#1

Dämmerung

in Düsteres und Trübsinniges 06.05.2007 08:57
von Albert Lau (gelöscht)
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Dämmerung


Drei Dohlen tanzen taumelnd
übers frisch bestellte Feld,
gleichen willenlosem Laub,
wenn es von Wechselwinden hin-
und wieder hergerissen wird.

Plötzlich und bedrohlich
steigen dunkle Silhouetten
und verharren in der Luft;
der bedeckte Himmel schiebt
sich schweigend fort zum Horizont.

Und der Windpark auf dem Hügel
wirkt so seltsam aufgedreht,
und doch gibt es eine Mühle
die dem Wind trotzt, wenn er weht.

Während wir hier steh’n und warten
und die Engel nach uns schauen,
weil wir regungslos verharren,
ob wir jemals uns bewegten.

Und so werden alte Brücken
uns zu alten Ufern tragen,
jenseits welcher nur verdaut wird,
doch was wollen wir beklagen?

Denn jetzt dämmert’s auch derselben
und die Wolken reißen auf.
Mir wird kühl, denn ich begreife,
ich muss fort, muss mich bewegen
und ich habe doch kein Ziel.
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#2

Dämmerung

in Düsteres und Trübsinniges 06.05.2007 14:29
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Das hat was comicartiges für mich, diese drei taumelnden Dohlen. Aber es wird wohl nicht als Comic hier gemeint sein. Wobei taumelnd mich denken lässt, dass die besoffen sind. Woran, wodurch auch immer. Die Boten des Todes sind vielleicht trunken vom Leben? Das frisch bestellte Feld bot ihnen wohl Nahrung in Hülle und Fülle. So viel, dass die scheinbar gar nicht mehr wussten wo sie zuerst und wo sie zuletzt picken sollen. Paradiesisch? Schon, aber dass Unheil naht auch wieder, weil – ich sage mal der Erzähler – diese lustigen, geselligen, intelligenten Tiere mit willenlosem Laub vergleicht, dass von größeren Mächten hin- und her geschubst wird. Das Bild gefällt mir gut. Es ist komprimiert im taumelnden Tanz. Lustig, gewitzt aber kaum Herr über das eigene Schicksal.


Dem Tanz, dem Fest des Lebens – Dohlen? Die sind doch mit dem Totenreich verwandt? - folgen die dunklen Zeiten. Wobei mir nicht schmeckt, dass der Himmel so arg schweigt. Zu fett ist mir dieses Bild. Auch das verharren in der Luft ist so aufgebauscht. Das Unheil kommt m.E. ja meist einfach, ohne vorher zu anzuklopfen. Braucht es diese Strophe eigentlich? Der Dichter wird mich hauen, aber ich meine es ernst, denn ich brauche die nicht, das alles ist für mich schon in S1 erledigt. Formal und Schematisch kann ich es nicht beurteilen.

Und der Windpark auf dem Hügel
wirkt so seltsam aufgedreht,
und doch gibt es eine Mühle
die dem Wind trotzt, wenn er weht.


Die Strophe drei finde ich saugut. Weil ich in meinem Lesefluss brutal ausgebremst werde in der letzten Zeile. Kann mich irren, bin ja taub, aber wenn ich das lese, bremse ich dort ab. Ich hoffe die Metriker im Lande erklären mir das.
Inhaltlich kommt ein weiteres Element ins Spiel. Düstere Vorzeichen sind zur genüge zu sehen, jetzt kommt ein weiterer Dualismus mit hinein, zwischen modern und alt. Windpark? Diese Groviane gibt es noch nicht allzu lang. Aber die Verspargelung durch die Moderne ist nicht aufzuhalten und damit das fremder werden mit dem Vertrauten. Ganz Gallien besetzt? Nein, eine alte Mühle trotzt dem Wind, der Zeit, wenn er weht, wenn sie voranschreitet.

Während wir hier steh’n und warten
und die Engel nach uns schauen,
weil wir regungslos verharren,
ob wir jemals uns bewegten.


Da mühlen die Räder zumeist schnell und treiben seltsame Blüten und ganz Weniges, rotiert noch im alten Takt, aber ist auch in Bewegung, da kommt die nächste Strophe und erzählt von Stillstand. Warten und Verharren. Aber jetzt sind es wir, die in dieser Bewegung der Zeit scheinbar stillstehen. Wir Dohlen? Im Gegensatz zu den Lichtwesen, den Engeln? Das weiß ich nicht, kann ich mir nicht erklären. Weiß auch nicht warum die nach uns schauen. Zusammenreimen kann ich es mir nur mit der vorletzten Strophe.

Dort wird das Bild alt und neu, werden und vergehen, das Hauptthema abgeschlossen, das alles neue nur das alte ist, das alles neue, schon verdaut ist, beziehungsweise salopp gesagt die alte Scheiße. Da finde ich die abschließende Frage ironisch angemessen. Was soll ich beklagen? Einen Haufen Dung? Wohl nicht.

Und so werden alte Brücken
uns zu alten Ufern tragen,
jenseits welcher nur verdaut wird,
doch was wollen wir beklagen?

Denn jetzt dämmert’s auch derselben
und die Wolken reißen auf.
Mir wird kühl, denn ich begreife,
ich muss fort, muss mich bewegen
und ich habe doch kein Ziel.


In der letzten Strophe kommt mir wieder das Bild aus S2 in den Sinn. Was ich gar nicht verstehe was mit derselben gemeint ist? Ich weiß es nicht. Brett vorm Kopf. Jedenfalls die dunklen Wolken reißen wieder auf, schönes Wetter naht, es wird wärmer und das LI beginnt zu frieren. Da sind wieder diese Gegensätzlichkeiten, die sich schon in der vorletzten Strophe für mich endgültig aufgehoben haben, in dem Sinne, dass die Wechsel der Zustandsformen keine neue Zustandsform erschaffen können und das LI aber willenlos und nun auch ziellos - wohin sollte es gehen? Zu alten Ufern? - wie die Dohlen weiter über das Feld taumeln lassen.

Sehr bitter. Sehr schöne Bilder. Es gefällt mir sehr gut. Jetzt schaue ich raus und neige doch wieder zu mehr Fröhlichkeit, ich trunkene Dohle. Danke für das Gedicht.
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