Nachtfalterdepression (-syndrom)
Ein Völlegefühl beschleicht mich;
bin ich doch einst wie ein neuer Buntstift gewesen,
habe freudig wilde Kreise und bunte Blumen in die Seele gemalt,
lange schon ist die Spitze abgenutzt,
und nichts spitzt mich an,
um neue, fröhliche Kreise zu ziehen.
Wenn die Sonne sich verpisst,
streiche ich um die Häuser,
in betrügerische Weinhandlungen,
die Etiketten der Flaschen preisen süße Verlockungen,
doch ihr Inhalt schmeckt meist fad.
Tags ist mir die Stadt zu aufgescheucht,
ein Gänsestall,
in den der Fuchs eindringt.
Das fahle Licht der Laternen ist süchtig nach Dunkelheit.
In überfüllten U-Bahnen
verharre ich wie ein Insekt in der Winterstarre,
das Leben hält den Atem an,
wie im Wartezimmer beim Zahnarzt.
Man wäre froh, wenn schon alles hinter einem läge.
Die Ruhe aber in den nächtlichen Straßen
lässt mein Blut in den Adern stocken.
Ich schmiege mich an Prostituierte,
drücke mich eng an ihre warme Haut,
Erinnerung an Hausschlachterei,
an eisgekühlte Schweinehälften.
Viele Ratten sind unterwegs und Falter,
Nachtschattengewächse,
die dürftige Blüten treiben,
im Freudenhaus nur eine einzige Funktion –
Sex gegen Geld.
Leere Hülsen treiben aus meiner Seele,
recken sich aus düsteren Katakomben,
wollen erfüllt werden,
die begrabenen Sehnsüchte,
die kleinen, närrischen Begierden nach Glückseligkeit wie
winzige Kobolde,
sie wollen sich vergnügen, wollen umhertanzen.
Mit einem Fingerhut voll Lebensfreude
könnt’s mich ins Rampenlicht der Sonne drängen.
Aber morgen geht’s noch nicht,
da ist im Puff Whiskey-Time,
das Glas zu drei Euro fünfzig.
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