#1

Michael

in Mythologisches und Religiöses 19.02.2007 22:53
von Pseudonym (gelöscht)
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Michael


Wer nur durch den Spalt gesehen
Hat die Wahrheit nicht entdeckt
Wie der Fürst der Synagoge
Mit dem Schwerte Eva schreckt

Jenem Schwert, das vor Erschaffung
Dieser Welt das Böse rief
Stieß es doch den Widersacher
Trotz des Bannes nicht so tief

Als dass der nicht wiederkehrte
In das einst’ge Paradies
Und das saub’re Paar versuchte
Welches auserkoren hieß

Dessen Samen zu verbreiten
Der so edel, hilfreich, gut
Als das Böse triumphierte
Wallt im Spalter kalte Wut

Nur verführt und doch vertrieben
O wie klein war Euer Mut
Stoßt nur bald in die Posaune
Und erweckt die schwarze Flut
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#2

Michael

in Mythologisches und Religiöses 20.02.2007 09:29
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Pseudonym

Dein Gedicht kommt in vier Strophen zu je vier Reihen mit je vier Hebungen - wenn ich das richtig verstehe sind's Trochäen - daher.
Das Schema ist stramm und metrisch sauber in wechselnden Kadenzen durchgehalten.
Die Reime beschränken sich jeweils auf Z2 und Z4.
Soweit ist Dein Gedicht übersichtlich und klar strukturiert.
Der Titel heißt "Michael", und aus den biblischen Anklängen lese ich den Erzengel heraus.
Von diesem weiß ich, er gilt als der Vertreiber Satans aus dem Paradies, weiteres Wissen muss ich mir via Wikipedia hinzuerwerben (wenn es überhaupt für Deinen Text wichtig ist):
- er führt die Heerscharen Gottes gegen die Mächte des Bösen,
- Mittlertätigkeit zwischen Gott und den Menschen
- bläst Michael die Trompete zum Gericht Gottes über den sündigen Adam.
- hilft Seth bei der Beerdigung seiner Mutter Eva
- Hüter des Paradiestores

Was sagt Dein Text aus ?

"Wer nur durch den Spalt gesehen
Hat die Wahrheit nicht entdeckt
Wie der Fürst der Synagoge
Mit dem Schwerte Eva schreckt"

Nun, es werden zwei Behauptungen formuliert, die es doch zu überdenken gilt. Da hat jemand "nur durch einen Spalt gesehen" und deshalb "die Wahrheit nicht entdeckt". Stellen wir hintan, welche ominöse Wahrheit jenseits des Spaltes wartet, so wissen wir seit Oscar Maria Grafs "Bayrischem Dekameron", dass bereits der kleinste Spalt die ganze Wahrheit enthüllt und die juristische Verfolgung ermöglicht.
Die Wahrheit liegt laut dem Autor in diesem:
"Wie der Fürst der Synagoge
Mit dem Schwerte Eva schreckt"
Der Fürst der Synagoge, da kann es nur einen geben, also Jahwe und Michael wird wohl dessen Schwert sein. Damit wird Eva erschreckt. Eva wurde gewarnt und bestraft, wann wurde sie erschreckt ?
Ich kenne mich in den Schriften nicht gut genug aus, um einen Sinn zu implizieren. Kurzerhand, damit die Geschichte weitergeht, will ich mich darauf einlassen: der Schrecken liegt in der Warnung, aus dem Paradies vertrieben zu werden. Wenn ich dies mit den damaligen Zuständen abgleiche, muss ich erwägen: Eva kannte das Nicht-Paradies nicht, also war alle Drohung, aller Schrecken umsonst und nichtig.

Denn dem Menschen ist eigentümlich, dass erst die Verbrennung den Schrecken vor der Flamme erzeugt.

S2
"Jenem Schwert, das vor Erschaffung
Dieser Welt das Böse rief
Stieß es doch den Widersacher
Trotz des Bannes nicht so tief"

Interessanterweise beziehst Du eine zeitliche Abfolge mit ein. Michael (ich hoffe, das habe ich richtig bedeutet) erzeugt gleichsam, er "rief" das Böse indem er es nicht tief genug versenkte. Das ist eine sehr interessante These, die bei der Beschäftigung mit der Bibel, vor allem in Verbindung mit dem Christentum, schon die größten Geister beschäftigte: das Theodize.
Hier hat Michael möglicherweise schlampig gearbeitet, oder war entsprechend beauftragt, die Verantwortung für den Verbleib des Bösen wird auf sein Haupt gehäuft.

S3
"Als dass der nicht wiederkehrte
In das einst’ge Paradies
Und das saub’re Paar versuchte
Welches auserkoren hieß"
S4
"Dessen Samen zu verbreiten
Der so edel, hilfreich, gut
Als das Böse triumphierte
Wallt im Spalter kalte Wut"

S3, ja, da haben wir's. Aufgrund der handwerklichen Nachlässigkeit Michaels, bzw. weil es sich im Plan des Synagogenfürsten besser fügte, kehrt zurück: das Böse. Es versucht das saubere Paar (Jargon?) im einst'gen Paradies (zu den Elisionen will ich nichts weiter sagen als das sie in der Ballung unangenehm auffallen).
Der Satz zieht sich nach S4, so dass ich die Strophe mit S3 zusammen betrachten möchte. Störend sind die fehlenden Punkte und Kommata, sowie die stets großbeginnenden Zeilenanfänge, da hat sich jemand gescheut, den Regeln der Kunst entsprechend zu spalten ? Das ist natürlich ein ganz tolles Stilmittel. Da ich aber bereits gewohnt bin, das Stilblüten und -Myzele irgendeine Berechtigung haben, werde ich nichts weiter anführen.

Ich erfahre, dass dieses "saubere Pärchen" 1A Saatgut war, gräßlicherweise wird die Genqualität nach Goethe qualifiziert. Das kann natürlich nur Persiflage sein. Und

Halt. Das Paradies ist und bleibt ein Paradies. Das Pärchen wird verwiesen. Das Paradies ist m.W. nur nicht mehr zugänglich, weil die beiden verbotene Früchte naschten. Die Nicht-Zugänglichkeit wird vererbt.

Nun, jetzt tritt der "Spalter" auf: wer ist das ? Edgar Wallace - nein, anhand Titel, Schwert und Bösesrufen identifiziere ich: Michael.
Den überkömmt die kalte Wut - dazu kann ich nichts sagen, weil ich diesen Band der Fortsetzungen nicht gelesen habe.

Ja- und was beziehe ich nun aus diesem Gedicht?
Bin ich klüger (was ja nicht zu erwarten ist) als zuvor? Nein.
War ich durch Sprache fasziniert ? Tut mir leid.
Wie war der Unterhaltungswert ? Schluss mit der Spaßgesellschaft.
Interessant ist allenfalls, warum der Autor mit dem Begriff des "Bösen" hantiert.

Tut mir leid Pseudonym, das ist eine Kleinigkeit und weiter: Nichts.

Und meine persönliche Meinung dazu: Michael ist mir unsympathisch, er ist in meinen Augen nichts als ein saub'res "Bürschchen" und braucht als ausführender Domnestike nicht so zu tun, als ob er einen Grund hätte, wütend zu sein.
Aber: Nicht der Versucher, sondern der Synagogenchef ist das Arschloch, und zeichnet, genau betrachtet, für die ganze Chose verantwortlich.

Liebe Grüße

Ulrich
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