#1

Dialog: Mann und Anderer

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 02.09.2007 17:59
von Michael Lüttke (gelöscht)
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Dialog: Mann und Anderer


Mann:
Mein Papagei kann sprechen. zeigt auf Papagei

Anderer:
Toll.

Mann:
Wollen sie mal hören?

Anderer:
Gerne. Aber nur kurz, wir müssen die Verträge noch durchgehen.

Mann:
Geht zu Papagei
Papa, Papa, Papa, Lori, wo ist der Papa

Lori:
sagst nichts

Mann:
Moment, Lori ist aufgeregt.
Papa, wo ist der Papa. Lori, wo ist der Papa.

Anderer:
Egal, vielleicht will er heute nicht.

Mann:
Ja wo ist der Papa? Lori, wo ist der Papa?

Lori:
frisst ein paar Körner.

Anderer:
Lassen sie mal. Kommen wir zum Geschäftlichen. Ich habe da folgendes für sie ausgearbeitet. holt einen Aktenordner aus der Tasche.

Mann:
Eine Sekunde noch.
Lori, Lori, wo ist der Papa. Sag mal wo ist denn der Papa.
macht mit dem Mund Küsschenbewegungen. Papa, sag mal Papa.

Anderer:
Ich möchte nicht unhöflich klingen, aber in einer Stunde muss ich schon in Düsseldorf sein und ich habe noch dreißig Minuten Fahrt vor mir.

Mann:
Sicher.
Ich hohl nur eben einen Leckerli aus der Küche. Manchmal braucht sie eine kleine Aufmerksamkeit. Geht in die Küche und kommt mit einer Knabberstange wieder. Na, was haben wir denn da? Ein Leckerli für die liebe Lori? Sagt die liebe Lori dann auch mal Papa für den lieben Onkel?
Papa, wo ist der Papa? Na, wo ist der Papa? Lecker, lecker, lecker.

Anderer:
Wir sollten eben zu den Unterlagen kommen, denn....

Mann:
Ja wo ist der Papa? Wo ist er denn?

Lori:
frisst an der Knabberstange

Anderer:
Ihr Papagei frißt. Da wird er jetzt nichts sagen.

Mann:
Moment noch, das klappt immer

Anderer:
Ich habe nicht viel Zeit.

Mann:
Die paar Minuten. Warten sie jetzt. Sehen sie. Sie plustert sich schon auf.
Ja, so ist schön, so machst du das fein. Ja, ja. Papa. Papa. Wo ist der Papa?

Anderer:
Ich muss jetzt los. Wenn sie eben....

Mann:
Was denn?

Anderer:
Ihr Vertrag. Wir sollten wenigstens das Formelle kurz abhandeln.

Mann:
trägt Käfig zum Tisch. Schiebt Tassen zur Seite und stellt Käfig in die Mitte des Tisches. Schauen sie, jetzt wird sie ruhiger. Das ist ein gutes Zeichen. Gleich spricht sie.
Lori, Lori, wo ist die Lori. Ist die Lori aufgeregt? Will die Lori jetzt dem Onkel mal zeigen wie toll sie sprechen kann?


Anderer:
Sie spricht nicht.

Mann:
Sonst immer. Vielleicht weil sie sie nicht kennt.
Gehen sie doch mal eben hinter den Vorhang

Anderer:
Nein.

Mann:
Nur kurz, Dann spricht sie.

Anderer:
Nein.

Mann:
Aber so wird das nichts.

Anderer:
Ihr Papagei spricht heute nicht.

Mann:
nimmt die Hand des Anderen. Komen sie, nur schnell verstecken.
Stellt den Anderen hinter den Vorhang.
So Lori, so ist das schön. Sag mal Papa. Papa, Papa.

Anderer:
hinter Vorhang. Reicht es jetzt. Das wird mir zu blöd.

Mann.
Nur noch einen kleinen Moment. Sie dürfen nicht sprechen.

Anderer:
Ich kann wenigstens sprechen.

Mann:
Soll das jetzt komisch sein?

Anderer:
Nein. kommt hinter Vorhang zurück, Packt seine Tasche.
Ich gehe.

Mann:
Ja auf Wiedersehen.
So, meine Kleine, jetzt kannst du schön Papa sagen.

Mann:
schlägt Türe zu. Rennt Treppe runter.

Lori:
Papa

Mann:
Rennt zum Fenster, macht es auf.
Hallo, kommen sie schnell noch mal hoch. Sie spricht jetzt.

Anderer:
reagiert nicht. Steigt ins Auto, fährt weg.

Mann:
geht zurück zum Käfig.
Das hast du aber fein gemacht. Und sagen wir denn auch mal Lori heute?

Lori:
Papa. Papa. Papa.
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#2

Dialog: Mann und Anderer

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 26.10.2007 18:47
von Schnabi (gelöscht)
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Nun will ich mich mal versuchen.
Ich sehe es als eine Art Sketch, einen Einakter, Dialog, so richtig einordnungsfähig ist es m.E. nicht.

Der erste Eindruck: während des fortschreitenden Lesens musste ich immer mehr schmunzeln, am Ende sogar lachen, was man eigentlich nicht sehr oft tut, wenn man allein ist. Ich finde diese Episode ausgesprochen amüsant!

Erfrischend wirkt auf mich die Kurzangebundenheit der Sprache der Episode (ich nenne das "werk" jetzt mal der einfachheit halber so). Den Titel finde ich nicht so wirklich ansprechend, es fehlt etwas Hinweisendes auf die im Werk enthaltene Komik. Ein Wiedererkennungseffekt hat sich bei der ersten Antwort des Anderen aufgetan: wie oft hat man dieses ablehnende, gleichgültige "Toll." schon gehört. Insofern erweckt es nicht nur Lachmuskeln zum Leben, sondern auch die eigene Erinnerung an etwa verletzende Situationen, in denen man selbst einer Sache eine Wichtigkeit bemaß, die andere (der Andere) nicht begreifen konnten oder wollten. > Ein bisschen Tragik spielt also auch mit. Dies wird bis zum Ende durchgezogen, obwohl sich die Tragik durch die Abnutzung der "gleichgültigen Antworten (die ja immer wieder kommen müssen), etwas abschwächt. Ab dem ersten Nichtsprechen des Vogels war mir klar, dass es auf dieses Ende hinausläuft- ich nehme an, das war so gewollt.
Der Mann ist offensichtlich jemand, der nur noch auf eines fokussiert ist, nämlich, dass die Lori spricht. Er hat zwar die Intention, dies dem Anderen darzubieten, scheint aber nicht sonderlich enttäuscht zu sein, als der Andere (endlich?) gehen muss, sondern widmet sich nun ganz seiner Lori. Ist der Mann ein Träumer, ein liebenswürdiger Spinner, den man (die Leserschaft) wahrscheinlich um seine zeitvergessene Hingabe an etwas scheinbar Nebensächliches beneidet? So kommt er mir jedenfalls vor. Höre ich da auch etwas Gesellschaftskritik an unserer schnelllebigen, konsum- und gewinnorientierten Welt? Es ist jedenfalls so angekommen.
Der Andere hat etwas für den Mann ausgearbeitet.

"Lassen sie mal. Kommen wir zum Geschäftlichen. Ich habe da folgendes für sie ausgearbeitet. holt einen Aktenordner aus der Tasche."

Er hat also, auch, wenn er am Ende selbst nur damit seinen Nutzen maximiert, erstmal eine Investition in den Mann getätigt. Dieser müsste das eigentlich erkennen (selbst, wenn wir bemerken, dass uns jemand nur um seiner selbst willen etwas Gutes tut, fühlen wir uns verpflichtet, auch etwas für ihn zu tun) und ihm entgegen kommen. Tut er aber nicht, und das gefällt mir sehr gut. Ihn interessiert das Angebot schlicht und einfach nicht. Wünschen wir uns, denen vorgaukelt wird, man bräuchte dieses und jenes, nicht auch manchmal, dass uns Angebote einfach nicht interessierten? Ich denke schon. Für mich bringt das Werk das zum Ausdruck. Doch ich will nicht länger in der gesellschaftskritischen Ecke verharren und nocheinmal die Komik erwähnen.

Mit Sätzen wie:

"Papa, Papa, Papa, Lori, wo ist der Papa"

werde ich stark an Leute wie meine Großeltern erinnert. Und das in lustiger Weise, denn durch diese Ballung ihrer Kräfte auf das für manch anderen das Nebensächlichste der Welt, werden sie mir sympathisch und liebenswürdig.

Der Andere hingegen scheint ein gehetzter (er muss gleich weiter), nicht anteilnehmender, wenn es nicht seinen Zwecken dient, eher gefühlskalter Mensch zu sein. Am Anfang bemüht er sich noch, Interesse zu heucheln, vielleicht, damit er zu einem guten, womöglich noch besseren als erhofften Vertragsabschluss kommt. Als klar wird, dass Lori nicht sprechen wird, gibt er die Heuchelei ganz schnell auf, da es ihm keinen Nutzen mehr bringt. Er wird sogar ungeduldig und taktlos:

"Ihr Papagei frißt. Da wird er jetzt nichts sagen."

Die Einbringung eines Vorhangs als dramaturgisches Mittel lässt darauf schließen, dass das Stück auch zur Aufführung gedacht ist. Ich würde mich freuen einer solchen beiwohnen zu dürfen! ;-)

Ingesamt finde ich es gelungen, amüsant und doch mit einem Spritzer Gesellschaftskritik, damit das alleinige humoristische Motiv nicht zu unrelevant wird.

Grüße von Schnabi

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