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Traum auf Eis
Etwas, ein Teil von mir, hat ihn gerufen. Er war immer da. Ich sah ihn verkümmert und verletzt, er zeigte sich mir auf einem modrigen Sessel, überdeckt bis über den Kopf mit einer schmutzigen Decke. Ein abgemagerter Körper, eingefallenes Gesicht, blutverkrustete Hände und die Augen matt vor Trauer und Enttäuschung. Er schaute scheu und verängstigt, als ich ihn in einem Hilferuf wiederfand und erschrak. Er muss gedacht haben, es wäre eine meiner Launen und ich würde wieder von ihm lassen, wenn er mir auch nur ein einzelnes Blinzeln schenkte.
Mein Ruf war der aus Überdruss, dieser Bedürftigkeit, meiner Abgeschiedenheit. All das hatte seinen Ursprung in einem früheren Leben.
Achlachja war ein hochgewachsener, muskulöser Mann gewesen, ein uriger, unzivilisierter und doch eleganter und eigenwilliger Freibeuter. Ein Kämpfer, der sich seine Rechte auf Glücksmomente und Freude ungefragt nahm.
Er kauerte mir vorhin gegenüber und warf mir mit angstvollen Stummheit vor, dass ich in meiner Unachtsamkeit alle alten Schädlinge in sein Reich habe einstürmen lassen. Vor einiger Zeit hatte ich die Tür einen Spalt weit geöffnet, und schon waren sie schreiend eingefallen, bewaffnet mit verzerrten und vorwurfsvollen, anklagenden und fordernden Gesichtern ließen sie nicht von mir ab. Verscheucht hatte ich nach einem Versteck gesucht, nur einen winzigen Winkel gefunden, in den zu quetschen mich schmerzte. Den Blick zur dunklen Wand und von Achlachja abwandt, hatten seine verzweifelten Schreie mich schier zerrissen, doch war ich längst eingeschlossen, ohne mich einmal nach ihm umzusehen. Ich hatte der fluchenden, wild um sich schlagenden Meute unseren Palast überlassen.
Als ich vorhin vor ihm kniete und den Zweifel in ihm sah, wurde ich unsicher, ob ich ihm würde helfen können. Wir sind einander beinahe zu Spiegeln geworden.
Es kostete mich Überwindung, ihn zu verarzten. Zwar wollte ich, doch ohne zu wissen, woher ich die Kraft nehmen könnte. Letztlich war es wohl die Macht der Verzweiflung, die mich seine Verletzungen streicheln ließ, und eine Menge Selbstüberzeugung gehörte dazu, auch ihm Vertrauen zurückzugeben. Weinend und lächelnd fütterte ich ihn Löffel für Löffel mit seinen Lieblingsspeisen, mögen es unter anderem Haferbrei und allerlei Obst gewesen sein. Anfangs nahm er sie nur widerwilig zu sich.
Meiner tiefen Sehnsuht entsprechend raffte er sich wankend auf, übte zu gehen. Aufgeregt begleitete ich ihn, bemerkte, wie er langsam zurück fand. Noch nicht ganz wiederhergestellt, hat er doch seine stolze Haltung - soweit seine Konstitution und seine restliche Scheu dies zulassen - wieder angenommen.
Mit jedem Raum, den er betritt, weckt er aufgeregt-erfreute Stimmen: "Er ist zurück, er ist wieder da, er wird für Ordnung sorgen". Sogar von einem Raum in den anderen kann jeder durch die Wände diese Stimmen wahrnehmen, und unser Palast ist in Aufruhr. Die ehemaligen Einbrecher hausen in unserem tiefsten und finstersten Verließ, deren eherne Tür mit schweren Riegeln verschlossen bleibt. So gibt es für dieses Pack keine neue Möglichkeit, uns zu schwächen - es sei denn, ich öffnete den Kerker, was ich nie wieder tun will.
Von nun an werde ich jeden Tag mit ihm verbringen, mit ihm schlafen gehen und aufwachen, ihn durch den Palast wandern lassen, um weiter aufzuräumen und alles schlummernde Personal zu mobilisieren. Gemeinsam werden wir die Wände unseres Palastes pflegen, die Unordnung wegschaffen und mit einem Schlauch alle Gänge und Windungen sauber durchspülen. Wir sind Verschworene, untrennbar.
Ich staune über seine Kühnheit, den Großmut und Weitblick, wie weise und klug er ist. Seine großen, warmen Hände und Augen, seine breiten Schultern, die muskulösen Arme. Sein Rücken - so gerade, elastisch sein Gang. Er ist vor allem entspannt und voller Humor, widersteht dem Leben nicht. Er sprießt vor Energie und pulsiert in Mimik und Gestik. Seine Blicke blitzen und jeder hat größten Respekt vor ihm. Er kennt die Menschen und ihr Streben, das Leid und die Hoffnungen, auch die kleinen Backsteine, die sich der Mensch gern selbst in den Weg legt, um darüber zu stolpern. Er selbst ebnet sich seine Wege oder sie ebnen sich von selbst, denn er ist Selbst, wahrhaftig und überzeugend.
Achlachja. Das wird arabisch ausgesprochen - leicht gehaucht und mit hohlem, tiefen Hals wird das "ch" jeweils betont.
So schnarcht es sich im Tiefschlaf – Wunderbar nämlich.
Etwas, ein Teil von mir, hat ihn gerufen. Er war immer da. Ich sah ihn verkümmert und verletzt, er zeigte sich mir auf einem modrigen Sessel, überdeckt bis über den Kopf mit einer schmutzigen Decke. Ein abgemagerter Körper, eingefallenes Gesicht, blutverkrustete Hände und die Augen matt vor Trauer und Enttäuschung. Er schaute scheu und verängstigt, als ich ihn in einem Hilferuf wiederfand und erschrak. Er muss gedacht haben, es wäre eine meiner Launen und ich würde wieder von ihm lassen, wenn er mir auch nur ein einzelnes Blinzeln schenkte.
Mein Ruf war der aus Überdruss, dieser Bedürftigkeit, meiner Abgeschiedenheit. All das hatte seinen Ursprung in einem früheren Leben.
Achlachja war ein hochgewachsener, muskulöser Mann gewesen, ein uriger, unzivilisierter und doch eleganter und eigenwilliger Freibeuter. Ein Kämpfer, der sich seine Rechte auf Glücksmomente und Freude ungefragt nahm.
Er kauerte mir vorhin gegenüber und warf mir mit angstvollen Stummheit vor, dass ich in meiner Unachtsamkeit alle alten Schädlinge in sein Reich habe einstürmen lassen. Vor einiger Zeit hatte ich die Tür einen Spalt weit geöffnet, und schon waren sie schreiend eingefallen, bewaffnet mit verzerrten und vorwurfsvollen, anklagenden und fordernden Gesichtern ließen sie nicht von mir ab. Verscheucht hatte ich nach einem Versteck gesucht, nur einen winzigen Winkel gefunden, in den zu quetschen mich schmerzte. Den Blick zur dunklen Wand und von Achlachja abwandt, hatten seine verzweifelten Schreie mich schier zerrissen, doch war ich längst eingeschlossen, ohne mich einmal nach ihm umzusehen. Ich hatte der fluchenden, wild um sich schlagenden Meute unseren Palast überlassen.
Als ich vorhin vor ihm kniete und den Zweifel in ihm sah, wurde ich unsicher, ob ich ihm würde helfen können. Wir sind einander beinahe zu Spiegeln geworden.
Es kostete mich Überwindung, ihn zu verarzten. Zwar wollte ich, doch ohne zu wissen, woher ich die Kraft nehmen könnte. Letztlich war es wohl die Macht der Verzweiflung, die mich seine Verletzungen streicheln ließ, und eine Menge Selbstüberzeugung gehörte dazu, auch ihm Vertrauen zurückzugeben. Weinend und lächelnd fütterte ich ihn Löffel für Löffel mit seinen Lieblingsspeisen, mögen es unter anderem Haferbrei und allerlei Obst gewesen sein. Anfangs nahm er sie nur widerwilig zu sich.
Meiner tiefen Sehnsuht entsprechend raffte er sich wankend auf, übte zu gehen. Aufgeregt begleitete ich ihn, bemerkte, wie er langsam zurück fand. Noch nicht ganz wiederhergestellt, hat er doch seine stolze Haltung - soweit seine Konstitution und seine restliche Scheu dies zulassen - wieder angenommen.
Mit jedem Raum, den er betritt, weckt er aufgeregt-erfreute Stimmen: "Er ist zurück, er ist wieder da, er wird für Ordnung sorgen". Sogar von einem Raum in den anderen kann jeder durch die Wände diese Stimmen wahrnehmen, und unser Palast ist in Aufruhr. Die ehemaligen Einbrecher hausen in unserem tiefsten und finstersten Verließ, deren eherne Tür mit schweren Riegeln verschlossen bleibt. So gibt es für dieses Pack keine neue Möglichkeit, uns zu schwächen - es sei denn, ich öffnete den Kerker, was ich nie wieder tun will.
Von nun an werde ich jeden Tag mit ihm verbringen, mit ihm schlafen gehen und aufwachen, ihn durch den Palast wandern lassen, um weiter aufzuräumen und alles schlummernde Personal zu mobilisieren. Gemeinsam werden wir die Wände unseres Palastes pflegen, die Unordnung wegschaffen und mit einem Schlauch alle Gänge und Windungen sauber durchspülen. Wir sind Verschworene, untrennbar.
Ich staune über seine Kühnheit, den Großmut und Weitblick, wie weise und klug er ist. Seine großen, warmen Hände und Augen, seine breiten Schultern, die muskulösen Arme. Sein Rücken - so gerade, elastisch sein Gang. Er ist vor allem entspannt und voller Humor, widersteht dem Leben nicht. Er sprießt vor Energie und pulsiert in Mimik und Gestik. Seine Blicke blitzen und jeder hat größten Respekt vor ihm. Er kennt die Menschen und ihr Streben, das Leid und die Hoffnungen, auch die kleinen Backsteine, die sich der Mensch gern selbst in den Weg legt, um darüber zu stolpern. Er selbst ebnet sich seine Wege oder sie ebnen sich von selbst, denn er ist Selbst, wahrhaftig und überzeugend.
Achlachja. Das wird arabisch ausgesprochen - leicht gehaucht und mit hohlem, tiefen Hals wird das "ch" jeweils betont.
So schnarcht es sich im Tiefschlaf – Wunderbar nämlich.
Die Geschichte finde ich gar nicht schlecht (auch wenn ich schon Besseres von Dir gelesen habe ). Besonders gut gefallen mir die Einblicke in die Psyche des Ichs beim Verarzten des Gegenübers. Dieses innere Widerstreben in so einer oder einer ähnlichen Situation (lässt sich ja auf vieles übertragen), hat wohl jeder schon mal verspürt.
Bei "blutverkrustet" hast Du unterwegs das "s" verloren. Ansonsten liest sich der Text flüssig, auch die Absätze hast Du gut gewählt - je kürzer der Absatz, desto bedeutungsschwerer das Gesagte. Demzufolge scheint auch der letzte Satz von enormer Wichtigkeit für den Zusammenhang zu sein; doch wie ist er zu verstehen? Negiert er das Tun des Ich's, des Du's oder die Beziehung zwischen beiden Protagonisten - eine Beziehung, die sich nach einer Krisensituation wieder zu normalisieren schien? War die Versöhnung und erneuerte Annäherung der Beiden nur ein Wunschtraum des Ichs in einer Tiefschlafphase? Und war es während des Schlafens in Wirklichkeit nicht wach?
LG, Maya
Bei "blutverkrustet" hast Du unterwegs das "s" verloren. Ansonsten liest sich der Text flüssig, auch die Absätze hast Du gut gewählt - je kürzer der Absatz, desto bedeutungsschwerer das Gesagte. Demzufolge scheint auch der letzte Satz von enormer Wichtigkeit für den Zusammenhang zu sein; doch wie ist er zu verstehen? Negiert er das Tun des Ich's, des Du's oder die Beziehung zwischen beiden Protagonisten - eine Beziehung, die sich nach einer Krisensituation wieder zu normalisieren schien? War die Versöhnung und erneuerte Annäherung der Beiden nur ein Wunschtraum des Ichs in einer Tiefschlafphase? Und war es während des Schlafens in Wirklichkeit nicht wach?
LG, Maya
Hi Maya :-)
der Text hat schon einige Zeit überdauert sozusagen. Damit fischte mich ein gemeinsamer Bekannter aus dem Netz.
Es ist keine Erlebnisgeschichte, es ist eine Erzählung und rein psychologisch zu sehen. Ob schlafend oder wachend? - da frag ich mich gerade, ob's einen Unterschied macht. Spontan anworte ich mal mit 'nein'.
Danke für das fehlende 's', ich nehm es gleich mal mit und setze es ein :-)
Vielen Dank überhaupt fürs Lesen und den Kommentar.
LG Uschi
der Text hat schon einige Zeit überdauert sozusagen. Damit fischte mich ein gemeinsamer Bekannter aus dem Netz.
Es ist keine Erlebnisgeschichte, es ist eine Erzählung und rein psychologisch zu sehen. Ob schlafend oder wachend? - da frag ich mich gerade, ob's einen Unterschied macht. Spontan anworte ich mal mit 'nein'.
Danke für das fehlende 's', ich nehm es gleich mal mit und setze es ein :-)
Vielen Dank überhaupt fürs Lesen und den Kommentar.
LG Uschi
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