#1

Jugend

in Gesellschaft 10.04.2007 11:20
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Jugend

Heute du, morgen vielleicht ich?
Wir lieben und sterben Seite an Seite.
Seh ich dich, siehst du mich?
Für ein Brot, ein Bier, ein bisschen Wärme,
für die Kälte, Einsamkeit und Weite.

Du stirbst jeden Tag, Mutter, ein wenig mehr
und ich fliehe, weil ich leben will!
Ich bin allein, gehetzt, aber wenigstens nicht leer -
auch wenn das heißt zu frieren,
auch wenn wir treten im Dreck und wühlen im Müll.

Das ist so lang her, Mutter, du stirbst noch immer -
Ich habe das Leben gesucht und gefunden,
einen Fetzen nur, vielleicht einen Schimmer
und solang ich kann, will ich es halten:
Ich bin immer gerannt, obwohl ich fest gebunden.

And therefore, since I cannot prove a lover,
To entertain these fair well-spoken days,
I am determined to prove a villain
And hate the idle pleasures of these days.
(William Shakespeare, King Richard III)
Www.kings-heritage.blogspot.com
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#2

Jugend

in Gesellschaft 13.04.2007 10:43
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Das ist eines von den Gedichten, wo einzelne Stellen bei mir Klick machen und ich etwas Vertrauen schöpfe das Ganze zu begreifen, aber dann doch scheitere. Wobei erschwerend hinzu kommt, dass ich das Wort Mutter immer mit übertriebenem Pathos in der Stimme höre und ich mich zwingen muß, es normal auszusprechen.

Wir lieben und sterben Seite an Seite
ich bin allein, gehetzt, aber wenigstens nicht leer -
Das ist so lang her, [...], du stirbst noch immer -

Das sind die Klicks. Bei der mittleren, der zitierten Stellen, gefällt mir die Auflösung: wenigstens nicht leer. Irgendwie baute sich durch allein und gehetzt bei mir eine Erwartungshaltung auf, die zum Glück nicht befriedigt wurde.

Aber z.B.

auch wenn wir treten im Dreck und wühlen im Müll.

hört sich ziemlich rumplig und gewollt an.
oder
und ich fliehe, weil ich leben will!

Spätestens am Ausrufezeichen verschlucke ich mich. Fliehe weil ich leben will, das klingt - vielleicht ist es das gar nicht - für mich so abgedroschen, daß ich mich an dieser Stelle fragte, ob Richard III einen Schabernack mit dem doofen Volk treibt?

Nein vor dieser Jugend stehe ich ratlos und anscheinend allein da. Ich begreife das Gedicht nicht, frage mich ob es ein Spiel ist, oder so ernst, daß der Dichter nicht die Traute hatte, das Thema noch näher an sich ranzulassen, um ihm sprachlich besser begegnen zu können?

Vielleicht sollte ich mich auch erstmal abfüllen, um nicht mehr so leer zu sein. Wenn ich derart gefüllt bin, friert es mich auch leichter, aber ich glaube nicht, dass dieses Frieren vom Autor intendiert war.
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#3

Jugend

in Gesellschaft 13.04.2007 15:59
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Wenn ich nicht wüsste, so würde ich denken, doch eigentlich weiß ichs nicht und so denk ichs gar nicht erst...

Tatsächlich ist es kein Scherz, allerdings ebensowenig purer Ernst, zumindest was das Handwerk anbelangt. Inhaltlich sieht es da anders aus. Es scheint, du hast schon recht, mit dem, was du mir schriebst: Es will nicht nah heran und tut es gleichsam doch.
Das Dichten selbst fällt mir schwer, ist etwas zu fern und doch zu nah. Ich müsste es heranholen, um es genial umzusetzen, aber hält mein Verstand das aus? Ich lies es also und gebe euch schlechteres als Mittelmaß, um zu beweisen, dass ich mich für eine Zeitlang beteiligen möchte und nicht nur dumme Sprüche reissen.

Das kommt dabei raus: 2-Minuten Seelenkotze
Ich habe es trotzdem gern, außer der einen Stelle mit dem Müll, da stimme ich dir zu und danke für deine Kritik. Ich überlege mir etwas.
Dass du allerdings ratlos davor stehst, verstehe ich nicht.
Was das abgedroschen angeht, kann ich nur eins sagen. Meiner Erfahrung nach ist genau dies das Leben: Verdammt abgedroschen. ISt dir noch nie aufgefallen, dass das Leben voller dämlicher Klischees ist, dass es eigentlich ein einziges Großes ist? Deshalb will diese Klischees auch niemand hören - es zeigt nur zu schonungslos die eigene schmerzvolle Mittelmässigkeit.

Lieben Gruß
R.

And therefore, since I cannot prove a lover,
To entertain these fair well-spoken days,
I am determined to prove a villain
And hate the idle pleasures of these days.
(William Shakespeare, King Richard III)
Www.kings-heritage.blogspot.com
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#4

Jugend

in Gesellschaft 14.04.2007 15:10
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Was das abgedroschen angeht, kann ich nur eins sagen. Meiner Erfahrung nach ist genau dies das Leben: Verdammt abgedroschen. ISt dir noch nie aufgefallen, dass das Leben voller dämlicher Klischees ist, dass es eigentlich ein einziges Großes ist? Deshalb will diese Klischees auch niemand hören - es zeigt nur zu schonungslos die eigene schmerzvolle Mittelmässigkeit.

Weia, ist da jemand mies drauf? Zappa, ich glaube der war es, hat mal gesagt, dass die Warheit verrückter als Scheiße sei. Den Spruch finde ich eigentlich nicht übel.
Ich selber denke mit Sicherheit in zu vielen Klischees. Ganz bestimmt. Aber das ganze Leben nur Klischee? Ich selber stehe meist wie ein Vollpfosten da oder bin gerade gegen selbigen gelaufen, vielleicht jetzt, weil ich denke, ich würde das Leben langsam kennen. Kennen tue ich aber nur zuviele Klischees über das Leben. So stellt sich das mir in meinem Film und Drehbuch dar. Ich könnte jetzt Primel und Imanuel anrufen und sie bitten uns über Sinn und Unsinn an sich zu reflektieren.
Recht hast Du mit der eigenen Mittelmäßigkeit. An der verhebe ich mich auch des öfteren und lande doch wieder nur auf meinem Arsch. OK. Geschenkt.

Und jetzt zu etwas ganz anderem: Wieso ist das so klar, was da in Jugend geschrieben ist? Da drängt sich mir ganz vieles auf. Trennung, Flucht vor der Mutter, vor dem Elternhaus. Vielleicht, weil man nicht mit ansehen kann wie die Mutter stirbt? Oder flieht da ein LI vor dem eigenen Alter - symbolisiert durch die Mutter? Und das geht natürlich nicht. Das holt immer wieder ein.

Tja, du siehst ein dummes Brot sich an der Rübe kratzen. Aber lass gut sein, lass ihn raten, irgendwann komm ich drauf. Ich denk da an eine Dame, die rief immer George zum Brot. Immer wieder. Und der fragte sich wie blöd: Was will die Olle bloß mit George? Erst als die Dame ging, da fiel ihm ein: Ach, Elisabeth!

In diesem Sinne ein schöneres Loch im Hemde.

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