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Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. »
Alles unter Kontrolle
#1
von Roderich (gelöscht)
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 13.09.2006 17:50von Roderich (gelöscht)
Alles unter Kontrolle
Mein Leben ist in Ordnung. Ehrlich. Ich habe einen gesicherten Arbeitsplatz als Sägemeister in einem Holz verarbeitenden Betrieb, ein nettes, kleines und vor allem gemütliches Haus in einer netten, kleinen und gemütlichen Ortschaft am Land, mit Lisa eine verständnisvolle und geduldige Frau, drei prächtige Kinder: Jaqueline, Teresa und Mario. Ich bin zweiundvierzig Jahre alt. Gesund.
Was will man mehr?
Ich wollte früher Tierarzt werden. Nachdem ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, habe ich immer mit Tieren zu tun gehabt. Ich habe versucht, sie zu heilen, wenn sie krank waren, ein Bein verstaucht haben oder etwas Ähnliches. Doch ich hätte das Studium nie gepackt. Lernen gehörte nie zu meinen Stärken. Die Tischlerlehre, die ich dann gemacht habe, war okay.
Vielleicht hätte ich eine eigene Tischlerei aufmachen können. Doch in unserer Gegend ist der Bedarf nicht so groß. Was man selbst machen kann, macht man selbst. Nur ungern vergibt man einen Auftrag an einen Handwerker, auch, wenn man diesen gut kennt. Wir sind hier alle sehr hemdsärmelig. Ich hätte wohl in die Stadt ziehen müssen. Doch dort sind dann wieder die großen Bau- und Möbelmärkte. Hätte wohl auch keinen Sinn gemacht.
Dass ich dann Sägemeister geworden bin, war eher Zufall. Nachdem ich als Tischler keine Anstellung gefunden habe, ist ein alter Schulfreund zu mir gekommen. Er kenne da jemanden, Personalchef bei einer großen Firma, die würden jemanden für das firmeneigene Sägewerk suchen. Ob ich nicht Interesse hätte. Immerhin wäre das ja auch etwas mit Holz. Und sägen müsse man als Tischler auch können.
Anfangs war ich überqualifiziert. Eine rein mechanische Tätigkeit. Zugegeben, man muss sehr genau und konzentriert arbeiten, so ein Finger ist schnell mal ab, aber im Grunde ist es immer das Gleiche. Erst, als ich Jahre später zum Sägemeister aufgestiegen bin, die Kontrolle über das ganze Sägewerk, oder sagen wir eher: die Sägeabteilung, übernommen habe, wurde es herausfordernd. Immerhin wurde ich Chef. Von acht Leuten. Das ist etwas. Darauf kann man stolz sein.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Lisa einen anderen hat. Aber das ist natürlich Blödsinn.
Es ist immer staubig, wo ich arbeite. Holzspäne, Holzstaub. Wir arbeiten alle mit Mundschutz. Trotzdem fallen immer wieder mal Leute aus, weil sie den Staub nicht vertragen. Manche bekommen im Lauf der Zeit eine Allergie, die kommen dann nicht wieder. Ich selbst bin robust, habe nie auch nur einen Tag krankheitsbedingt gefehlt. Eine Rossnatur. Zwar könnte ich es mir leisten, ab und zu krank zu sein, aber ich habe das Gefühl, dass dann in der Arbeit nichts weitergehen würde. Ich vertraue meinen Leuten schon, so ist es nicht, aber es ist gut, wenn ich in der Nähe bin. Ich weiß nicht, ob sie genau so schnell und gut arbeiten würden, wenn ich nicht da wäre. Sie könnten es, ja, aber es braucht einfach einen Chef. Es ist wichtig, einen Chef um sich zu haben. Ich bin wichtig für sie, für die Arbeiter.
Letztlich waren wir auf dem Feuerwehr-Heurigen. Teresa und Mario haben mit anderen Kindern gespielt, draußen, auf der großen Wiese. Jaqueline hat sich mit ihrem Freund getroffen. An den Gedanken, dass sie einen Freund hat, einen richtigen Freund, muss ich mich erst gewöhnen. Sie ist ja erst fünfzehn, noch so jung.
Ich habe mich mit ihr lange über Verhütung unterhalten, als ich erfahren habe, dass sie einen Freund hat. Aber ich denke nicht, dass sie mit ihm schläft. Ich hoffe es nicht.
Das war vor zwei Monaten, da war sie schon über drei Monate mit ihm zusammen. Sie hat mir erst davon erzählt, als sie es kaum noch verheimlichen konnte. Als ich dann mit Lisa darüber gesprochen habe, hat sie gelacht und gemeint, dass es ohnehin offensichtlich war, so wie dieser Robert ständig um Jaqueline herumgeschlichen ist. Da habe ich wissend und ein bisschen verschwörerisch gelächelt und bin gegangen. Ich war wütend.
Ich kenne meine eigenen Kinder nicht.
Auf dem Feuerwehr-Heurigen dann bin ich kurz vom Tisch aufgestanden, um auszutreten. Als ich dann zurück bin, hat sich Lisa wieder mit Ernst unterhalten, leise, ein bisschen kokett. So ist sie nur bei Ernst.
Ich kann diesen Möchtegern-Playboy nicht ausstehen. Der glaubt, er sei etwas Besseres, dabei ist er nur so ein dummer Bankangestellter. Nichts Besonderes – einer, der einfach nur vor seinen Kunden buckelt, wenn die etwas von ihm wollen. Immobilienberater. Aber er hat Geld, sein Vater hat ihm viel vererbt. Davon zehrt er, davon kann er sich die protzigen Autos leisten, die nicht zu einem Bankangestellten passen.
Aber ich muss nett und freundlich zu ihm sein. Hier im Ort kennt jeder jeden und jeder ist mit jedem gut befreundet. Das ist halt so, wenn man so eng beisammen wohnt.
Im Grunde ist es ja wirklich gut so. Wir haben eine starke Gemeinschaft, jeder kann sich auf den anderen verlassen. Als damals das Haus des alten Göbler abgebrannt ist, haben alle zusammen geholfen beim Bau des neuen Hauses. Wirklich alle – sogar die Kinder. Wir sind etwa dreihundert Leute im Ort. Wer nicht mitgeholfen hätte, wäre aufgefallen.
Auch Ernst hat ordentlich zugepackt. Und er hat dem Göbler die Garage gezahlt, quasi ein kleines Geschenk unter Nachbarn. Mit dem Geld seines Vaters kann man natürlich sehr leicht Garagen für Nachbarn bauen.
Der Tod meines Vaters: Ein Schock. Ich habe nicht gewusst, dass er so verschuldet war. Lisa hat geweint, als wir beim Notar waren wegen dem Testament. Ihre Eltern haben uns dann ausgeholfen, wir stehen wohl ewig bei ihnen in der Kreide.
Sie scheinen das zu genießen, können uns herumkommandieren. Aber ich schlucke meinen Ärger runter, irgendwann ist auch das vorbei.
Mein Gehalt ist ganz ordentlich. Wir können uns ein angenehmes Leben damit leisten. Zudem geht Lisa halbtags arbeiten. Sie arbeitet als Buchhalterin in der Stadt. Ihr Gehalt überweisen wir immer an ihre Eltern zum abstottern der Schulden, meines reicht zum Leben völlig aus. Auch macht Jaqueline jetzt eine Lehre als Bürokauffrau, sie kann sich gut selbst versorgen. Zwar wohnt sie noch bei uns, aber sie zahlt ein bisschen Miete. Damit sie lernt, mit Geld umzugehen. Das ist wichtig für die Kinder, finde ich. Auch Teresa und Mario werden mal Miete zahlen müssen, wenn sie eigenes Geld verdienen und weiterhin in unserem Haus wohnen. Aber vielleicht wird Mario studieren, er ist wirklich gescheit, hat nur gute Noten in der Schule. Man sieht sehr früh, ob ein Kind gut genug für ein Studium sein wird oder nicht. Und Mario hat das Zeug dafür, da bin ich mir sicher. Er kann später Veterinärmedizin studieren. Er ist ja immer so lieb zu unserer Katze.
Wir fahren jedes Jahr für eine Woche auf Urlaub. Immer nach Lignano, da ist es wirklich schön. Wir brauchen das – ein bisschen Sonne und Strand und Erholung. Ich kenne Leute in unserem Ort, die noch nie auf Urlaub gefahren sind. Ich verstehe das nicht, denn nur, wenn man fortfährt, in eine neue und ungewohnte Umgebung kommt, kann man sich so richtig entspannen. Uns tut das jedenfalls immer sehr gut. Die Kinder genießen das Meer, auch Lisa ist im Urlaub viel gelöster. Wir sprechen mehr als sonst miteinander.
Mit Lisa war das so eine klassische Sache. Wir haben uns aus der Schule gekannt, sie war ein Jahr unter mir. Als ich vierzehn war sind wir miteinander gegangen, nicht ganz ein Jahr lang. Nach der Hauptschule war dann Funkstille, sie hat mit der Handelsakademie angefangen, in der Stadt. Und ich selbst habe meine Tischlerlehre gemacht. Sie hat Freunde gehabt, ich Freundinnen. Alles so, wie es sich gehört für Teenager. Und dann haben wir uns Jahre später wieder getroffen, bei der Sonnwendfeier in ihrem Ort. Sie war fast mit der Schule fertig, ich stand vor meiner Gesellenprüfung. Es war einfach die richtige Zeit, um es noch einmal miteinander zu probieren. Doch keine aufgewärmte Teenager-Liebe, sondern was Ernsthaftes. Es hat einfach gepasst.
Nach drei Jahren haben wir geheiratet, fünf Jahre später ist Jaqueline gekommen. Wir haben uns anfangs sehr bemüht, Kinder zu bekommen, aber es hat nicht geklappt. Dann haben wir unseren Kinderwunsch aufgegeben und plötzlich ist es doch noch passiert. Eigenartig, wie das Leben manchmal so spielt.
Vier Jahre nach Jaqueline kam dann Terese, dieses Mal schön nach Plan. Lisa wollte einfach noch ein Geschwisterchen für Jaqueline. Einzelkinder seien immer ein bisschen problematisch, sagte sie.
Ich bin ein Einzelkind.
Mario war dann die unverhoffte Draufgabe, als wir mit der Familienplanung eigentlich schon abgeschlossen hatten. Er ist jetzt acht, viel zu klug für sein Alter.
Ich weiß, als Vater dürfte man so etwas nicht sagen, aber irgendwie mag ich Mario ein bisschen mehr als die Mädels. Obwohl ich natürlich auch die Mädels sehr lieb habe und ich gerne ihr Vater bin. Doch Mario ist etwas ganz Besonderes, er wird sicher einmal zu einem wichtigen und bedeutenden Mann heranreifen. Das sehe ich in seinen Augen. Er ist immer so konzentriert, so ernsthaft und wissbegierig.
Ich frage mich manchmal, wie ich denn so einen klugen Jungen zustande bringen konnte, woher er diese Lernbegeisterung hat.
Und manchmal denke ich dann plötzlich an Ernst und mein Magen zieht sich zusammen, ich weiß nicht, warum.
Doch ich sollte mir nicht zu viele Gedanken machen. Mir geht es gut, es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Mein Leben ist wirklich in Ordnung. Ich habe einen verantwortungsvollen Job, bin in der Arbeit fast schon unentbehrlich. Das genieße ich. Ich habe eine wichtige Rolle auszufüllen, jetzt und in der Zukunft. Das können wohl nicht viele von sich behaupten, denke ich.
Und wenn ich mal alt bin, werde ich auf meiner Bank, die ich selbst getischlert habe, sitzen und eine Pfeife rauchen. Dabei werde ich an mein Leben zurückdenken und mir sagen, dass ich es wirklich gut gehabt habe.
Mein Leben ist in Ordnung. Ehrlich. Ich habe einen gesicherten Arbeitsplatz als Sägemeister in einem Holz verarbeitenden Betrieb, ein nettes, kleines und vor allem gemütliches Haus in einer netten, kleinen und gemütlichen Ortschaft am Land, mit Lisa eine verständnisvolle und geduldige Frau, drei prächtige Kinder: Jaqueline, Teresa und Mario. Ich bin zweiundvierzig Jahre alt. Gesund.
Was will man mehr?
Ich wollte früher Tierarzt werden. Nachdem ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, habe ich immer mit Tieren zu tun gehabt. Ich habe versucht, sie zu heilen, wenn sie krank waren, ein Bein verstaucht haben oder etwas Ähnliches. Doch ich hätte das Studium nie gepackt. Lernen gehörte nie zu meinen Stärken. Die Tischlerlehre, die ich dann gemacht habe, war okay.
Vielleicht hätte ich eine eigene Tischlerei aufmachen können. Doch in unserer Gegend ist der Bedarf nicht so groß. Was man selbst machen kann, macht man selbst. Nur ungern vergibt man einen Auftrag an einen Handwerker, auch, wenn man diesen gut kennt. Wir sind hier alle sehr hemdsärmelig. Ich hätte wohl in die Stadt ziehen müssen. Doch dort sind dann wieder die großen Bau- und Möbelmärkte. Hätte wohl auch keinen Sinn gemacht.
Dass ich dann Sägemeister geworden bin, war eher Zufall. Nachdem ich als Tischler keine Anstellung gefunden habe, ist ein alter Schulfreund zu mir gekommen. Er kenne da jemanden, Personalchef bei einer großen Firma, die würden jemanden für das firmeneigene Sägewerk suchen. Ob ich nicht Interesse hätte. Immerhin wäre das ja auch etwas mit Holz. Und sägen müsse man als Tischler auch können.
Anfangs war ich überqualifiziert. Eine rein mechanische Tätigkeit. Zugegeben, man muss sehr genau und konzentriert arbeiten, so ein Finger ist schnell mal ab, aber im Grunde ist es immer das Gleiche. Erst, als ich Jahre später zum Sägemeister aufgestiegen bin, die Kontrolle über das ganze Sägewerk, oder sagen wir eher: die Sägeabteilung, übernommen habe, wurde es herausfordernd. Immerhin wurde ich Chef. Von acht Leuten. Das ist etwas. Darauf kann man stolz sein.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Lisa einen anderen hat. Aber das ist natürlich Blödsinn.
Es ist immer staubig, wo ich arbeite. Holzspäne, Holzstaub. Wir arbeiten alle mit Mundschutz. Trotzdem fallen immer wieder mal Leute aus, weil sie den Staub nicht vertragen. Manche bekommen im Lauf der Zeit eine Allergie, die kommen dann nicht wieder. Ich selbst bin robust, habe nie auch nur einen Tag krankheitsbedingt gefehlt. Eine Rossnatur. Zwar könnte ich es mir leisten, ab und zu krank zu sein, aber ich habe das Gefühl, dass dann in der Arbeit nichts weitergehen würde. Ich vertraue meinen Leuten schon, so ist es nicht, aber es ist gut, wenn ich in der Nähe bin. Ich weiß nicht, ob sie genau so schnell und gut arbeiten würden, wenn ich nicht da wäre. Sie könnten es, ja, aber es braucht einfach einen Chef. Es ist wichtig, einen Chef um sich zu haben. Ich bin wichtig für sie, für die Arbeiter.
Letztlich waren wir auf dem Feuerwehr-Heurigen. Teresa und Mario haben mit anderen Kindern gespielt, draußen, auf der großen Wiese. Jaqueline hat sich mit ihrem Freund getroffen. An den Gedanken, dass sie einen Freund hat, einen richtigen Freund, muss ich mich erst gewöhnen. Sie ist ja erst fünfzehn, noch so jung.
Ich habe mich mit ihr lange über Verhütung unterhalten, als ich erfahren habe, dass sie einen Freund hat. Aber ich denke nicht, dass sie mit ihm schläft. Ich hoffe es nicht.
Das war vor zwei Monaten, da war sie schon über drei Monate mit ihm zusammen. Sie hat mir erst davon erzählt, als sie es kaum noch verheimlichen konnte. Als ich dann mit Lisa darüber gesprochen habe, hat sie gelacht und gemeint, dass es ohnehin offensichtlich war, so wie dieser Robert ständig um Jaqueline herumgeschlichen ist. Da habe ich wissend und ein bisschen verschwörerisch gelächelt und bin gegangen. Ich war wütend.
Ich kenne meine eigenen Kinder nicht.
Auf dem Feuerwehr-Heurigen dann bin ich kurz vom Tisch aufgestanden, um auszutreten. Als ich dann zurück bin, hat sich Lisa wieder mit Ernst unterhalten, leise, ein bisschen kokett. So ist sie nur bei Ernst.
Ich kann diesen Möchtegern-Playboy nicht ausstehen. Der glaubt, er sei etwas Besseres, dabei ist er nur so ein dummer Bankangestellter. Nichts Besonderes – einer, der einfach nur vor seinen Kunden buckelt, wenn die etwas von ihm wollen. Immobilienberater. Aber er hat Geld, sein Vater hat ihm viel vererbt. Davon zehrt er, davon kann er sich die protzigen Autos leisten, die nicht zu einem Bankangestellten passen.
Aber ich muss nett und freundlich zu ihm sein. Hier im Ort kennt jeder jeden und jeder ist mit jedem gut befreundet. Das ist halt so, wenn man so eng beisammen wohnt.
Im Grunde ist es ja wirklich gut so. Wir haben eine starke Gemeinschaft, jeder kann sich auf den anderen verlassen. Als damals das Haus des alten Göbler abgebrannt ist, haben alle zusammen geholfen beim Bau des neuen Hauses. Wirklich alle – sogar die Kinder. Wir sind etwa dreihundert Leute im Ort. Wer nicht mitgeholfen hätte, wäre aufgefallen.
Auch Ernst hat ordentlich zugepackt. Und er hat dem Göbler die Garage gezahlt, quasi ein kleines Geschenk unter Nachbarn. Mit dem Geld seines Vaters kann man natürlich sehr leicht Garagen für Nachbarn bauen.
Der Tod meines Vaters: Ein Schock. Ich habe nicht gewusst, dass er so verschuldet war. Lisa hat geweint, als wir beim Notar waren wegen dem Testament. Ihre Eltern haben uns dann ausgeholfen, wir stehen wohl ewig bei ihnen in der Kreide.
Sie scheinen das zu genießen, können uns herumkommandieren. Aber ich schlucke meinen Ärger runter, irgendwann ist auch das vorbei.
Mein Gehalt ist ganz ordentlich. Wir können uns ein angenehmes Leben damit leisten. Zudem geht Lisa halbtags arbeiten. Sie arbeitet als Buchhalterin in der Stadt. Ihr Gehalt überweisen wir immer an ihre Eltern zum abstottern der Schulden, meines reicht zum Leben völlig aus. Auch macht Jaqueline jetzt eine Lehre als Bürokauffrau, sie kann sich gut selbst versorgen. Zwar wohnt sie noch bei uns, aber sie zahlt ein bisschen Miete. Damit sie lernt, mit Geld umzugehen. Das ist wichtig für die Kinder, finde ich. Auch Teresa und Mario werden mal Miete zahlen müssen, wenn sie eigenes Geld verdienen und weiterhin in unserem Haus wohnen. Aber vielleicht wird Mario studieren, er ist wirklich gescheit, hat nur gute Noten in der Schule. Man sieht sehr früh, ob ein Kind gut genug für ein Studium sein wird oder nicht. Und Mario hat das Zeug dafür, da bin ich mir sicher. Er kann später Veterinärmedizin studieren. Er ist ja immer so lieb zu unserer Katze.
Wir fahren jedes Jahr für eine Woche auf Urlaub. Immer nach Lignano, da ist es wirklich schön. Wir brauchen das – ein bisschen Sonne und Strand und Erholung. Ich kenne Leute in unserem Ort, die noch nie auf Urlaub gefahren sind. Ich verstehe das nicht, denn nur, wenn man fortfährt, in eine neue und ungewohnte Umgebung kommt, kann man sich so richtig entspannen. Uns tut das jedenfalls immer sehr gut. Die Kinder genießen das Meer, auch Lisa ist im Urlaub viel gelöster. Wir sprechen mehr als sonst miteinander.
Mit Lisa war das so eine klassische Sache. Wir haben uns aus der Schule gekannt, sie war ein Jahr unter mir. Als ich vierzehn war sind wir miteinander gegangen, nicht ganz ein Jahr lang. Nach der Hauptschule war dann Funkstille, sie hat mit der Handelsakademie angefangen, in der Stadt. Und ich selbst habe meine Tischlerlehre gemacht. Sie hat Freunde gehabt, ich Freundinnen. Alles so, wie es sich gehört für Teenager. Und dann haben wir uns Jahre später wieder getroffen, bei der Sonnwendfeier in ihrem Ort. Sie war fast mit der Schule fertig, ich stand vor meiner Gesellenprüfung. Es war einfach die richtige Zeit, um es noch einmal miteinander zu probieren. Doch keine aufgewärmte Teenager-Liebe, sondern was Ernsthaftes. Es hat einfach gepasst.
Nach drei Jahren haben wir geheiratet, fünf Jahre später ist Jaqueline gekommen. Wir haben uns anfangs sehr bemüht, Kinder zu bekommen, aber es hat nicht geklappt. Dann haben wir unseren Kinderwunsch aufgegeben und plötzlich ist es doch noch passiert. Eigenartig, wie das Leben manchmal so spielt.
Vier Jahre nach Jaqueline kam dann Terese, dieses Mal schön nach Plan. Lisa wollte einfach noch ein Geschwisterchen für Jaqueline. Einzelkinder seien immer ein bisschen problematisch, sagte sie.
Ich bin ein Einzelkind.
Mario war dann die unverhoffte Draufgabe, als wir mit der Familienplanung eigentlich schon abgeschlossen hatten. Er ist jetzt acht, viel zu klug für sein Alter.
Ich weiß, als Vater dürfte man so etwas nicht sagen, aber irgendwie mag ich Mario ein bisschen mehr als die Mädels. Obwohl ich natürlich auch die Mädels sehr lieb habe und ich gerne ihr Vater bin. Doch Mario ist etwas ganz Besonderes, er wird sicher einmal zu einem wichtigen und bedeutenden Mann heranreifen. Das sehe ich in seinen Augen. Er ist immer so konzentriert, so ernsthaft und wissbegierig.
Ich frage mich manchmal, wie ich denn so einen klugen Jungen zustande bringen konnte, woher er diese Lernbegeisterung hat.
Und manchmal denke ich dann plötzlich an Ernst und mein Magen zieht sich zusammen, ich weiß nicht, warum.
Doch ich sollte mir nicht zu viele Gedanken machen. Mir geht es gut, es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Mein Leben ist wirklich in Ordnung. Ich habe einen verantwortungsvollen Job, bin in der Arbeit fast schon unentbehrlich. Das genieße ich. Ich habe eine wichtige Rolle auszufüllen, jetzt und in der Zukunft. Das können wohl nicht viele von sich behaupten, denke ich.
Und wenn ich mal alt bin, werde ich auf meiner Bank, die ich selbst getischlert habe, sitzen und eine Pfeife rauchen. Dabei werde ich an mein Leben zurückdenken und mir sagen, dass ich es wirklich gut gehabt habe.
#2
von sEweil (gelöscht)
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 14.09.2006 23:45von sEweil (gelöscht)
Hallo mein Molkito.
Ich habe sie gelesen, ja, ich habe sie gelesen, das lange Stück Geschichte.
Als Gesamteindruck muss ich sagen, dass mir deine Story gut gefällt.
Ums näher zu sagen:
Die Wendungen finde ich sehr komisch - das zufrieden sein, die Frage was einem fehlen sollte und dann gleich die Passage mit dem Tierarzt.
Auch jene mit dem Einzelkind.
Und am Ende die mit Ernst.
An einigen Stellen hätte ich einen Punkt gesetzt, anstatt eines Beistrichs.
Hier meine ich, dass es überqualifiziert heißen müsse. So lese ich das raus. Oder du nimmst unterfordert. (Mir liegt noch ein Vorschlag auf der Zunge, der beide toppen sollte, verdammt er fällt mir nicht ein )
Dass der gute Prot dann am Ende nochmal den Tierarzt erwähnt finde ich toll - Eltern, die ihre verpassten Träume auf ihre Kinder projizieren.
Die Sprache gefällt - die Einfachheit des Protagonisten wird klar - sein Einreden, dass alles okay wäre und dass er eine bedeutende Stelle beruflich inne hat.
Diese Passage am Anfang, die wohl ein jeder kennt, wird langsam zerpflückt und in Einzelheiten aufgegliedert, die zeigen, dass es dann doch nicht so einfach ist.
Hey, Thomas, warum schreibst du nicht an einem Buch? Das wäre eine Aufgabe und die Langatmigkeit könntest du sicher gut bewältigen, da bin ich sicher, oder tust du das gerade?
Gerne gelesen mein Molkito.
Lg Thomas der I
Ps: was ich vergessen habe: Soweit ich informiert bin kann man eine Erbschaft antreten, oder nicht. Insofern hätten sie nach Darlegung der Schulden auch absagen können. Oder irre ich? DON!
Ich habe sie gelesen, ja, ich habe sie gelesen, das lange Stück Geschichte.
Als Gesamteindruck muss ich sagen, dass mir deine Story gut gefällt.
Ums näher zu sagen:
Die Wendungen finde ich sehr komisch - das zufrieden sein, die Frage was einem fehlen sollte und dann gleich die Passage mit dem Tierarzt.
Auch jene mit dem Einzelkind.
Und am Ende die mit Ernst.
An einigen Stellen hätte ich einen Punkt gesetzt, anstatt eines Beistrichs.
Zitat: |
Anfangs war ich unterqualifiziert. Eine rein mechanische Tätigkeit. Zugegeben, man muss sehr genau und konzentriert arbeiten, so ein Finger ist schnell mal ab, aber im Grunde ist es immer das Gleiche. Erst, als ich Jahre später zum Sägemeister aufgestiegen bin, die Kontrolle über das ganze Sägewerk, oder sagen wir eher: die Sägeabteilung, übernommen habe, wurde es herausfordernd. Immerhin wurde ich Chef. Von acht Leuten. Das ist etwas. Darauf kann man stolz sein. |
Hier meine ich, dass es überqualifiziert heißen müsse. So lese ich das raus. Oder du nimmst unterfordert. (Mir liegt noch ein Vorschlag auf der Zunge, der beide toppen sollte, verdammt er fällt mir nicht ein )
Dass der gute Prot dann am Ende nochmal den Tierarzt erwähnt finde ich toll - Eltern, die ihre verpassten Träume auf ihre Kinder projizieren.
Die Sprache gefällt - die Einfachheit des Protagonisten wird klar - sein Einreden, dass alles okay wäre und dass er eine bedeutende Stelle beruflich inne hat.
Diese Passage am Anfang, die wohl ein jeder kennt, wird langsam zerpflückt und in Einzelheiten aufgegliedert, die zeigen, dass es dann doch nicht so einfach ist.
Hey, Thomas, warum schreibst du nicht an einem Buch? Das wäre eine Aufgabe und die Langatmigkeit könntest du sicher gut bewältigen, da bin ich sicher, oder tust du das gerade?
Gerne gelesen mein Molkito.
Lg Thomas der I
Ps: was ich vergessen habe: Soweit ich informiert bin kann man eine Erbschaft antreten, oder nicht. Insofern hätten sie nach Darlegung der Schulden auch absagen können. Oder irre ich? DON!
#3
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.09.2006 09:43von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Rod
Das klingt jetzt sicher etwas frech oder arrogant, such Dir das passende Adjektiv aus , aber ich habe die Geschichte nicht gelesen. Nein, stimmt nicht ganz, den ersten Abschnitt las ich und dachte mir: Weshalb soll ich über einen Mann lesen, bei dem alles in Ordung ist?
Will heissen, Du schaffst hier keine Erwartungshaltung, die den Leser neugierig macht. Das kann durchaus beabsichtigt sein und evtl. kommt da ja noch mehr, aber für mich muss bereits der 1. Satz in einer Geschichte phänomenal sein, und mich richtig *giggerig* machen, zu erfahren, worum's geht.
In einem Text kann es immer wieder Längen geben, die man dem Autor verzeiht, wenn ansonsten alles stimmt, aber das erste Kapitel, der erste Absatz, der erste Satz, sind immer entscheidend und müssen packen.
Nichts für ungut und liebe Grüsse
Margot
P.S. Da Du mal sagtest, Du würdest gerne Romane schreiben, ist obige Kritik bedenkenswert. Ein Lektor entscheidet meist nach den ersten paar Seiten, manchmal auch nur Abschnitten, ob er das Manuskript näher begutachten will.
Das klingt jetzt sicher etwas frech oder arrogant, such Dir das passende Adjektiv aus , aber ich habe die Geschichte nicht gelesen. Nein, stimmt nicht ganz, den ersten Abschnitt las ich und dachte mir: Weshalb soll ich über einen Mann lesen, bei dem alles in Ordung ist?
Will heissen, Du schaffst hier keine Erwartungshaltung, die den Leser neugierig macht. Das kann durchaus beabsichtigt sein und evtl. kommt da ja noch mehr, aber für mich muss bereits der 1. Satz in einer Geschichte phänomenal sein, und mich richtig *giggerig* machen, zu erfahren, worum's geht.
In einem Text kann es immer wieder Längen geben, die man dem Autor verzeiht, wenn ansonsten alles stimmt, aber das erste Kapitel, der erste Absatz, der erste Satz, sind immer entscheidend und müssen packen.
Nichts für ungut und liebe Grüsse
Margot
P.S. Da Du mal sagtest, Du würdest gerne Romane schreiben, ist obige Kritik bedenkenswert. Ein Lektor entscheidet meist nach den ersten paar Seiten, manchmal auch nur Abschnitten, ob er das Manuskript näher begutachten will.
#4
von Roderich (gelöscht)
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.09.2006 10:13von Roderich (gelöscht)
Hallo ihr zwei,
vielen Dank für eure Kritiken (nicht fürs Lesen ).
@ Margot: Hm ... warum man über einen Mann lesen soll, bei dem alles in Ordnung ist? Nun, weil bei ihm eben nichts in Ordnung ist.
Zugegeben, der Einstieg ist nicht unbedingt ein Reißer, aber der Text hier versteht sich auch gar nicht als Pageturner. Ich habe es hier keinesfalls auf eine mitreißende Geschichte angelegt, sondern auf eine eher psychologische Betrachtung eines Durchschnittsbürgers. Hier stehe ich vermutlich noch unter dem unmittelbaren Einfluss der Kurzgeschichten von Joyce Carol Oates, die ich gerade gelesen habe: Hier passiert manchmal auf 20 Seiten so gut wie gar nichts, alles scheint normal und alltäglich zu sein und doch kann man die Ängste, die darunter liegen, gut versteckt, erahnen. Und um genau diese Ängste geht es.
Ich habe festgestellt, dass mir derartige Einblicke in das Seelenleben der Protagonisten mehr liegen als ein spannungsgeladener Plot. Ich entferne mich damit zwar von den klassischen Kurzgeschichten und habe es damit auch zunehmend schwerer, die Leser richtig zu packen, aber damit kann ich ganz gut leben, da sich ein Text in erster Linie mal für mich selbst richtig anfühlen muss.
Ich traue mir zu, jederzeit eine spannende Geschichte in die Tastatur klopfen zu können, aber das macht mir einfach nicht wirklich Spaß, das ist nicht das, was ich will. Ich sage nicht, dass es nicht herausfordernd wäre - einen guten Spannungsbogen aufbauen ist eine extrem heikle Sache, aber es interessiert mich einfach nicht so sehr wie das Herumkramen in den Köpfen normaler Menschen. Auch, wenn darunter vielleicht die Lesbarkeit leidet.
Was dein PS betrifft, so kann ich dich beruhigen. Ich würde zwar gerne irgendwann einmal einen Roman schreiben, bin aber im Moment noch soweit davon entfernt wie von einer Reise zum Mond. Und einen Roman würde ich natürlich auch ein wenig anders anlegen - denn 300 Seiten Reflexionen über den Protagonisten machen noch keinen Roman, das ist mir bewusst.
@ sEweil: Vielen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit meinem Text.
Was deinen Einwand betrifft, dass du es etwas seltsam findest, dass es dem Protagonisten an nichts fehlt und dennoch redet er dann davon, dass er gerne Tierarzt geworden wäre: Damit wollte ich verdeutlichen, dass es eben doch an etwas fehlt, dass der Protagonist mit seinem Leben im Grunde überhaupt nicht zufrieden ist, dass er sich das aber bloß nicht eingestehen möchte. Und so belügt er sich selbst aus Angst davor, mit der Wahrheit konfrontiert zu werden. Denn wenn er sich eingestehen würde, dass er versagt hat, was die Verwirklichung seiner Träume und Wünsche betrifft, dann ist die nächste Frage: Und was mache ich jetzt noch hier, wenn alles aus dem Ruder gelaufen ist? Und das ist eine verdammt problematische Frage, die man sich lieber nicht stellt.
Was das Einzelkind betrifft: Hier zeigt sich, dass die Ehefrau ihm gegenüber keinen Respekt hat, dass sie ihn gering schätzt, obwohl er sich wieder etwas anderes einredet. Im Unterbewusstsein hat er längst begriffen, dass seine Ehe genau so aus dem Ruder gelaufen ist wie seine Wünsche und Träume, die er einst hatte, aber er will sich das nicht eingestehen.
Und die Sache mit Ernst: Auch hier erkennt er im Unterbewusstsein, dass Ernst längst eine wichtigere Rolle in seinem Leben spielt als ihm lieb ist. Dass er eventuell sogar der leibliche Vater seines jüngsten Sohnes sein könnte. Aber er verschließt die Augen vor einer möglicherweise schon langjährigen Affäre seiner Frau, um das Kartenhaus, das er sich aufgebaut hat, nicht zum Einsturz zu bringen. Daher auch der Titel "Alles unter Kontrolle": Das ist im Grunde nichts weiter als eine sinnentleerte Formel, die er selbst wieder und wieder beschwört in der Hoffnung darauf, dass doch irgendwann wieder alles in Ordnung sein wird (so ist auch der letzte Absatz zu lesen). Er fühlt, dass er im Moment eigentlich gar nichts so richtig unter Kontrolle hat, aber das kann er sich selbst nicht eingestehen.
Unterqualifiziert: Klarer Fehler meinerseits. War wohl gedanklich wirklich irgendwo zwischen "überqualifiziert" und "unterfordert" und dann ist da so ein blöder Mischmasch rausgekommen. Werde ich gleich ausbessern, danke dir!
Was die Erbschaft betrifft, so bin ich mir da jetzt selbst nicht ganz sicher. Vor Jahren habe ich ein wenig Erbschaftsrecht auf der Uni durchgemacht, da haben wir das sicherlich durchgenommen, aber kann sein, dass mir mein Gedächtnis in diesem Fall einen Streich spielt und die Sache doch anders ist, als ich es in Erinnerung habe. Müsste ich mal nachblättern.
Betreffend Buch: Siehe meine Antwort zu Margots Kommentar. Ein Roman kommt in der nächsten Zeit für mich wohl nicht in Frage. Was mir aber schon vorschwebt, ist eine Kurzgeschichtensammlung. Allerdings habe ich noch nicht genug Material zusammen. Ich habe zwei, drei größere Dinge im Kopf, die sich aber noch nicht so recht auf Papier bannen lassen. Wenn ich diese aber mal fertig haben und diese auch lesbar sein sollten, dann werde ich mich wohl mal ein wenig umschauen gehen, obwohl es für Kurzgeschichten natürlich verdammt schwierig ist, einen Markt zu finden bzw. einen Verleger. Ich bin aber nicht so unbedingt scharf auf eine Veröffentlichung. Irgendwann wäre es sicher mal nett, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, aber ich bin ja noch jung und dumm - ich kann warten. Und wenn es auch nichts mit einer Veröffentlichung wirkt, ist's auch kein Drama, denn ich schreibe primär für mich selbst, als Entspannungsübung, um meiner Kreativität freien Lauf zu lassen, auch, um die Menschen besser kennenzulernen, aber nicht, um einer anonymen Leserschaft zu gefallen. Gut, im Forum möchte ich schon gefallen, denn da ist die Leserschaft zumindest zu einem gewissen Grad aus der Anonymität hervorgetreten - aber das ist eine andere Geschichte.
Genug geschwafelt. Vielen Dank noch mal für eure Anmerkungen.
Viele Grüße
Thomas
vielen Dank für eure Kritiken (nicht fürs Lesen ).
@ Margot: Hm ... warum man über einen Mann lesen soll, bei dem alles in Ordnung ist? Nun, weil bei ihm eben nichts in Ordnung ist.
Zugegeben, der Einstieg ist nicht unbedingt ein Reißer, aber der Text hier versteht sich auch gar nicht als Pageturner. Ich habe es hier keinesfalls auf eine mitreißende Geschichte angelegt, sondern auf eine eher psychologische Betrachtung eines Durchschnittsbürgers. Hier stehe ich vermutlich noch unter dem unmittelbaren Einfluss der Kurzgeschichten von Joyce Carol Oates, die ich gerade gelesen habe: Hier passiert manchmal auf 20 Seiten so gut wie gar nichts, alles scheint normal und alltäglich zu sein und doch kann man die Ängste, die darunter liegen, gut versteckt, erahnen. Und um genau diese Ängste geht es.
Ich habe festgestellt, dass mir derartige Einblicke in das Seelenleben der Protagonisten mehr liegen als ein spannungsgeladener Plot. Ich entferne mich damit zwar von den klassischen Kurzgeschichten und habe es damit auch zunehmend schwerer, die Leser richtig zu packen, aber damit kann ich ganz gut leben, da sich ein Text in erster Linie mal für mich selbst richtig anfühlen muss.
Ich traue mir zu, jederzeit eine spannende Geschichte in die Tastatur klopfen zu können, aber das macht mir einfach nicht wirklich Spaß, das ist nicht das, was ich will. Ich sage nicht, dass es nicht herausfordernd wäre - einen guten Spannungsbogen aufbauen ist eine extrem heikle Sache, aber es interessiert mich einfach nicht so sehr wie das Herumkramen in den Köpfen normaler Menschen. Auch, wenn darunter vielleicht die Lesbarkeit leidet.
Was dein PS betrifft, so kann ich dich beruhigen. Ich würde zwar gerne irgendwann einmal einen Roman schreiben, bin aber im Moment noch soweit davon entfernt wie von einer Reise zum Mond. Und einen Roman würde ich natürlich auch ein wenig anders anlegen - denn 300 Seiten Reflexionen über den Protagonisten machen noch keinen Roman, das ist mir bewusst.
@ sEweil: Vielen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit meinem Text.
Was deinen Einwand betrifft, dass du es etwas seltsam findest, dass es dem Protagonisten an nichts fehlt und dennoch redet er dann davon, dass er gerne Tierarzt geworden wäre: Damit wollte ich verdeutlichen, dass es eben doch an etwas fehlt, dass der Protagonist mit seinem Leben im Grunde überhaupt nicht zufrieden ist, dass er sich das aber bloß nicht eingestehen möchte. Und so belügt er sich selbst aus Angst davor, mit der Wahrheit konfrontiert zu werden. Denn wenn er sich eingestehen würde, dass er versagt hat, was die Verwirklichung seiner Träume und Wünsche betrifft, dann ist die nächste Frage: Und was mache ich jetzt noch hier, wenn alles aus dem Ruder gelaufen ist? Und das ist eine verdammt problematische Frage, die man sich lieber nicht stellt.
Was das Einzelkind betrifft: Hier zeigt sich, dass die Ehefrau ihm gegenüber keinen Respekt hat, dass sie ihn gering schätzt, obwohl er sich wieder etwas anderes einredet. Im Unterbewusstsein hat er längst begriffen, dass seine Ehe genau so aus dem Ruder gelaufen ist wie seine Wünsche und Träume, die er einst hatte, aber er will sich das nicht eingestehen.
Und die Sache mit Ernst: Auch hier erkennt er im Unterbewusstsein, dass Ernst längst eine wichtigere Rolle in seinem Leben spielt als ihm lieb ist. Dass er eventuell sogar der leibliche Vater seines jüngsten Sohnes sein könnte. Aber er verschließt die Augen vor einer möglicherweise schon langjährigen Affäre seiner Frau, um das Kartenhaus, das er sich aufgebaut hat, nicht zum Einsturz zu bringen. Daher auch der Titel "Alles unter Kontrolle": Das ist im Grunde nichts weiter als eine sinnentleerte Formel, die er selbst wieder und wieder beschwört in der Hoffnung darauf, dass doch irgendwann wieder alles in Ordnung sein wird (so ist auch der letzte Absatz zu lesen). Er fühlt, dass er im Moment eigentlich gar nichts so richtig unter Kontrolle hat, aber das kann er sich selbst nicht eingestehen.
Unterqualifiziert: Klarer Fehler meinerseits. War wohl gedanklich wirklich irgendwo zwischen "überqualifiziert" und "unterfordert" und dann ist da so ein blöder Mischmasch rausgekommen. Werde ich gleich ausbessern, danke dir!
Was die Erbschaft betrifft, so bin ich mir da jetzt selbst nicht ganz sicher. Vor Jahren habe ich ein wenig Erbschaftsrecht auf der Uni durchgemacht, da haben wir das sicherlich durchgenommen, aber kann sein, dass mir mein Gedächtnis in diesem Fall einen Streich spielt und die Sache doch anders ist, als ich es in Erinnerung habe. Müsste ich mal nachblättern.
Betreffend Buch: Siehe meine Antwort zu Margots Kommentar. Ein Roman kommt in der nächsten Zeit für mich wohl nicht in Frage. Was mir aber schon vorschwebt, ist eine Kurzgeschichtensammlung. Allerdings habe ich noch nicht genug Material zusammen. Ich habe zwei, drei größere Dinge im Kopf, die sich aber noch nicht so recht auf Papier bannen lassen. Wenn ich diese aber mal fertig haben und diese auch lesbar sein sollten, dann werde ich mich wohl mal ein wenig umschauen gehen, obwohl es für Kurzgeschichten natürlich verdammt schwierig ist, einen Markt zu finden bzw. einen Verleger. Ich bin aber nicht so unbedingt scharf auf eine Veröffentlichung. Irgendwann wäre es sicher mal nett, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, aber ich bin ja noch jung und dumm - ich kann warten. Und wenn es auch nichts mit einer Veröffentlichung wirkt, ist's auch kein Drama, denn ich schreibe primär für mich selbst, als Entspannungsübung, um meiner Kreativität freien Lauf zu lassen, auch, um die Menschen besser kennenzulernen, aber nicht, um einer anonymen Leserschaft zu gefallen. Gut, im Forum möchte ich schon gefallen, denn da ist die Leserschaft zumindest zu einem gewissen Grad aus der Anonymität hervorgetreten - aber das ist eine andere Geschichte.
Genug geschwafelt. Vielen Dank noch mal für eure Anmerkungen.
Viele Grüße
Thomas
#5
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.09.2006 11:15von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Rod
Ja, ok .... das verstehe ich natürlich. Es war ja auch nicht so gemeint, dass jede Geschichte ein Reisser mit "Bowowow" sein muss. Ich mag auch subtile Texte, wo man hinter das Alltägliche sieht und sich Abgründe auftun. Jedoch würde ich nie ein Buch lesen, das mich langweilt, nur mit dem Gedanken: Es muss doch noch was kommen ....! Dazu bin ich zu ungeduldig... aber ich bin ja nicht die Welt.
Doch auch wenn Du über den Durchschnittsbürger schreibst, der irgendwo ein paar Leichen im Keller hat, solltest Du dem Leser schon früh eine Ahnung geben, dass im weiteren Verlauf etwas passiert. Weil gerade dieses "Zuckerl" ihn weiterlesen lässt. Das können ganz winzige Hinweise sein.... zmB. Ich dachte immer, mein Leben sei in Ordnung .... Aha! - denkt da der Leser, da ist was im Busch, mal lesen, was denn nicht in Ordnung ist ....
Aber, wie gesagt, ist das nur meine Meinung und meine Art, an eine Geschichte heranzugehen. Mach einfach so, wie es für Dich passt.
Saletti
Margot
Ja, ok .... das verstehe ich natürlich. Es war ja auch nicht so gemeint, dass jede Geschichte ein Reisser mit "Bowowow" sein muss. Ich mag auch subtile Texte, wo man hinter das Alltägliche sieht und sich Abgründe auftun. Jedoch würde ich nie ein Buch lesen, das mich langweilt, nur mit dem Gedanken: Es muss doch noch was kommen ....! Dazu bin ich zu ungeduldig... aber ich bin ja nicht die Welt.
Doch auch wenn Du über den Durchschnittsbürger schreibst, der irgendwo ein paar Leichen im Keller hat, solltest Du dem Leser schon früh eine Ahnung geben, dass im weiteren Verlauf etwas passiert. Weil gerade dieses "Zuckerl" ihn weiterlesen lässt. Das können ganz winzige Hinweise sein.... zmB. Ich dachte immer, mein Leben sei in Ordnung .... Aha! - denkt da der Leser, da ist was im Busch, mal lesen, was denn nicht in Ordnung ist ....
Aber, wie gesagt, ist das nur meine Meinung und meine Art, an eine Geschichte heranzugehen. Mach einfach so, wie es für Dich passt.
Saletti
Margot
#6
von sEweil (gelöscht)
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.09.2006 11:52von sEweil (gelöscht)
Zitat: |
Was deinen Einwand betrifft, dass du es etwas seltsam findest, dass es dem Protagonisten an nichts fehlt und dennoch redet er dann davon, dass er gerne Tierarzt geworden wäre: Damit wollte ich verdeutlichen, dass es eben doch an etwas fehlt, dass der Protagonist mit seinem Leben im Grunde überhaupt nicht zufrieden ist, dass er sich das aber bloß nicht eingestehen möchte. Und so belügt er sich selbst aus Angst davor, mit der Wahrheit konfrontiert zu werden. Denn wenn er sich eingestehen würde, dass er versagt hat, was die Verwirklichung seiner Träume und Wünsche betrifft, dann ist die nächste Frage: Und was mache ich jetzt noch hier, wenn alles aus dem Ruder gelaufen ist? Und das ist eine verdammt problematische Frage, die man sich lieber nicht stellt. Was das Einzelkind betrifft: Hier zeigt sich, dass die Ehefrau ihm gegenüber keinen Respekt hat, dass sie ihn gering schätzt, obwohl er sich wieder etwas anderes einredet. Im Unterbewusstsein hat er längst begriffen, dass seine Ehe genau so aus dem Ruder gelaufen ist wie seine Wünsche und Träume, die er einst hatte, aber er will sich das nicht eingestehen. Und die Sache mit Ernst: Auch hier erkennt er im Unterbewusstsein, dass Ernst längst eine wichtigere Rolle in seinem Leben spielt als ihm lieb ist. Dass er eventuell sogar der leibliche Vater seines jüngsten Sohnes sein könnte. Aber er verschließt die Augen vor einer möglicherweise schon langjährigen Affäre seiner Frau, um das Kartenhaus, das er sich aufgebaut hat, nicht zum Einsturz zu bringen. Daher auch der Titel "Alles unter Kontrolle": Das ist im Grunde nichts weiter als eine sinnentleerte Formel, die er selbst wieder und wieder beschwört in der Hoffnung darauf, dass doch irgendwann wieder alles in Ordnung sein wird (so ist auch der letzte Absatz zu lesen). Er fühlt, dass er im Moment eigentlich gar nichts so richtig unter Kontrolle hat, aber das kann er sich selbst nicht eingestehen. |
Ja, so habe ich das auch verstanden - ich sollte etwas mehr ins Detail gehen und nicht alles so kurz abtun, im Glauben wir dächten das selbe.
@Marge: Man, bist du faul! *lach*
Nichts für ungut, aber das ist ein 5-zeiliger Absatz und bei dem denke ich mir schon, dass noch was kommen muss, alleine wie lieb vorstädtisch er das beschreibt.
Romane fangen auch nicht anders an.
Kurzgeschichten mit direktem Einstieg, ja. Aber ein Roman zieht sich die ersten 20 Seiten auch.
(Handke! - Nagut, der zieht sich über 150 Seiten.)
Lg Thomas
#7
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.09.2006 12:31von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Zitat: |
sEweil schrieb am 15.09.2006 11:52 Uhr: @Marge: Man, bist du faul! *lach* |
Ja, das ist wahr, dazu stehe ich. Alles, was mich nicht in den ersten Zeilen packt, klicke ich weg. Da übersieht man zwar zuweilen ganz tolle Texte, aber - berufsbedingt - muss ich schon so viel lesen, dass ich mir in der Freizeit dieses Vorgehen gönne. Wie bei allem, gibt's da Pro und Contra.
Und Romane, die ich lese, die fangen meist spannend an, sonst würde ich sie nämlich gar nicht kaufen.
#8
von Mattes • | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 15.09.2006 15:44von Mattes • | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ich habe es auch gelesen und ich fand es pissameisenlangweilig. Nicht hinter- oder untergründig, sondern einfach zum Auslaufen langweilig. Ein Normalarschloch in einem Normalarschlochleben mit Normalarschlochproblemen. Mannomann, Rod, kaum wirst du gelobt, läufst du hier gleichsam aus. Da ist ein Typ in einem Dorf, bei dem alles so läuft, wie bei 99% der Bevölkerung. Im Vordergrund. Und Ernst ist im Hintergrund. Über Ernst hören wir aber nichts, so gut wie nichts, obgleich Ernst so ziemlich das Einzige ist, was bei Hans Volk überhaupt von Interesse sein könnte, wenn es nicht so furchtbar ... gewöhnlich wäre.
Bah, versteh mich nicht falsch. Bei deinem flachen Hasen hast du es verstanden, aus einer Allerweltssituation das Besondere herauszuholen. Hier eindeutig nicht. Hier quält man sich bis zum Ende durch, wenn man wissen will, wohin der Autor denn nun will, weil man ja weiß, dass der das grundsätzlich kann. Er will aber nicht. Ich steige aus dem text aus, wie ich eingestiegen bin. Nein, da macht man es besser wie Marge und steigt nach ein paar Kaugummisätzen aus.
Nichts für ungut.
Mattes
Bah, versteh mich nicht falsch. Bei deinem flachen Hasen hast du es verstanden, aus einer Allerweltssituation das Besondere herauszuholen. Hier eindeutig nicht. Hier quält man sich bis zum Ende durch, wenn man wissen will, wohin der Autor denn nun will, weil man ja weiß, dass der das grundsätzlich kann. Er will aber nicht. Ich steige aus dem text aus, wie ich eingestiegen bin. Nein, da macht man es besser wie Marge und steigt nach ein paar Kaugummisätzen aus.
Nichts für ungut.
Mattes
#9
von Roderich (gelöscht)
Alles unter Kontrolle
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 30.09.2006 17:59von Roderich (gelöscht)
Hallo Mattes,
sorry für meine verspätete Antwort - war jetzt eine Zeit lang nicht mehr im Tümpel.
Vielleicht hat der zeitliche Abstand auch gut getan, da ich selbst ein wenig Distanz zu meinem Text bekommen habe und daher ein wenig objektiver an deine Kritik herangehen kann, die sicherlich nicht unberechtigt ist.
Natürlich wollte ich einen Text schreiben, der völlig alltäglich zu sein scheint und anhand dessen auch die Wunden, die uns der Alltag schlägt, beschreiben. Wahrscheinlich fehlt hier aber eine entscheidende Zutat, die den Leser bei Laune hält: Nämlich die Spannung. Der Protagonist könnte durchaus noch drastischer in seinen Handlungen werden, wenn ich mir das Ganze noch mal so durchlese.
Vielleicht komme ich demnächst mal zu einer Überarbeitung - ein paar Ideen schwirren schon wieder im Kopf herum.
Vielen Dank jedenfalls für dein Feedback.
Viele Grüße
Thomas
sorry für meine verspätete Antwort - war jetzt eine Zeit lang nicht mehr im Tümpel.
Vielleicht hat der zeitliche Abstand auch gut getan, da ich selbst ein wenig Distanz zu meinem Text bekommen habe und daher ein wenig objektiver an deine Kritik herangehen kann, die sicherlich nicht unberechtigt ist.
Natürlich wollte ich einen Text schreiben, der völlig alltäglich zu sein scheint und anhand dessen auch die Wunden, die uns der Alltag schlägt, beschreiben. Wahrscheinlich fehlt hier aber eine entscheidende Zutat, die den Leser bei Laune hält: Nämlich die Spannung. Der Protagonist könnte durchaus noch drastischer in seinen Handlungen werden, wenn ich mir das Ganze noch mal so durchlese.
Vielleicht komme ich demnächst mal zu einer Überarbeitung - ein paar Ideen schwirren schon wieder im Kopf herum.
Vielen Dank jedenfalls für dein Feedback.
Viele Grüße
Thomas
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