#1

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 26.08.2007 16:40
von roux (gelöscht)
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Muschelherz


Wie will ich mich in wilden Wogen wiegen,
vom Lied der Gischt umschmeichelt, auf dem Meer,
wenn Tide mahnt und zerrt mich von weit her,
zum tiefsten Grund, um mich zur Ruh zu schmiegen?

Doch da, von fern, durch sturmgepeitschte Wellen,
erklingen Stimmen. Oben treibt ein Schiff,
verfänglich nah, zu nah an meinem Riff.
Es sieht mich niemand aus dem Wasser schnellen.

Die Mannschaft hört mein Zirzen lockend klingen.
Sie lauschen, tiefe Sehnsucht rafft sie hin.
So urteilt nicht, ich bin nur, was ich bin;
bestimmt, sie in ihr nasses Grab zu singen.

Am Bug steht er, mir scheint die Luft zu schwingen.
Sein Blick - ich bin verloren, schweige stur,
verschone alle, für den einen nur
will ich vergehen, ohne Tod zu bringen.
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#2

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 26.08.2007 17:49
von bipontina (gelöscht)
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Gefällt mir sehr gut! Eine Mischung aus Sirene-Kleine Meerjungfrau-Arielle.
Nach "Sein Blick.." gefiele mir ein Doppelpunkt besser, das machte das folgende bedeutender (aber das ist subjektiv).
LG bipontina
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#3

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 26.08.2007 18:25
von roux (gelöscht)
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Ja, ich muss gestehen, vom Komma an der Stelle bin ich auch nicht 100%ig überzeugt, ich schwanke allerdings noch zwischen einem Gedankenstrich, einem schlichten Punkt oder einem dramatischen Ausrufezeichen.
Den Doppelpunkt hatte ich noch gar nicht in Betracht gezogen, habe es grade mal ausprobiert, aber es sieht irgendwie sehr gewöhnungsbedürftig aus, hm?

Sein Blick: Ich bin verloren, schweige stur,
verschone alle, für den einen nur
will ich vergehen, ohne Tod zu bringen.



Ich werde es mir mit etwas Abstand noch einmal ansehen und die Interpunktion überdenken.

Hab vielen Dank, Bipontina, für deine Rückmeldung und die Doppelpunktidee.

Beste Grüße
roux
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#4

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 26.08.2007 21:53
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hallo roux

Ich kann mich dem nicht erwehren, wenn ich etwas mit Muscheln im Titel lese, dann muss ich unfreiwillig an Pilcher denken und dann erwarte ich ein kitschiges Gedicht. Aber das sind natürlich alles nur Vorurteile ..


Zitat:

Wie will ich mich in wilden Wogen wiegen,
vom Lied der Gischt umschmeichelt, auf dem Meer,
wenn Tide mahnt und zerrt mich von weit her,
zum tiefsten Grund, um mich zur Ruh zu schmiegen?



Wie/will/wilden/Wogen/wiegen … poaeh, das nenne ich mal einen Anfangsvers! Da ist man doch gleich mitten im Geschehen und trainiert seine Zunge ...Auf und Ab, wie das wogende Meere…. gefällt mir!

‚Wiegen’ passt meiner Meinung nach aber nicht wirklich zu den wilden Wogen. Ich stelle mir das einfach unmöglich vor, sich bei rauer See zu wiegen… aber das ist lediglich ein kleiner Rülpser, den ich loswerden musste.


Zitat:

Doch da, von fern, durch sturmgepeitschte Wellen,
erklingen Stimmen. Oben treibt ein Schiff,
verfänglich nah, zu nah an meinem Riff.
Es sieht mich niemand aus dem Wasser schnellen.



Jetzt denke ich natürlich an eine Nixe, speziell an die kleine Meerjungfrau. Aber schnellt die aus dem Wasser? Das tut doch eher Flipper. Klar, es passt wunderbar zu den Wellen … aber wirklich schön finde ich das Verb hier nicht.


Zitat:

Die Mannschaft hört mein Zirzen lockend klingen.
Sie lauschen, tiefe Sehnsucht rafft sie hin.
So urteilt nicht, ich bin nur, was ich bin;
bestimmt, sie in ihr nasses Grab zu singen.


Oder doch Zirze aus den Griechischen Sagen, die Odysseus und seine Männer mit ihrem Gesang ins Verderben locken wollte? Wäre auch eine Möglichkeit, nicht?

Verzeih, wenn ich jetzt wieder kleinlich bin, aber erst noch hatten wir wild peitschendes Meer, Sturm und Riff und das ganze Pipapo und jetzt soll man den Gesang hören? Da muss die Gute aber ein kräftiges Organ haben!



Zitat:

Am Bug steht er, mir scheint die Luft zu schwingen.
Sein Blick - ich bin verloren, schweige stur,
verschone alle, für den einen nur
will ich vergehen, ohne Tod zu bringen.


Also doch nicht Odysseus, der hat sich ja an den Mast ketten lassen, sondern die kleine Meerjungfrau!
Ich mochte das Märchen ehrlich gesagt nie, weil es so traurig ist … das arme Hascherl … und dann noch diese tschechische Verfilmung! Kreisch! ...... Gut, gut, ich krieg mich wieder ein.
So stirbt die Arme letztendlich, damit der Jüngling leben kann … und erst noch mit einer Anderen ... jaja, Frauen sind halt eben so (blöd).

Also, Sabine, mir gefallen solche Nacherzählungen sehr. Auch wenn sie etwas kitschig sind …*g. Doch Dein Gedicht driftet nicht ins Pilcherische ab, keine Bange. Allein schon für den Eingangsvers muss man den Text loben.

Habe ich sehr gerne gelesen und mich an das – unsägliche – Märchen erinnert.

Gruss
Margot



Die Frau in Rot

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#5

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 27.08.2007 13:05
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hallo Sabine

Ich hab die ganze Zeit überlegt, wer das LI eigentlich ist, ich dachte auch an eine Nixe, dann an das Meer selbst und ich weiß es immer noch nicht, aber das ist auch unwichtig.
das LI fühlt sich wohl in seinem Element und in seinem Leben, deshalb finde ich das „in den Wogen wiegen“ eigentlich ganz passend, es hat so was von Geborgenheit.

die umschließenden Reime passen sehr gut zum Geschehen. das LI steckt ja in diesem ewigen Kreislauf fest, der erst gerochen wird, als es sich in den Einen verliebt und für ihn alles aufgibt. deshalb hätte es mir persönlich gut gefallen wenn du in der letzten Strophe das Reimschema aufgelöst hättest, indem du die letzten beiden Zeilen tauscht.

Am Bug steht er, mir scheint die Luft zu schwingen.
Sein Blick, ich bin verloren, schweige stur,
ich will vergehen, ohne Tod zu bringen
verschone alle, für den einen nur.

ist aber nur so ne Idee. hat mir auch so gefallen.

LG Simone
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#6

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 27.08.2007 13:58
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Sabine,

bereits beim ersten Lesen hat mich Dein Gedicht angesprochen.
Auch den Titel finde ich sehr schön - ich habe da keine Verbindungen zur Pilcher, von der ich weder Filme sah noch etwas las.
Dadurch konnte ich dem "Muschelherz" unvoreingenommen gegenübertreten.

Faszinierend ist Aspekt, dass der ganze Organismus, das Weichtier, wie ein Herz gesehen werden kann, das nur noch von der Schale umschlossen wird.
Ein Bild, das sich mir optisch nur in Fragmenten fügen will, dass sowohl Schutz und Panzer wie absolute Verletzbarkeit ausdrückt. Ich finde das sehr gut gefunden - möglicherweise liegt das daran, dass ich nicht vorbelastet bin.

Das gesamte Sujet wird mir sehr eingängig erschlossen, und dass, obwohl ich weder Nixe noch Nöck zu meinen Favoriten zähle, das sind eher Bilder, die mir nicht zusagen.

Die Logik in S1- zudem als Frage formuliert - entzieht sich mir etwas, denn ich kann nicht recht einsehen, warum LI sich wegen des Tidenhubes nicht auf den Wogen wiegen können soll. Vor allem erkenne ich nicht die Funktionsweise, mit der LI unten abgelagert wird.
Aber ich nehme es hin, als diffuses Geschehen um ein wellenverliebten Wesen, denn die Formulierungen befruchten mich innig mit Meer und Wellengang.
Anstelle des Liedes könnte ich mir gut den Schaum vorstellen, einmal sowieso, zum anderen wegen der boticellischen Thematik - ohne allerdings dieses Bild vor Augen zu haben.

Dann läuft für mich der Film ab, ich kann ihm gut folgen, bis ich die Mannschaften tot, gesangszerfetzt liegen sehe - und sie dann in S4 wiederbelebt und verschont werden.
Da sollte logischer herausgearbeitet werden. Auch der Todesdruck, der wegen der verweigerten Pflichterfülling des LI zu dessen Vergehen führt ist mir nicht erklärlich. Ich mutmaße einen Zauber.

Aber.
Die Stimmung insgesamt, das nasse Geschehen, das Hingeben und Gebanntwerden finde ich sehr gut getroffen und zieht auch mich in den Bann.

LG

Ulrich
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#7

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 27.08.2007 14:22
von bipontina (gelöscht)
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hallo, ich muß doch nochmal dran an einen klitzekleinen Kommentar:
das stur gefällt mir nicht sehr (ich denke an Sturkopp , Sturheit, - alles in Verbindung mit entstirnig, verbissen, unnachgiebig) ...,
Vorschläge (subjktiv wie immer): " brich den Schwur, ... verlier die Spur (des Eides)...,sing neuen Schwur..." o.ä.
Und in der vorletzten Zeile würden ich den "einen" versaliter schreiben, da er doch fürderhin LyrI's Geschick und Los ist.
LG "BOPONTINA" , falls Dir Dein Tippfehler (?) mehr zusagt.
Die erste Fassung der letzten Strophe find ich gelungen(er).
Wuchtiger, kräftiger in der Aussage (hahaha, fang ich jetzt auch schon so an???), na - eben eindrucksvoller.

Erebus' Kommentar vorher n i c h t gelesen habend!
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#8

Muschelherz

in Liebe und Leidenschaft 27.08.2007 16:56
von roux (gelöscht)
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[u]@ Margot:[/u]

Wie gut, dass ich Frau Pilchers Werke so selten lese, sonst wäre mir vermutlich bald das Muschelsuchen und mein Lieblingsmärchen vergällt. Hach, die traurigsten waren mir als kleines Mädchen die liebsten Geschichten, am gelungensten, wenn sie brennende Augen, Gänsehaut und einen Kloß im Hals hinterließen. Na ja, diese Ansicht zumindest hat sich mit wachsendem Erfahrungsschatz geändert. ;-)

Zum Wiegen: ja, für den menschlichen Körper dürfte es recht schwierig werden, sich genüsslich in der rauen See zu wiegen, da stimme ich dir zu. Wirf allerdings mal einen Korken ins Meer und du wirst sehen, dass der tanzen und sich wiegen kann. Meereswesen macht natürlich so ein bisschen Sturm nichts aus, die fühlen sich immer noch heimisch. Ich geh mal davon aus, mit Fischschwanz wiegt und wogt man auch in wilden Wellen besser. Hm, ich habe es jetzt dreimal überdacht und versucht mich zu einer anderen Lösung zu überwinden, aber nee, wiegen zeigt doch am ehesten, dass LI dort hingehört und sich wohl und geborgen fühlt.

Beim LI handelt es sich um ein (zugegebenermaßen fantastisches/sagenhaftes) Meereswesen, ein Fabelwesen zwar, nämlich eine Sirene, die mit ihrer Stimme die Seeleute in den Tod lockt. (Mit Odysseus Zirzen lagst du also gar nicht so weit daneben. Nur dass ja nicht auf jedem Schiff gebundene antike Helden schippern müssen.) Ob diese Stimme nun ohrenbetäubend ist, oder nur als Verlockung im Kopf der Männer auftaucht ist wohl die Frage. Ich denke, beides dürfte auch (oder besonders) bei (Innen-)Sturm hörbar sein.

Das "Schnellen", ja, vielleicht ein wenig flipprig, auch wenn es ja nicht so einfach ist, aus dem Meer auf einen Felsen zu kommen. Kriechen und hochstemmen wäre da nicht malerisch genug. Unauffällig, unerwartet, ohne großes Aufsehen auftauchen war dort gemeint. Aber du hast recht, an der Stelle muss ich wohl noch einmal feilen, so richtig toll klingt "schnellen" dort nicht. Mal sehen, ob ich noch eine bessere Lösung finde.

Sie verzichtet, auf ihre Bestimmung und ihr Glück, vergeht zu Meeresschaum, geht in der Masse unter, damit der Seemann (in seiner Welt) weiterleben, glücklich sein kann, Mannschaft inklusive. Eine uralte Geschichte. Ja, liebe Margot, wir Frauen sind wohl manchmal halt eben so.
Dem kann ich nur 100% zustimmen.
Ich danke dir herzlich für deinen ausführlichen Kommentar, die interessanten Ausführungen und deine Anregungen.

Liebe Grüße,
Sabine



[u]@ ninniach:[/u]

Liebe Simone,
ich danke dir herzlich für deine Rückmeldung und die Auseinandersetzung mit meinem Text. Hm, dein Vorschlag zur letzten Strophe ist eine interessante Gedankenanregung, ich werde es mir noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.

Liebe Grüße,
Sabine




[u]@ Erebus:[/u]

Lieber Ulrich,
auch dir möchte ich zunächst einmal herzlich für deine Auseinandersetzung mit meinem Text danken.

Zur Erklärung: LI ist ein Wesen in einer ganz eigenen Welt, in der es auch zuhause ist. Diese Welt ist eigenen Gesetzen, Regeln und auch einer eigenen Zeitrechnung unterworfen. Die Uhr tickt dort mit der Tide, das Leben tanzt mit den Wellen, zieht sich mit ihnen bei Ebbe zurück, warum also nicht Schlafenszeit bei Ebbe, Munterkeit bei Flut?

LI mag nicht mit der Tide schlafen gehen, nutzt den Anblick des Schiffes, um diese "Meeresregel" zu umgehen, schließlich ist es ja LIs Bestimmung als Sirene, Seeleute der Versuchung auszusetzen, sie ins nasse Grab zu singen. Es bedarf dieses betötenden Gesanges, der Verlockung, um dieser Bestimmung folgen zu können, auf sich aufmerksam zu machen und der "Geschichte" einen neuen Verlauf zu geben, die Lebensbahnen der "Mannschaft" zu beeinflussen.

Hier hat in LI S3 schon alles (Seemann und Mannschaft) durch den Zirzengesang fest im griff, als sie in seine Augen schaut (sein Blick), sich verliert, aus den Augen verliert, was sie ist und was sie wollte, lieber aus ihrem Griff entlässt und vergeht (hier wäre der rechte Platz für den Schaum aus Andersens Märchen), als ihm zu schaden, verschont selbst die Mannschaft, um dieses einen willen.

Meeresschaum ist vergänglich, krönt nur die Masse der Wellen, bezeichnet ein "Vergehen", bedeutet verschwinden, untertauchen, nicht mehr sichtbar sein, zwischen all den Wellen und Schaumkrönchen, sich nicht mehr aus der Masse heben.

Ich werde mir noch einmal Gedanken darüber machen, ob ich das noch deutlicher herausstellen kann, wenn die im Text hervorgerufenen Assoziationen nicht ausreichen, um die Bedeutung des "ich will vergehen" deutlich zu machen.

Freut mich natürlich sehr, dass dir mein Gedicht trotzdem gefällt.

Liebe Grüße,
Sabine


[u]@ Bipontina[/u]

Ups, ja, verzeih, das war ein Tippfehler, den ich inzwischen berichtigt habe. Hab noch einmal vielen Dank für deine Vorschläge zum "stur", ich werde sie mir durch den Kopf gehen lassen, ebenfalls den "einen".

Liebe Grüße,
Sabine
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