Hallo Motte,
ein Stichwort, das ich neulich das erste Mal hörte und das mir sofort zu dem Gedicht einfällt heißt "Pädagogisches Schweigen". Leute mit verbaler Inkontinenz sind ja häufig daruf angewiesen auf ihre Äußerungen eine direkte Reaktion in irgendeiner Form zu erfahren, da das nicht erfahren einer Reaktion zu Verunsicherung beim sprechenden führen kann. Damit kann man einen Vielsprecher natürlich ggf. auch zum Schweigen bringen. Das erfordert viel Geduld, die das Gegenüber hier ja zu haben scheint.
Es hat hier aber auch etwas von "Du hast recht und ich hab meine Ruhe".
Das Du scheint aber nicht die Befürchtung zu haben, dass es so auf Durchzug schaltet, dass es die seltenen wichtigen Äußerungen des Ich verpassen könnte. Das Du ist noch immer aufmerksam. Es fürchtet sich vor einzelnen verletzenden Äußerungen des Du.
Ich finde die Situation, die hier beschrieben wird, bei der von außen ein Partner sich unglaublich viel Verbal von dem anderen gefallen läßt, indem es auf Durchzug schaltet, persönlich ziemlich furchtbar. Besonders wenn da noch so eine, wie am Schluss beschriebene "Jeder-Tropfen-höhlt-den-Stein"-Aspekt dazu kommt, so ein Rachegedanke.
Für mich ist das ganze mehr ein Auftakt als ein kompletter geschlossener Text. Ich empfinde den Text weder formal noch inhaltlich als rund, obwohl es im einzelnen schön beschrieben und formuliert ist. Die erste Strophe zum Beispiel ist ein sehr gelungener Auftakt, doch dann wird es immer prosaischer und das Bild der Worte mit scharfen Kanten finde ich auch wenig originell.
Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu Gutes von Dir gewohnt, um mich hiermit zufrieden geben zu können.
Jedenfalls wäre der Text in einer Kurzgeschichte à la Landzug besser aufgehoben gewesen. Meine ganz persönliche, subjektive Meinung.
Schöne Grüße,
GW