#1

An manchen Abenden

in Diverse 26.10.2006 22:46
von Fabian Probst (gelöscht)
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An manchen Abenden

Es dunkelt schon, der Mond wacht königlich
und grinst. Dir fallen gleich die Augen zu,
du gähnst, ich streich die Decke glatt für dich;
das muss ich immer tun, dann lächelst du.

Dein müdes Sein will mit den Träumen zieh’n;
ein letztes Halten noch und angesichts
der Stille sucht dein Blick mich kurz, bis ihn
ein Wimpernschlag hinüber trägt ins Nichts.

Ich mal mir aus wie bunt du es erhellst,
mit Unschuld Welten neu verfugen magst,
dir all die Wunder schaffst, in die du fällst
und so bedingungslos zu glauben wagst.

Dann seh’ ich mich in dir, dasselbe Kind,
das irgendwo in meinen Mauern wohnt.
Es pocht. Ich schrecke hoch. Novemberwind
schlägt an dein Fenster. Oben lacht der Mond.

--------

Der Satz "bis ihn ein Wimpernschlag hinüber trägt ins Nichte" ist sehr inspiriert von "Das Mädchen mit dem P."
Ich fand diese Formulierung damals so klasse und hatte dabei immer die Assoziation des Einschlafens.
Das ist daraus geworden.

Ob man "königlich" auf der letzten Silbe betonen kann, ist wohl fraglich, aber ich finde es denkbar.

Gruß, Fabian

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#2

An manchen Abenden

in Diverse 28.10.2006 01:38
von Roderich (gelöscht)
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Hallo Fabian,

nur kurz, da ich mich gleich ins Bett hauen werde (aber das, was ich sagen will, muss ich unbedingt noch loswerden, denn sonst juckt es mich die ganze Nacht):

Ein wirklich großartiges Gedicht, wobei für mich Strophe 2 ein klitzeklein wenig gegenüber den anderen Strophen abfällt, was an den Enjambements liegt, die hier nicht so gelungen sind wie in den anderen Strophen. Sonst aber ein perfektes Gedicht.

Und "königlich" finde ich schon in Ordnung, daran stört mich nichts. Andererseits hat mir Mattes unlängst mal wegen eines ähnlichen Reimes (Ablehnung) eins über die Rübe gezogen - insofern fragst du da lieber die Experten.

Viele Grüße und gute Nacht

Thomas

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#3

An manchen Abenden

in Diverse 28.10.2006 03:23
von Albert Lau (gelöscht)
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ja, herr probst, so königlich kann man sich fühlen, wenn man ein gelungenes gedicht liest. meine anerkennung haben sie, auch wenn diese vielleicht schönste phrase von jemand anderem stammen mag. besser gut geklaut, als schlecht ausgedacht. die anderen stehen dieser aber nur wenig nach, weder die zeilensprünge in strophe 2, noch das für meine begriffe korrekt betonte königlich können mein gefallen trüben. ob "königlich" nun die beste vokabel ist, ob das müde "sein" nicht etwas zu dicke ist, ob das kind nun unbedingt zu "glauben" wagen muss, wer wollte da nun tinte pissen?

ein schönes gedicht das und es stimmt mich wortlos, zufrieden für die nacht. handwerklich nicht nur sauber, sondern fein, sprachlich ungekünstelt, inhaltlich stringent. prima. besonders erquickend: simple reime. ganz simple reime. stört das jemanden? wohl eher im gegenteil.

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#4

An manchen Abenden

in Diverse 28.10.2006 10:32
von Fabian Probst (gelöscht)
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@Rod: Danke dir. Die Enjembements der zweiten Strophe sind schwierig, da hast du Recht. Jedenfalls was das Reimgefühl betrifft. Habe ich auch schon drüber nachgedacht, es aber doch so für gut befunden.
Aua, deine Arme Rübe. Ich weiß ja wie hart mattes zuschlagen kann.

@Albert: Vielen Dank auch an Sie. Freut mich, dass es sie wortlos stimmt.
Beim "müdes Sein" stand zuerst "Blick", den brauchte ich aber in der dritten Zeile. Dann fiel mir nichts besseres ein. War aber ein Punkt, über den ich auch nicht ganz so glücklich bin.
Das "glauben wagen" ist eine der wichtigsten Aussagen, denn es soll den Unterschied zwischen Kind- und Erwachsensein spiegeln.

Gruß, Fabian


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#5

An manchen Abenden

in Diverse 28.10.2006 12:22
von Albert Lau (gelöscht)
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Zitat:

Fabian Probst schrieb am 28.10.2006 10:32 Uhr:
Das "glauben wagen" ist eine der wichtigsten Aussagen, denn es soll den Unterschied zwischen Kind- und Erwachsensein spiegeln.



meinten sie es in der tat in einem religiösen sinne? ich habe damit meine schwierigkeiten, also nicht mit dem glauben, aber in diesem zusammenhang. spielen sie auf das urvertrauen an? hat das aber mit religion zu tun? ich bin mir nicht sicher und will es auch nicht über gebühr problematisieren, mir hätte hier ein "zu träumen wagen" besser gefallen. die träume in der ersten zeile der zweiten strophe ließen sich sicher ersetzen.

aber ich versichere ihnen, dass mir das gedicht deswegen nicht schlechter gefällt. es gefällt mir außerordentlich gut. sicher wollen sie aber mehr hören, als das.

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#6

An manchen Abenden

in Diverse 31.10.2006 13:27
von Fabian Probst (gelöscht)
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nein, ich meine das absolut nicht im religiösen Sinne.
Es geht um die Fähigkeit nicht alles zu analysieren und anzuzweifeln. Es geht um den Weihnachtsmann, um Zauberer und Hexen. Oder dass ihnen Süßigkeiten aus den Ohren wachsen.

Wenn sie Angst bekommen, dann erkläre ich ihnen, dass es keine Hexen gibt, aber trotzdem glauben sie daran. Und sie vertrauen mir ganz sicher. Wenn ich eine Handpuppe nehme, dann finden sie das ganz spannend, kuscheln mit ihr und erschrecken sich vor ihr. Ich sehe das gerade beim Kleinen, dass er für diese Augenblicke wirklich glaubt, dass diese Puppe ein eigenes Wesen ist, obwohl sie den Rest der Zeit im Zimmer herumliegt(aber ich sehe auch, dass das mit den Erfahrungen nachlässt, die sie sammeln). Er hat eine zeitlang immer gewollt, dass ich mit der Hand eine Schlange nachmache, die zischt und auf ihn zu kommt. Manchmal hat ihm das richtig Angst gemacht, aber dann wollte er sie sofort wieder sehen und hat gegrinst.

Solche Dinge.

Gruß, Fabian



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#7

An manchen Abenden

in Diverse 31.10.2006 14:01
von Albert Lau (gelöscht)
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da können sie mal sehen, wie verkopft ich bin. ja, klar jetzt, wunder(bar) erklärt.

mir war nicht deutlich genug, dass sich dieses glauben auf die wunder der vorangegangenen zeile bezieht. bedingungslos daran zu glauben wagst hätte es für mich blitzmerker vermutlich lauten müssen. nun denn, das nächste mal mit mehr geduld. danke für die erläuterung.

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