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Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 30.06.2007 10:32von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
In der Nacht hatte es geregnet. Ein kurzer kräftiger Mairegen, der jetzt, am Morgen, dampfend in den Straßen stand. Von der Strassenbahnhaltestelle aus, brauchte er nur die Straßenseite zu wechseln und befand sich schon am Osteingang des verwilderten Friedhofes: Olosig.
Den häufiger begangenen Hauptweg, der als Abkürzung zwischen den Stadtteilen benutzt wurde, säumte wucherndes Kraut und aus den Blattscheiden der jungen Disteln perlte ihm beim vorbeigehen blinkend die Morgensonne entgegen. Schotter hatte hier schon lange niemand geworfen. Man musste häufig die Seite wechseln um die aufgeweichten, erdigen Stellen zu meiden. Aber wo es aus den Baumwipfeln nicht mehr tropfte, hatte es schon begonnen anzuziehen.
Bei der verwitterten kleinen Kapelle, der man ansah, dass sie mal gelb gestrichen war, nahm er den Abzweig nach rechts und gleich dahinter einen schmalen Trampelpfad links durchs Gebüsch. Wie liebte er es, vor der Arbeit diese Umwege zu gehen. Man konnte glatt vergessen, dass man sich mitten in der Stadt befand. Das Geräusch der quietschenden Schienen und gelegentliches hupen drangen nur gedämpft bis hierhin.
Er wollte endlich das Gelege der Nachtigall ausfindig machen. Ein weitläufige und flach von Efeu überwucherte Stelle gegenüber einer abgeschiedenen Gruft, die von dichten Hecken umsäumt war, kam in Frage. Aber die Vögel waren nahe am Brutplatz stets sehr aufmerksam und warnten lauthals vor jedem Eindringling, dem sie gewahr wurden. Heute hatte er aber einen Plan gefasst: geduckt und zügig lief er direkt zur Gruft. Die schwere Deckplatte war wahrscheinlich von Grabräubern zur Seite gestemmt worden. Die Einkerbspuren der Hebeeisen waren schon verwittert, aber noch gut erkennbar. Der Spalt war breit genug um hinunter zu schlüpfen, ohne dass die Uniform beschädigt wurde. Auf, auf, rasch hinunter - noch war nichts zu hören!
Von wegen. Er schaffte es nicht. So schnell konnte er gar nicht hinunterschlüpfen wie das lauthalse "tack, tack, karrr" erklang: sie hatten ihn entdeckt. Mit dieser Enttäuschung landete er auf einer weichen verwitterten Blätterschicht. Anderthalb Meter - tiefer war es hier nicht. Aber ziemlich geräumig. Er kauerte sich neben die Wandung und wartete gespannt ob die Warnrufe aufhören würden.
Sie hörten nicht auf und sie riefen munter weiter im Duett. Die abgehackten Warnlaute wurden immer wieder von einem langgezogenen, gellenden Fiepen unterbrochen. Das sollte wohl Alarm auf Höchststufe bedeuten.
Kamen sie näher, oder schien es nur so? Tatsächlich - einer flog gerade über der Öffnung vorbei. Ob man ihn da unten in dem dämmrigen Loch gesehen hatte? Die Uniform war unauffällig grün, aber die Kerle haben große Augen, die in der Dämmerung verdammt gut funktionieren. Schnell sprang er auf die andere Seite, und tastete sich bis in die Ecke der Grube. Die eigenen Augen gewöhnten sich nur langsam an die dunkle Umgebung. Nein, er würde es den blöden Viechern zeigen - wär doch gelacht wenn sie nicht zu überlisten wären! Eine Weile verstecken und sie werden ihn aus dem Sinn verlieren.
Die reichen Juden aus Amerika zahlten gut für die Umbettung, hatte ihm gestern ein Gräber erzählt, der hüfttief in einem Erdloch wühlte. Er arbeite für sie. Etwa 210 Knochen habe ein erwachsener Mensch, die meisten an Armen und Handgelenken. Ob er fehlende Skelettteile einfach aus anderen Gräbern ersetzte? Hier fehlte der Schädel. Ansonsten schien aber alles komplett vorhanden zu sein. Er versuchte am Becken einzuschätzen, ob es eine Frau oder ein Mann gewesen war. Die Kleidung war ja nicht mehr zu erkennen. Ringe und sonstiger Schmuck fehlten sowieso. Bis er die langen grauen Haare entdeckte. Sie lagen wie ein Teppich mit den Kleidungsresten verwirkt unter den Knochen: mindestens 40 cm. Eine Frau, also.
Bei der Arbeit würde man ihn noch nicht vermissen. Aber bald müsste er los um das Tagessoll zu schaffen. Bei einem der Wohnblöcke hatten sie die Aussparungen für die Fahrstuhltüren zu niedrig verschalt. Jetzt fehlten in der Höhe fast zwanzig Zentimeter zum Einbau der Türzargen: zwanzig Zentimeter Stahlbeton. Und er hatte nur einige stumpfe Meissel aus weichem Baustahl und einen Hammer. Eine Tür pro Tag war auch zu zweit kaum zu schaffen. Die Leute wohnten schon dort und manche beschwerten sich über das anhaltende Geklopfe. Aber einmal hatte eine Frau etwas zum Trinken gereicht, immerhin. Ob der Kollege schon angekommen ist? Heute muss er ihn unbedingt mit den Meisseln zur Schmiede schicken; wenn die nicht zugespitzt und gehärtet würden, kämen sie überhaupt nicht voran.
Lange genug abgewartet. Ob sie sich jetzt beobachten lassen? Das Gezeter hat nachgelassen. Vorsichtig näherte er sich der Öffnung und blickte hoch:
- Nein!
Wie versteinert starrte er den Vogel an, der selber auch Sekundenbruchteile vor Schreck verharrte: die Nachtigall saß auf der Umrandung, blickte nach unten und suchte offensichtlich nach ihm. Und schon war sie auf und davon! Das Gezeter hob von neuem an. Da! nochmals kam sie und blickte herunter. Oder war das jetzt das Weibchen gewesen? Die lassen sich ja am Gefieder nicht unterscheiden. Ungläubig und ratlos schüttelte er den Kopf. Völlig unterschätzt hatte er die Viecher: sein Plan war gründlich misslungen. Er könnte ja noch aufs gradewohl ein paar Stellen absuchen...
- Was zum...
Erstaunt drehte er sich um - hinter sich hatte er ein Geräusch vernommen: etwas bewegte sich dort in der Ecke. Erst als er sich ein Stück näherte, erkannte er eine dicke Erdkröte, die langsam hervorgekrochen kam. Wahrscheinlich hatte sie Erschütterungen vernommen und war gerade dabei nachzuschauen, was es zu futtern gibt.
- Da friss!
flüsterte er ihr zu und stupste sie mit dem Zeigefinger vors Maul. Sie zuckte erschreckt zurück, schloß die Augen, duckte sich breit ins verwitterte Laub und begann langsam sich mit den Schenkeln der Hinterbeine rückwärts ins Moder einzugraben. Sie war gar nicht schlecht genährt. Angeblich können Kröten Jahrzehnte in Höhlen, Brunnen oder anderen Schächten überleben. Es fällt ihnen genug vor die Füße.
Sie hatte sich schon fast eingegraben. Er umfasste sie hinter den Vorderbeinen und trug sie vor ans Licht. Dabei verstreuten sich Erde und Blätterreste von der strampelnden Kröte, über das Skelett. Er reinigte zuerst die Kröte, blies ihr ins Gesicht und legte sie von einer Hand in die andere bis sie sauber war. Mittlerweile hielt sie still. Dann wischte er mit den Fingerkuppen die Reste von den langen Oberschenkelknochen bis sie auch wieder blank waren. Die Knochen hatte die gleiche Temperatur und fast die gleiche Farbe wie die Kröte. Nur die Oberfläche war überraschend uneben, wie verwitterter Zement. Dann richtete er sich auf und hob das Tier vorsichtig auf der offenen Handfläche bis genau auf die Höhe der Zementeinfassung und blickte sie an. Die Kröte zögerte nicht lange - sie wischte sich mit einem Vorderbein über die Augen, wandte dann trippelnd ihren Körper in Richtung Nachtigallen, schritt weit ausholend über den feuchten Zement, purzelte in den Efeu und war verschwunden.
Er zwängte sich durch die Öffnung, stemmte sich hoch und ordnete seine Kleidung. Ohne die Nachtigallen auch nur eines Blickes zu würdigen, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, schlenderte er ins Gebüsch.
Unter einem schiefen grauen Grabstein, der das ganze Regenwasser ableitete, befand sich pulvriger Sand. Ameisenlöwen hatten darin ihre Trichter gebaut. Er setzte sich daneben und suchte die Vegetation mit Blicken ab. Gezielt griff er in eine jungen Staude und pflückte eine mittelgroße Ameise vom Stengel. Vorsichtig hielt er ihren kugligen chitinösen Leib zwischen seinen Fingerkuppen, streckte die Hand unter den Stein, und ließ sie mitten zwischen die Trichterlandschaft fallen.
- Wenn sie entkommt bleib ich noch ein bisschen.
Sie entkam nicht. Ausgerechnet in einem der äußersten Trichtern, war sie hinuntergerutscht und sofort in der Mitte gepackt worden. Mit ruckartigen Bewegungen verschwand sie im Sand.
In Gedanken versunken, schlenzte er quer durchs Dickicht auf den tieferliegenden, dichtbewachsenen Westrand des Friedhofes zu. Das ganz Linke, der sich eng reihenden, trostlosen Hochhäuserkette, war sein Ziel. Anstatt Zaun, wucherten die Hecken hier besonders üppig und ragten mit ausladenden Blütenständen, noch meterweit über die trostlose Betonplatte, die den Hinterhof der Hochhäuser bildete.
Vor dem letzten Gebüsch, hielt er kurz inne, sah sich nochmals um, zog dann die Arme vors Gesicht, beschleunigte durch die nassen Zweige und ließ sich mit einer rythmisch schallenden, federnden Schrittfolge die kleine Anhöhe hinunterfallen.
Und bei jedem dieser bremsenden Schritte, war ihm, als würde er nicht hinab-, sondern auftauchen aus einer lebendigen, uferlosen Tiefe.
Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 02.07.2007 19:06von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Gespenstisch angehaucht kam und kommt mir dieser Text immer noch vor, obwohl ich mich hier stärker als es vielleicht richtig sein mag, von der geographischen Lage der Stadt, dem Friedhof, der welken Kapelle und schließlich der Gruft mit dem Skelett und der Erdkröte leiten lasse. Dieser modrigen Atmossphäre steht m.E. diese seltsame Unbekümmertheit und Zuversicht - aber vielleicht überlese ich etwas bei diesem verkappten Ich Erzähler - und die Nachtigall selbst entgegen. Die Nachtigall ist der Mai, Liebes und Frühlingsvogel. Eine Art Licht- und Lebensgestalt und wohl auch für ihn ein Versprechen.
Seine Zuneigung zur Natur, zum Lebendigen - die sich skurilerweise auf dem Friedhof in einer Gruft austobt - wird durch seine Arbeit gestört. Die Arbeit, die Uhr zerrt an ihm. Dem organisch, lebendigen Treiben auf diesem Friedhof steht der Wohnblock mit seinem Beton, den falschen bemessenen Türrahmen und dem mechanischen Baulärm entgegen. Das ist die eigentliche Welt des Todes. Diese Welt liegt im Westen und er hat seine Jagd nach Leben im Osten begonnen.
Es ist ein feines Bild, dass sich mir erschliesst. Der kleine uniformierte Sterbliche - eigentlich von seiner Uniform und seiner Welt in der arbeiten muß ein Untoter - findet Leben (die Nachtigallen und die Natur selbst) ausgerechnet auf einem Friedhof. Das verweste Mädchen, die Kröte und Er selbst scheinen mir Verkörperungen, Symbol für Abgestorbenes zu sein. Vielleicht sind die Nachtigallen auch deswegen so alarmiert, weil ein eigentlich Toter sie aufspürt.
Instinktiv scheint dieser Friedhofsbesucher zu spüren was ihm fehlt. Immerhin hat er eine Ahnung von der belebten Welt bekommen. Zumindest verstehe ich so sein Lächeln und seinen Aufstieg aus der Gruft. Im Gegensatz zu der Ameise scheint es ihm zu gelingen sich aus dem mörderischen Trichter der Zivilisation und dem sog. Leben zu befreien. Das Bild der verzweifelt aus dem Trichter krabbelnden Ameisen, fand ich schon immer sehr stark.
Sehr dicht und anregend.
Das muss ich aber noch fragen. Es ist wohl so, dass es in Oradea wiewohl in Rumänien große jüdische Gemeinschaften gegeben hat. Der Hinweis in Deiner Geschichte, dass die reichen Juden sich umbetten lassen, vertehe ich den dahingehend richtig, dass Olosig oder Oradea so tot ist, dass selbst die Toten aus dieser Stadt ziehen?
Dichte passt dann auch zum Dunklen, zum Verschlungen werden und zum Gehen wiederum nicht, aber zum Auftauchen, entdeckt werden, Abtauchen, kurz für sich sein, um erneut im Blickfeld zu stehen. Die Perspektive, so scheint mir, wechselt ständig.
Mensch und Natur schreiben im Einklang und in ihrer Gegensätzlichkeit stets neue Geschichten und davon, so scheinst es, erzählst Du hier, um ganz woanders zu landen. Die Nachtigall, die flieht, entblösst die Kröte dem Taglicht, das sie doch lieber flöhe? Flöhe wäre ein schönes Wort, gäbe es es - schmunzel.
Vieles ist plastisch und doch bleibt es auch konturlos - darum mir das Ende im Nebel. Es wird leichter, obwohl er nicht dorthin sich stellen konnte, wo er gern doch gestanden hätte? So schien es mir jedenfalls heute morgen und heute abend frage ich mich, ob das Zurückkehren lohnt, wo doch die Ameise lange gefressen und die Eier in Ruhe weiter gebrühtet vielleicht schon am frühen Morgen ge"platzt" werden.
Egal, ich mach es mal kurz: Gefiel mir, verwirrte mich, fesselte mich und hab ich gern gelesen - auch und auch und auch darum, weil es an dies andere erinnert, das ich aufgrund Margots Erfahrung wohl doch nicht wiederlesen werde.
Zum Wiederlesen (sry, kurze Anmerkung): Mein Dad hat mir mal erklärt, als ich noch klein war, dass man max 4000 Bücher im Leben wirklich zu lesen schafft. Ich hab ihn entsetzt angeschaut und rechne seitdem immer wieder nach - er scheint recht zu haben und das macht mir Angst, oder Kummer oder beides. Daher weiß ich nie, ob ich was ein zweites Mal lesen sollte, könnte oder dürfte, in der Angst zu versäumen. Aber das ist dann doch wieder nur ein Wettkampf, und den ficht man schließlich nicht aus.
Jedenfalls gern gelesen und vielleicht weißt Du jetzt, wieviel mein "gern" bedeutet, wo ich doch keine Zeit habe
Nina
Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 02.07.2007 19:47von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
insgesamt wunderte mich auch etwas deine Untoteninterpretation, sowie das angeblich gespenstisch angehauchte, da ich mit sowas eigentlich nichts am Hut habe. aber die Symbolik und die Fauna-Zusammenhänge hast du wunderbar dargelegt.
das Lob mit dem "feinen Bild" und die bescheinigte "Unbekümmerheit und Zuversicht", sowie das dichte und anregende freuten mich sehr. danke.
schön auch, dass du die Ameisenlöwen kennst. so konnte das Bild seine Wirkung entfalten.
Gruß
Alcedo
edit:
hallo Nina
diesen Harper Lee -Klassiker kannte ich noch nicht. aber Margots Rezension und dein Hinweis haben mich jetzt neugierig gemacht, obwohl der Originaltitel bestimmt mal wieder bescheuert übersetzt wurde. Mockingbird ist ne Spottdrossel, deren Gesang ich zwar nicht kenne, müsste aber wie Star oder Raubwürger klingen, kein Vergleich mit unserer Nachtigall.
freut mich dass dir die story hier gefallen hat, dankeschön. und schön dass auch Kritik anklingt, obgleich ich die gleichzeitige Plastizität und Konturlosigkeit etwas diffus empfinde.
aber siehste, "diffus" war mir die ganze Zeit über nicht eingefallen um die dämmrigen Lichtverhältnisse zu beschreiben.
dein Dad ist ein Spielverderber, weißt du, wie kann man unvoreingenommene Leser derart schockieren? und Du, du zitierst sowas noch! ich hab doch schon bald die 4000 erreicht, da ich seit meiner Schulzeit die Comics als Bücher mitzähle (damals hat ein Lehrer einen Mitschüler zur Schnecke gemacht weil der als Ferienlektüre Comics aus der BRD angab - seither zähle ich die stets solidarisch mit). also jetzt hoffe ich doch stark dass ich den Mockingbird noch schaffe bevor mir der Himmel auf den Kopf fällt!
sowas aber auch... 4000
Alcedo
Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 10.07.2007 01:18von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Hat mir sehr gefallen.
Beste Grüße,
AB.
http://arnoboldt.wordpress.com/
Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 10.07.2007 11:14von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
da bedanke ich mich doch gleich anständig: merci.
ich glaub ich bin nämlich auch so ein Schreiberling von jener jämmerlichen Sorte, die Deadlines brauchen um Projekte zu beenden. die lückenhaften Manuskripte lagen ja schon immerhin seit Januar 2005 in meiner Schublade. dann sah ich Brots "Wow", allein auf weiter Flur im KG-Nominierungsfaden prangen und nahm mir kurzfristig vor, selbiger Gesellschaft zu leisten, wenn möglich.
zwar schaffte ich die story noch so ziemlich auf den letzten Drücker im Juni zu beenden, aber dann war sie ja noch lange nicht nominiert.
jetzt will ich das auch noch im aktuellen Monat bei der Lyrik schaffen, das Gedicht ist bald genausolange in der Schublade gealtert (beste Voraussetzungen, also), aber so recht komme ich nicht voran - ich schiebs mal aufs Wetter.
Gruß
Alcedo
Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 24.07.2007 22:54von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
BG,
Arno.
http://arnoboldt.wordpress.com/
Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 25.07.2007 08:50von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
ein positiver Nebeneffekt freut mich zusätzlich: durch die Nominierung und die Abstimmung gibt es mehr Leser für die Texte.
Grüße
Alcedo
Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 25.07.2007 10:12von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
RE: Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 02.10.2016 05:23von Antigone • | 85 Beiträge | 85 Punkte
Lieber Alcedo,
wenn man alt genug ist, um ein bisschen was von der Welt verstehen zu können, hat man Schwierigkeiten mit deinem Text.
Also, wie ist die Situation? Dein Protagonist als junger Erwachsener geht auf einen verwilderten Friedhof. Warum? Und auf irgendeinen? Du erwähnst nirgends, dass es sich um einen jüdischen Friedhof handelt, der verwildert ist - weil er absichtlich verwüstet wurde! Das wäre die wichtigste Ortsbestimmung an deinem Text. Bekanntlich wurden in der Nazizeit jüdische Friedhöfe nicht nur in Deutschland verwüstet. Daran waren übrigens nicht nur ausgesprochene Nazis beteiligt, sondern auch die sogenannten friedlichen "unpolitischen" Einwohner, die ihren Ressentiments Auslauf ließen, und die Nazis sahen es gern. Auf einem zerstörten jüdischen Friedhof stellt sich bei jedem etwas ein, schwer zu benennen, aber es hat mit Schweigen zu tun. Die Idee, Grabräuber hätten die Grabplatte beiseite gerückt, zeugt eigentlich davon, dass sich dein Ich dessen gar nicht bewusst ist, von rumänischer Geschichte unbeleckt, heidewitzka, hier waren Grabräuber am Werk, das kennt er aus vielen Abenteuergeschichten. Wie der Text selbst als Abenteuergeschichte geschrieben ist.
Du beschreibst im Grunde einen jungen Mann, der einen Abenteuerspielplatz aufsucht. Die lange Passage mit der Kröte könnte deinem Protagonisten überall passiert sein. Wenn am Ende der Geschichte beim Leser aber der Gedanke angesprochen worden wäre, direkt oder indirekt, dass dieser verwüstete, verwilderte jüdische Friedhof ein Zeugnis für die schrecklichste Geschichte des 20. Jahrhunderts ist, dann hättest du die Chance genutzt, einen aussagefähigen Text schreiben zu können. So aber frage ich mich, weshalb er überhaupt geschrieben wurde. Das ist meine wesentliche Kritik an deinem Text. Wenn du allerdings darstellen wolltest, welches Ausmaß an Geschichtsvergessenheit die heutige Zeit angenommen hat, ist dir dieses Vorhaben gelungen.
Auf den Plot, Sprachliches usw. will ich hier nicht eingehen, dazu gäbe es auch Kritisches zu sagen, aber das nur am Rande.
Gruß, Antigone
RE: Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 06.10.2016 09:50von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Danke dass du dich damit befasst hast, Antigone. ja, natürlich schreibe ich gegen das Vergessen an. was wäre sonst die Alternative gewesen? es nicht aufzuschreiben?
warum dieser Friedhof?, fragtest du. es war Zufall gewesen: eine Abkürzung auf dem Weg zum Arbeitsplatz des Soldaten.
mir reicht hier der Name Olosig als Schlüsselbegriff und das Gespräch mit dem Gräber als geographische und historische Lokalisierung: 1986 fügte und füge ich hier nachträglich erläuternd hinzu. theoretisch würde grob die Zeitspanne 1970 bis 1989 zutreffen. vergiss nicht, dass der Protagonist selbst nicht wusste wo er sich genau befindet. mir ist die damalige authentische Perspektive wichtig. Ceausescu und seine Schergen haben nie einen Hehl aus ihrer Geringschätzung den Juden gegenüber gemacht. ihre frühere Existenz wurde schlicht nie erwähnt. und selbst bis zum Abitur kaum unterrichtet. geschichtlich wurden allein die rumänischen „Heldentaten“ bei den Kriegen gegen die Türken ausgiebig glorifiziert. und der Zweite Weltkrieg erst ab dem Datum 23. 08. 1944, als die „Armata Română“ sich opportunistischer Weise der Sowjetarmee angeschlossen hatte. zuvor hatten die Rumänen noch kräftig bis und in Stalingrad mit den Deutschen zusammen die Sowjets bekämpft. Stalin hatte ihnen deshalb zur Strafe nach Ende des Krieges große Teile des Landes abgeknöpft: die Bukowina mit Czernowitz (wo Celan und Eminescu ihre Schulbildung bekommen haben), Moldawien und Bessarabien. wie auch immer, der Friedhof Olosig hat damals so ausgesehen wie der vom Weißensee wenn er 40 Jahre lang der Verwahrlosung überlassen worden wäre, mit dem Zusatz, dass niemand aus dem Ausland kommen durfte, Kiesel abzulegen. die Einheimischen Angehörigen waren ja praktisch verschwunden.
Olosig als Stadtviertel existiert auch heute noch in Oradea. es entsprach vor dem Holocaust in etwa dem Berliner Scheunenviertel, natürlich kleiner. der Anteil der jüdischen Bevölkerung der gesamten Stadt betrug vor dem Holocaust ca.30%. ich glaube das ist prozentual wesentlich mehr als im damaligen Berlin. der Friedhof ist heute vernichtet. die Postkommunisten gaben ihm in den 90ern den Rest. die letzten Überreste wurden 2014 beseitigt. jetzt befindet sich dort eine gesichtslose Parkanlage.
beim Vergleich Weißensee- versus Olosig-Friedhof ergibt sich für mich dieses Resümee: Kommunismus mit seiner Diktatur, Geschichtsklitterung und postkommunistischer Willkür bedeutet Zerstörung bis Auslöschung - Demokratie hingegen, Erhalt von Kulturgütern, Zeit-Zeugnissen, wie auch den Zugang dazu und somit auch Toleranz vor freiheitlichen Gedanken bei Menschen unterschiedlichster Nationalitäten und Zugehörigkeiten bis hin ins kollektive Bewusstsein.
Gruß
Alcedo
RE: Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 12.10.2016 08:00von Antigone • | 85 Beiträge | 85 Punkte
Lieber Alcedo,
das ist verständlich, dass dir persönlich der Name des Friedhofs ausreicht. Du schreibst aber im Präteritum, also in der Vergangenheit, und was du damals nicht wusstest, weißt du hoffentlich heute, und du willst nach eigener Aussage "gegen das Vergessen anschreiben". Die Erkenntnis des Menschen im späteren Verlauf seines Lebens vertieft sich oder ändert sich oftmals, und wie ich hier mitkriege, nicht immer zum Besten. Und: Du schreibst für den Leser. Du kannst also nicht voraussetzen, dass ein deutscher Leser weiß, dass es sich bei Olosig um einen jüdischen Friedhof handelt. Es ist deine Aufgabe neben vielen anderen als Autor, gegen das Vergessen anzuschreiben. Aber wie machst du das? Indem du dich für die Geschichte dieses Friedhofs überhaupt nicht interessierst? Ihn betrachtest wie einen x-beliebigen Abenteuerspielplatz? Diese Haltung zieht sich jedenfalls durch die ganze Erzählung hindurch. Das fiel mir auf.
Die letzten Zeilen deiner Antwort sind eindeutig und erklären mir die Haltung des Autors in der Geschichte. Du wirfst Halbwahrheiten und Propaganda in einen Topf, ganz zu schweigen von dem, was du verschweigst. Und darauf habe ich geantwortet. Nicht mehr und nicht weniger, ich ahnte deine Antwort genau so.
RE: Im Anstand auf die Nachtigall
in Ausgezeichnete Prosa 16.10.2016 07:50von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Antigone, hier driftest du wieder polemisch ab und wirst persönlich:
Zitat von Antigone im Beitrag #14
Die Erkenntnis des Menschen im späteren Verlauf seines Lebens vertieft sich oder ändert sich oftmals, und wie ich hier mitkriege, nicht immer zum Besten.
außerdem fußt solche rabulistische Argumentation, wie du sie hier betreibst, auf ausgesuchter halber Wahrheit.
Zitat von Antigone im Beitrag #14es ist der Name und die erwähnte Passage mit dem Gräber, die doch eindeutige Hinweise enthält. Textzitat:
verständlich, dass dir persönlich der Name des Friedhofs ausreicht.
Die reichen Juden aus Amerika zahlten gut für die Umbettung, hatte ihm gestern ein Gräber erzählt, der hüfttief in einem Erdloch wühlte. Er arbeite für sie.
solche polemischen Ausfälle und rabulistische Spitzfindigkeiten mag ich nicht leiden, Antigone. sie verleiden mir zunehmend die Textarbeit, die du fraglos leistest. das hier zeigte mir eindeutig, dass du eigentlich verstanden hast worum es mir geht:
Zitat von Antigone im Beitrag #12meine ursprüngliche Intention war, Texte wie diesen hier oder den da in was episch grösseres/umfangreicheres einzubetten. in diesem Rahmen wären zusätzliche Hinweise denkbar und sicher möglich. ich arbeite dran, aber noch weiß ich nicht, ob ich es schaffe.
Wenn du allerdings darstellen wolltest, welches Ausmaß an Geschichtsvergessenheit die heutige Zeit angenommen hat, ist dir dieses Vorhaben gelungen
und du willst mein obiges Resümee antizipiert haben? dass ich deine Unterstellungen hier "Halbwahrheiten und Propaganda" zu verbreiten, als abenteuerlichst aus der Luft gegriffen empfinde, an der Grenze zur Beleidigung, antizipierst du nicht? ich wünschte mir, du könntest dich diesbezüglich zurücknehmen.
Gruß
Alcedo
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