#1

Stadtalltag

in Zwischenwelten 12.04.2007 05:23
von Niccccca (gelöscht)
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Zu müde, um ihre Augen schon zu öffnen, regt sie sich in den engen Wirren des beginnenden Tages. Man sieht sie unwillig gähnen, während Dampf aus den Kanaldeckeln zischt. Eine frische Brise und die Müllabfuhr verdecken die Ausuferungen der vergangenen Nacht. Noch erhellen die grieseligen, schwarz-weißen Mattscheiben, die sie während des Schlafes streichelten, ihr Antlitz. Später der milchige Himmel, der in dieser Jahreszeit seine Farbe meist verliert. Sie ist heut’ müßig und unwillig, bekommt kaum einen Bissen hinunter, sie ist blass.
Stahl pflastert morgens die Wege, aufgefädelt in Ketten. Ruckend geschluckt von Hoch- und Parkhäusern wie Altmetall von Lichtbogenöfen. Korrosion nagt an der Stadt, an den Brücken und Türmen, den Köpfen und Körpern in Fabriken und Büros. Erst im Ausklang klingt die stampfende Melodie der Industrieoper beschwingt wie ein Wiener Walzer, wenn man dann noch hören mag - oder kann. Eine alte Frau am Kiosk durchbricht den Takt gelassen mit ihrer Tasse schwarzen Tees und der Gauloises. Rasch bremst ein Lieferwagen die Überlegung. Er bringt bourgeoise Blätter, die die Gegenwart schreiben. Nicht unähnlich dem Lesen der Zukunft aus Kaffeesätzen. Sie winkt dem Fahrer noch kurz nach, dann entschwindet er in dichten Straßen.
Vom Verkehr verschreckt flattert das Boulevardblatt hektisch gen Süden, sucht die gedankenlose Geselligkeit von Tupperparties, statt der Kühle urbaner Analysen, ohnehin mit Lücken, wie die Rhythmen der verrauchten Züge, wenn eine U-Bahn ausfällig wird.
Das ist ihr Weg. Ihr Weg dem brachialen Tempo Einhalt zu gebieten, es verträumt hinauszuzögern und den Irrwegen Sinnigkeit zu geben, das sanfte Vibrieren des Asphalts zu genießen. Vergebens, die Regie ist unersättlich und das Drehbuch steht fest im Fundament. Instandsetzung, Rationalisierung, Verdrängung der Tramata.
Gläsern spiegeln die Fassaden Psychiatrien erkalteter Städte. Sie sind Linsen der Zerstreuung, die von der Ansammlung unterschwelliger Botschaften im urbanen Flimmerkasten entlasten, bevor man selbst sie reflektiert. Doch der Dioptriewert der Stadtgestalt verwischt nur den Charakter der Handlung.


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Gläsern spiegeln die Fassaden Psychiatrien eisiger Städte. Sie sind Linsen der Zerstreuung, die von der Ansammlung unterschwelliger Botschaften im urbanen Flimmerkasten entlasten, bevor man selbst sie reflektiert. Doch der Dioptriewert der Stadtgestalt verwischt nur den Charakter der Handlung.
Zu müde, um sie schon zu öffnen, regt sie sich in den engen Wirren des beginnenden Tages. Man sieht sie unwillig gähnen, während Dampf aus den Kanaldeckeln zischt. Eine frische Brise und die Müllabfuhr verdecken die Ausuferungen der vergangenen Nacht. Noch erhellen die grieseligen, schwarz-weißen Mattscheiben, die sie während des Schlafes streichelten, ihr Antlitz. Später der milchige Himmel, der in dieser Jahreszeit seine Farbe meist verliert. Sie ist heut’ müßig und unwillig, bekommt kaum einen Bissen hinunter, sie ist blass.
Stahl pflastert morgens die Wege, aufgefädelt in Ketten. Ruckend geschluckt von Hoch- und Parkhäusern wie Altmetall von Lichtbogenöfen. Korrosion nagt an der Stadt, an den Brücken und Türmen, den Köpfen und Körpern in Fabriken und Büros. Erst im Ausklang klingt die stampfende Melodie der Industrieoper beschwingt wie ein Wiener Walzer, wenn man dann noch hören mag - oder kann. Eine alte Frau am Kiosk durchbricht den Takt gelassen mit ihrer Tasse schwarzen Tees und der Gauloises. Rasch bremst ein Lieferwagen die Überlegung. Er bringt bourgeoise Blätter, die die Gegenwart schreiben. Nicht unähnlich dem Lesen der Zukunft aus Kaffeesätzen. Sie winkt dem Fahrer noch kurz nach, dann entschwindet er in dichten Straßen.
Vom Verkehr verschreckt flattert das Boulevardblatt hektisch gen Süden, sucht die gedankenlose Geselligkeit von Tupperparties, statt der Kühle urbaner Analysen, ohnehin mit Lücken, wie die Rhythmen der verrauchten Züge, wenn eine U-Bahn ausfällig wird.
Das ist ihr Weg. Ihr Weg dem brachialen Tempo Einhalt zu gebieten, es verträumt hinauszuzögern und den Irrwegen Sinnigkeit zu geben, das sanfte Vibrieren des Asphalts zu genießen. Vergebens, die Regie ist unersättlich und das Drehbuch steht fest im Fundament. Instandsetzung, Rationalisierung, Verdrängung der Tramata.
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#2

Stadtalltag

in Zwischenwelten 13.04.2007 11:19
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hallo Niccccca,


Zitat:

Gläsern spiegeln die Fassaden Psychiatrien eisiger Städte. Sie sind Linsen der Zerstreuung, die von der Ansammlung unterschwelliger Botschaften im urbanen Flimmerkasten entlasten, bevor man selbst sie reflektiert. Doch der Dioptriewert der Stadtgestalt verwischt nur den Charakter der Handlung.



Ich stelle mal die freche Behauptung auf, dass schon der erste Satz die Reihen der Leser gelichtet hat. Und spätestens am Ende meines Zitats, war es bestimmt sehr leer geworden im Lesesaal.

Das ist schade. Es ist ja nicht so, dass ich nicht merken würde, dass Du anscheind Spaß daran hast Wortgebilde und Doppelbödigkeiten zu schaffen, mit Sprache zu spielen. Mir passiert es sehr oft, dass ich ganz beeindruckt von meinem Wortgebräu bin, dass ich gar nicht mehr merke, daß die Soße nur noch dick und klumpig geworden ist und wenn überhaupt nur noch für den Autoren selbst genießbar.

Interessant finde ich, und unterstelle einfach mal, dass Du selbst erst später beim Schreiben einen Rhythmus fandest, der tragfähiger wäre. Hier :


Zitat:

Eine alte Frau am Kiosk durchbricht den Takt gelassen mit ihrer Tasse schwarzen Tees und der Gauloises. Rasch bremst ein Lieferwagen die Überlegung. Er bringt bourgeoise Blätter, die die Gegenwart schreiben. Nicht unähnlich dem Lesen der Zukunft aus Kaffeesätzen. Sie winkt dem Fahrer noch kurz nach, dann entschwindet er in dichten Straßen.



Diese Stelle ist weit weniger besessen davon adjektive und Umschreibungen zu finden. Ich reagiere als Leser - als Schreiberling kann ich es leider auch nicht lassen - verstimmt, wenn ich mit der Brechstange gezwungen werde mir über die Dioptriewerte gläserner Fassaden Gedanken zu machen. Nö. Da rauche ich lieber gelassen eine Gauloises und wink dem LKW Fahrer hinterher.

Vielleicht hättest Du den Text mit der Kioskszene anfangen lassen sollen und nicht gleich so schmetternd und eben doch auch abgegriffen wie: eisige Stadt.
Ich denke es ging Dir auch darum das Erwachen der Stadt quasi symphonisch zu beschreiben. Ob das durch einen haufen Adjektive und Stahlpflaster zu machen ist, wage ich zu bezweifeln. Die Kunst liegt glaube ich in der Reduktion. Mit ganz wenigen Strichen ein ganzes Bild malen.

Und wenn Du Dich vielleicht fragst, warum ich inhaltlich nicht so viel sagen, dann deswegen, weil der Text so dermaßen aufgeladen ist, daß es mir schlicht gesagt zuviel der Gedanken und Überlegungen sind, die unterschwellig hier mitdröhnen und ich befürchte, dass selbst wenn ich all diesen Gedanken nachginge, so viel nicht übrig bleibt und der Text nicht einlöst was er vorgibt.
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#3

Stadtalltag

in Zwischenwelten 13.04.2007 16:31
von Niccccca (gelöscht)
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hallo brotnic2um,

ich danke dir für deine antwort # ich denke, du hast recht, dass viele sehr schnell abschalten, weil es nicht einfach geschrieben ist bzw sehr verdichtet # man muss vielleicht wirklich über jeden satz nachdenken, aber mancher kann sich am anfang noch nicht ganz erschließen # der erste ist eine abwandlung eines haiku, den ich irgendwann mal schrieb, ihn hier aber passend fand, um mit einem paukenschlag zu beginnen, der erstmal nur die sinne schärfen sollte # der erste absatz, den du zitierst, ist in etwa ein hinweis worauf ich hinaus will # auch deswegen ist er womöglich komplizierter als der ganze rest, denn ich finde schon, dass es ab anfang zweiter absatz nicht mehr so schwer zu verstehen ist persönlich mag ich als leser auch eher einfache texte # es könnte eine gute idee sein, den ersten abschnitt ans ende zu setzen, dann müsste ich aber den anfang des zweiten umschreiben und "augen" erwähnen # ich mache das jetzt mal, vielleicht magst du sie dann nochmal lesen # "eisig" ist vermutlich wirklich sehr oft benutzt worden, aber da ich den gesamten text im gefühlten winter spielen lasse, fand ich das nicht unbrauchbar # am ende macht mir das adjektiv, die ich nun mal gern benutze hehe, aber keinen sinn mehr, ich ändere es ein wenig abschwächend # mit der kioskszene kann ich es nicht beginnen lassen, weil die eine folge der vorigen aussagen ist
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#4

Stadtalltag

in Zwischenwelten 14.04.2007 15:20
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hallo Niccccca.

Erstmal Hut ab, dass Du gleich probierst und versucht zu ändern, zu experimentieren. Leider habe ich jetzt nicht so viel Lust und Laune Textarbeit zu leisten. Ich gelobe aber Besserung und werde mich in Kürze an Deinem Text wieder versuchen. Aber nochmal: Ich finds klasse, dass Du gleich diese Distanz zu Deinem eigenen Text mitbringst. Bewahr Dir das. Mir fällt das schwer. Später mehr.
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#5

Stadtalltag

in Zwischenwelten 16.04.2007 09:29
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
hallo Ni5ca

die Umstellung halte ich auch für Vorteilhafter.
ich pflück mir mal noch einiges raus, was mich am heftigsten störte:

bei "Verdrängung der Traumata" hast du ein "u" vergessen.

Erst im Ausklang klingt die stampfende Melodie der Industrieoper beschwingt wie ein Wiener Walzer
klang-kling? das klingt aber überhaupt nicht gut. hier würde ich eher schreiben: "im Ausklang wirkt".

Gläsern spiegeln die Fassaden Psychiatrien erkalteter Städte.
hier halte ich die Mehrzahl von "Stadt" für problematisch. eine Fassade kann e i n e Stadt spiegeln, klar. aber mehrere? und dann auch noch gezielt die Klapsmühlen daraus? wie soll ich da meinen urbanen Flimmerkasten entstehen lassen? an solchen Stellen verlässt mich der Text.

dieser Satz gefält mir aber ausnehmend gut: Stahl pflastert morgens die Wege, aufgefädelt in Ketten. Ruckend geschluckt von Hoch- und Parkhäusern wie Altmetall von Lichtbogenöfen.
(nach "Ketten" vielleicht lieber ein Komma?) die Blechlawine ist hier sehr anschaulich beschrieben. und da ich diese heiße Öfen mit den überdimensionalen Brennstäben aus Graphit auch schon selber gefüttert habe (in einer Gießerei), wirkt es sofort, und ich sehe ihn wieder, den Schmelzprozess und die faszinierenden Lichtbögen, die in stetiger Bewegung sperrige Altmetalle zerkleinern, verflüssigen und verschwinden lassen.

Gruß
Alcedo


e-Gut
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#6

Stadtalltag

in Zwischenwelten 16.04.2007 11:28
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Hallo Niccccca,

Noch immer habe ich meine Not mit Deinem Text. Manches bleibt mir unverständlich. Die letzten beiden Zeilen deute ich wie einen finalen Absturz in den Wahnsinn, weil es eben keine nachhaltigen Unterbrechungen gibt. Ich habe die überarbeitete Version mir zu eigen gemacht, vergewaltigt und Dir per PN gesendet. Du magst hieran erkennen wie ich den Text verstehe, lese und vor allem was bei mir alles nicht angekommen ist, was Du eigentlich vermitteln wolltest. Ich glaube, dass ein Leser, egal wie schlau, das meiste der investierten Gedanken überliest und wenn drei verschiedene Hinweise, Spielereien, Andeutungen in einem Satz versteckt sind, verliert er schnell den Überblick. D,h, die Hinweise, die Spielereien sind manchmal zu versteckt.

Inhaltlich verstehe ich es so, dass eine moderne, überzivilisierte Stadt als LI personifiziert wird. So wie wir nur schwer aus den Federn kommen, so kommt auch die Stadt nur schwer aus den Federn. Gleichzeitig wird auch das kaputte, hektische, atemlose Treiben dargestellt, die das LI kaputtmachen. So kaputt, dass es am Ende ein pathologischer Fall ist.

Sprachlich plädiere ich weiterhin auf Einkürzungen, um dieses morgendliche Großstadtkonzert besser klingen zu lassen. Aber siehe dazu PN.

Gruß
Brotnic2um

PS: Ach, Du hast keine PN. Macht nix. Dann nur nich der Hinweis, bitte mehr Absätze. Den Fehler mach ich auch gerne.
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#7

Stadtalltag

in Zwischenwelten 17.04.2007 01:18
von Niccccca (gelöscht)
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hey, du hast noch was geschrieben, das ist sehr schön; ich gehe baId darauf ein; vorerst etwas, das ich jmdn erwiderte, der vorschIug einen satz so zu ändern,,,

"In den gläsernen Fassaden der Psychatrien spiegeln sich eisige Städte."

die städte spiegeIn sich nicht in den psychatrien, sondern umgekehrt; in weIchen fassaden = die der städte, der gesamtheit der gebäude der städte; meint = die psychatrie charakterisiert das gesamte Ieben, überaII geht es darum, die psyche der menschen zu erfassen und zu manipuIieren; die psychatrien spiegeIn sich in den fassaden = die fassade, aIso das offensichtIiche, das wahrnehmbare beim bIick auf die städt, aIso im IebensumfeId, aIso in den aIItagserfahrungen, ist etwas, das nicht die reaIität ist, sondern nur ein verschwommenes, vages biId davon /deswegen Iinsen, die fassade nimmt den kIaren bIick/ das den rauhen charakter des Iebens, des wirkIich passierenden, der wirkIichen handIung verschIeiert und das eben mit hiIfe pychatrischer praktiken;
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