#1

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 10.01.2008 01:14
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Im Zwielicht

An den Kaninchenställen
treffen wir uns beide im
späten Tageslicht und tauschen
herzliche Geschenke.

Ich teile für uns einen runden
Keks, ein Bruch durch
versiegelte Lippen, doch nur
ein Windhauch schlupft hindurch,
und die Hälften fallen ins Gras.

Wir heben sie auf und
verfüttern sie wie
Halbmonde einer romantischen
Nacht an die warmen
Tiere, die wir streicheln -
schweigend.

Du schenkst mir eine
verweinte Puppe und meinst,
die Zeit sei ein Freund. Ich
grüße ihn stumm in Gedanken.

Wie einfach doch das
Glück ist, denke ich. Ein Wort
im Vertrauen, ein pochender
Herzschlag unter weichem Fell,
ein Lächeln im Zwielicht.

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#2

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 11.01.2008 00:44
von Krabü2 (gelöscht)
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Hallo GW,
das ist schön, das gefällt mir. Es ist vollkommen ungeschminkt, rein, zart.
Mir kam der Gedanke, ob es sich bei den sich Treffenden um 'alte Bekannte' handelt - oder um die erste Liebe.
Ich bin total angetan.
Den Keks stell' ich mir tatsächlich mit einem Gesicht darauf vor, so, wie es da steht, Mürbeteiggebäck vielleicht. Das bröselt schnell mal, wenn man es brechen/teilen will.
Ja, vielleicht ist es wirklich eine Kinderliebe, und der Verweis auf die Zeit als Freund so etwas wie ein Sich-sicher-Sein der Beiden, dass sie sich nicht (aus den Augen) verlieren werden. Ja, es ist wirklich einfach ergreifend in seiner Schlichtheit. Was kann ich noch sagen?
Es ist schützenswert, diese Vorstellung, dieses In-Worte-Fassen von so viel Zartheit.
Grüße
Uschi

PS: *huch*... ich überlege, gebrochenes Schweigen - im Keks - Du hast doch nicht gerade sowas wie Nabokov gelesen und daher vllt. ganz andere Assos als ich hier geschrieben habe? Wieso schrieb ich was von 'schützenswert'?
hooops - ich warte mal lieber auf Deine Antwort....
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#3

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 11.01.2008 08:37
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Uschi,

nein, Deine Assoziationen sind schon nicht so verkehrt, wobei der Gedanke dahinter schon ein anderer war, den ich, und das lag in der Natur der Sache, hier nicht so in den Vordergrund gestellt habe. Ich sage jetzt mal ganz wage, es geht in die grob Richtung meiner Intention, nämlich einer verbotenen Liebe, die unter der Oberfläche einer tiefen Freundschaft wächst.

Vielen Dank für Deinen Kommentar.

Liebe Grüße,
GW

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#4

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 11.01.2008 09:48
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
hallo GW

mir gefällt der Vergleich mit den Halbmonden sehr. und die Zeit, die stumm wie ein Freund gegrüßt wird.

vor allem wegen der Puppe, habe ich an Menschen denken müssen, die eher Kinder sind, als Erwachsene. ich sehe den Text deshalb, obwohl im Präsens gehalten, als Rückblick, als eine Remineszenz an Kindheit oder Jugend.

"Kaninchenställen" nur mit drei "n" bitte

Gruß
Alcedo


e-Gut
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#5

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 11.01.2008 10:05
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hi Alcedo,

danke Dir vielmals für die Interpretation und für die Korrektur!
Deine Interpretation gefällt mir.
Zu meiner Intention schrieb ich ja schon zumindest einen Satz.

Viele Grüße,
GW

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#6

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 11.01.2008 10:35
von corvinus (gelöscht)
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Salut Geratewohl,
gefällt mir sehr! Obwohl ich erst einmal Anlauf nehmen musste, um die Kaninchenstall-F.Degenhardt-Schmuddelkinder-Assoziations-Hemmschwelle zu überwinden. Hat sich aber gelohnt. Nur die S2. erscheint mir ein wenig unrund, ohne dass ich es konkretisieren kann. Das sind ja immer so die hilfreichsten Tipps ;-)
Löwenzahngruß
c.
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#7

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 11.01.2008 14:53
von bas[ti]an (gelöscht)
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hallo geratewohl,

die erste Frage die ich mir persönlich gestellt habe.."nimm einfach den Keks und du wirst alles vergessen, im Grunde glaubst du doch gar nicht an das Schicksal, wenn du ehrlich bist" ist mir mal eben so durch den kopf geschossen...so dass mich die Kaninchenställe eher an den Wunderbau von Alice erinnern, jedoch ist diese ja in der Traumwelt, so dass der Kaninchenstall irgendwo zwischen den Dingen hängt, halt im Zwielicht...denn auch Teile dieses Werkes scheinen im realen und im gedachten oder erfundenen zu schweben...um mich kurz zu fassen ich finde das Werk gut.

LG basti
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#8

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 11.01.2008 22:49
von Rabekin (gelöscht)
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Hi GW,

auch wenn einiges bereits gesagt worden ist ... Dein Gedicht wirkt auf mich vor allem durch zwei sinnliche Komponenten – zum einen die Lichtstimmung, zum anderen über alles, was sich da über den Tastsinn be-greifen lässt.
„Zwielicht“ bedeutet, daß das Licht aus zwei Quellen strömt. Es wird aber auch im Sinne von Hell-Dunkel, Dämmerung, Grauzone gebraucht. Beides scheint mir in Deinem Gedicht enthalten zu sein. Das lyrische Ich und Du, als zwei Lichtkegel, zwischen denen sich etwas romantisch entwickelt, das als Glücksmoment empfunden wird. Die Begegnung ist aber auch „im späten Tageslicht“, in einer Dämmerung, getaucht, lässt einen uneindeutigen Zwischenraum entstehen, wie die Annährung von Tag und Nacht. Die „versiegelten Lippen“ und das Schweigen deuten auf etwas Unausgesprochenes hin, das vielleicht nicht ausgesprochen werden braucht.
Etwas Mystisches liegt in der Luft, ich kann es aber nicht genau festmachen.
Der Moment lässt sich sensibel erschließen über das Streicheln des Kaninchenfells und die Wärme. Es fühlt sich jedenfalls sehr kuschelig an. Die Szene hat – durch die kleinen Tiere, die „verweinte Puppe“, den geteilten Keks - etwas Kindliches, Verletzliches und zugleich Vertrauenschaffendes an sich.
Die prosaische Form lässt das Gedicht passenderweise weicher wirken.
Finde ich sehr schön, wie Du es schaffst, das Gefühl so zart, zerbrechlich und prägnant zugleich herauszuarbeiten.

lG
Rabekin
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#9

Im Zwielicht

in Liebe und Leidenschaft 13.01.2008 18:18
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo corvinus, basti und Rabekin,

ich danke Euch vielmals für die Kommentare.

@corvinus: Ich glaube, ich weiß, was Du meinst mit der zweiten Strophe, weil die für mich auch stilistisch etwas aus dem erzählerischen raushaut.

@basti: Die "Alice im Wunderland"-Assoziation finde ich interessant und trifft ganz gut die Stimmung, die ich auch erzielen wollte, aber ich hatte da gar nicht bewusst dran gedacht.

@Rabekin: Ich bin wie immer begeistert von Deiner Deutung und einfühlsamen Beschreibung. Du hast recht. Es liegt etwas Unausgesprochenes in der Luft. Aber es gibt dafür andere Dinge, die sprechen, wenn auch nicht mit Worten.

Viele Grüße,
GW

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