretation nicht nachvollziehen, denn wenn das weiße Blatt die unerfüllten Hoffnungen wären, erklärte sich zwar dessen Bedürfnislosigkeit (keine unerfüllten Hoffnungen = alle Hoffnungen erfüllt), nicht aber der ganze Rest.

Ich sehe hier ein poetologisches Werk: Der Dichter bemächtigt sich eines weißen Blattes Papier, welches vormals so unschuldig, wie bedürfnislos war, sudelt es mit seinen Sehnsüchten voll, destilliert diese quasi in seinen Scherenschnitt (sein Werk) und bleibt leer und ausgebrannt zurück. Das Gedicht wird ausgestellt, der Dichter hängt sich auf.

Operation gelungen, Patient tot. Mir etwas zu pathetisch. Die Ausrufe zu Strophenbeginn sind ebenso wie die Pünktchen mindestens verzichtbar. Strang statt Strick wirkt reimgeschuldet, mag aber auch mundartbedingt sein.

Ich werde es nicht ausschneiden und in mein Album kleben. Richtig schlecht ist es aber auch nicht. Ein wenig kurz, ein bisschen larmoyant, etwas ausgelutscht, aber ausbaufähig, wie man sieht.

DG
Mattes

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#8

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 14:58
von DOCC (gelöscht)
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Hallo Beiss mich,
auf gedichte.com hast Du erklärt, dass mit den letzten beiden Zeilen ausgedrückt werden soll, dass sich das lyrI erhängt, oder ritzt, oder so in der Art. Das lese ich so nicht! Der eine Scherenschnitt wird mit Klebeband aufgehangen. Der andere (Scherenschnitt - so wärs logisch) wird am Strang erhängt. Es gibt aber nur einen Schnitt. Oder ich hab gar nichts geschnallt - was ja bei diesen Temperaturen gut möglich ist.
Liebe Grüße von
DOCC

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#9

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 15:10
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ich meine, dass genau dieses Bild das Gedicht vor dem Verriss rettet: Der Künstler schneidet sinnbildlich sein Werk aus sich heraus, er wirft seinen metaphorischen Schatten auf das Blatt Papier und schneidet diesen aus. Das ist das Kunstwerk, welches ausgesetellt wird. Es ist nicht mehr der Künstler, es besteht autonom von ihm. Der Künstler, der übrig bleibt, das ist der Rest des Papiers, der Verschnitt sozusagen. Der taugt zu nichts mehr, er hat alles, was wesentlich an ihm war, in sein Werk eingebracht. Geholfen hat es ihm nicht. Mag das Kunstwerk auch noch so groß und bedeutend sein, der Künstler bleibt, wie so häufig, auf der Strecke. Er hängt sich auf.

Noch einmal: Ich finde das absolut eindeutig und verstehe gar nicht, wie man das nicht daraus erkennen kann. Ich meine nur, dass es mindestens eine Spur zu bombastisch, zu sehr von sich selbst ergriffen ist.

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#10

Scherenschnitt

in Düsteres und Trübsinniges 31.07.2006 15:24
von DOCC (gelöscht)
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Ich sachja, es ist zu warm. Klar wäre das die Lösung. Ich lese aber: Den andern (Scherenschnitt) häng ich auf, nicht den Rest, was also vom Schnitt übrigbleibt...
Naja, ist mir zu hoch für jetzt und nun: ich hätte den Scherenschnitt aufgeklebt und den Rest an den Strick gebammelt.
Bis denne

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