#1

Ahnung

in Düsteres und Trübsinniges 18.02.2008 15:49
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte

Ahnung


Vor meinem Zimmer, auf der Schwelle,
stand letzte Nacht, mit müdem Blick,
ein allzu fahles Kind.

Es trat ein Weilchen auf der Stelle
und wollte nicht ins Bett zurück,
wie Kinder eben sind.

Ich hatte nicht den Mut zu fragen,
was seinen starren Blick betrog.
Doch als der Mond nach Westen zog,
die Rabenscharen sich erhoben

und in den Morgennebel flogen,
verflüchtigte sich auch das Kind.
Und durch die Bäume rauschte Wind,
wie leises Totenklagen.




alte Version

Vor meinem Zimmer, auf der Schwelle,
stand letzte Nacht, mit müdem Blick,
ein gar zu fahles Kind.

Es trat ein Weilchen auf der Stelle,
und wollte nicht ins Bett zurück,
wie Kinder eben sind.

Ich hatte nicht den Mut zu fragen,
was seinen starren Blick betrog.
Doch als der Mond nach Westen zog,
pechschwarze Raben sich erhoben,

und in den Morgennebel flogen,
verflog das Kind, - das Haar schneeweiß.
Und durch die Bäume raunte leis
ein unheilvolles Totenklagen.


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#2

Ahnung

in Düsteres und Trübsinniges 18.02.2008 17:54
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Ich begrüße Dich, Simone!

Als Erstes fiel mir in Vers 3, Zeile 2 auf:
was seinen starren Blick betrog.

Bist Du Dir da sicher, daß dieses betrog richtig eingesetzt ist?

Dann sehe ich den Ort des Geschehens: Zuerst stand das
Kind vor der Schwelle vor dem Zimmer. Dann geht es um die Morgendämmerung.
Jetzt erahne ich ungefähr, was das von Dir angestrebte symbolische Gedicht will. Das 'raunte leis' ist eine Geschmackssache, aber mit dem 'Haar schneeweiß' hast Du nicht viel Spielraum für einen Reim.

Gar nicht leicht, in Reimform, die zu sehr knebelt, treffender ein
'verflüchtigte' anstatt 'verflog' einzusetzen.
Welche Bedeutung ich dem müden Blick (bei einem Kind) zuschreiben soll, ist viel, kann ich schwer in Wort kleiden, wogegen man dem 'fahl' abgesehen von krank, rasch dazu neigt, Angst zu unterstellen.

Auf jeden Fall ist es unheimlich, im Zeitraffertempo das Leben/Altern wie einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Wer noch nicht betroffen ist von der Tatsache, könnte es werden.
Dichter haben es schwer, auch dann wenn ein Ersatz für das sehr oft verwendete 'pechschwarze Raben' gefunden werden sollte.

Ich weiß, wie wenig zufriedenstellend mein posting hier sein muß, bin ich doch für Deine Begriffe zu wenig ins Detail gegangen. Einen Kommentar war es mir wert, auch wenn entnehmbar ist, wie mühevoll ich ihn mir abrang. Warum fabrizierst Du bloß auch so schwere Gedichte?

Mit Gruß
Joame

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#3

Ahnung

in Düsteres und Trübsinniges 18.02.2008 19:27
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Simone,

schön gruselig geht es ja zu in Deinem Geistergedicht.
Doch einige Kleinigkeiten stören mich.
Erstmal eine kleine Korrektur in Sachen Zeichensetzung. Nach "erhoben" kommt kein Komma, also weg damit.

Das etwas altertümlich anmutende "gar" beist sich mit der moderneren Formulierung, "wie Kinder eben sind" und würde ich an Deiner Stelle durch ein "leicht" ersetzen. Dann klingt es auch nicht mehr nach Füllwort.
Ansonsten gefallen mir die ersten zwei Strophen ausgenommen gut.

Die dritte schon nicht mehr so. Ich kapiere nicht, wie das lyrische Ich darauf kommt, dass der Blick des Kindes betrogen wurde. Nix, aber auch gar nix deutet für mich darauf hin. Eher, dass das Ich sich überlegen sollte, ob sein Blick hier auf ein allzu fales Kind in der Diele betrogen wird.
In der letzten Strophe hätte ich auch gerne mehr darüber gewusst, wie das Kind verfliegt, denn das kommt ja nun nicht jeden Tag vor, dass ein weißhaariges Kind im Flur erst mirnichtdirnichts erscheint und dann verfliegt.

Ansonsten vom Aufbau her gefällt es mir gut, auch wenn ich dies nur tue, wenn ich das nicht als umgekehrtes Sonett betrachte, denn dazu taugt es nun wieder nicht so recht wie ich finde. Ich würde an Deiner Stelle noch ein bisschen rumbasteln, vielleicht sogar atwas länger machen, vielleicht zu einer Art Balade. Eine Geisterbalade, dafür sehe ich hier einen Keim. Das würde ich gerne lesen.

Viele Grüße,
GW



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#4

Ahnung

in Düsteres und Trübsinniges 19.02.2008 13:26
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte

Hallo Joame


dein Kommentar war alles andere als wenig zufrieden stellend, ganz im Gegenteil, denn endlich hat mich mal jemand verstanden.
ich fürchte bis ins kleinste Detail kann ich es auch nicht erklären. es ist mehr so ein Gefühl von Erkennen der Vergänglichkeit, und das dadurch Verlieren der Unschuld, was ja ein Entwicklungsprozeß innerhalb des Lebens/Alterns ist.

mit dem „betrog“ habe ich lange rumüberlegt, ob ich die Stelle ändere in „was meinen starren Blick betrog“
aber irgendwie scheint mir das passend wie es ist. das Kind/die Jugend wird getäuscht, erliegt einem Trug oder Trugbild. ich weiß nicht, ist wahrscheinlich wieder zu wirr, aber es klingt für mich richtig. oder meinst du mit „meinen Blick“ wäre es besser?
ja, das „raunte leis“ ist wohl nicht so das wahre, genau wie die „pechschwarzen Raben“. mit „verflog“ meinte ich „verflüchtigt“, habe es aber nicht unter gekriegt und dachte das geht so, ein Duft kann ja auch verfliegen.
ich habe das mal geändert allerdings bin ich nicht sicher ob der Inhalt ohne das weiße Haar noch rüberkommt. für die schw. Raben ist mir aber nichts besseres eingefallen.

Besten Dank und Gruß
Simone

Hallo GW

erstmal Danke fürs Komma. das „gar“ kann ich nicht durch „leicht“ ersetzen, das paßt nicht ins Metrum, aber ich habe es in „allzu“ geändert, das ist vielleicht nicht ganz so altertümlich. und ein Füllwort war es eigentlich nicht, das hatte ich mit Absicht gewählt.
das mit dem betrogenen Blick hat Joame ja auch bemängelt, ich kann mich aber noch nicht zum ändern aufraffen. ist das wirklich so unverständlich? das Kind unterliegt einer Täuschung, sein Blick wird betrogen. o.k. wenn es keiner außer mir es versteht, sollte ich es wohl doch ändern.
das Kind verfliegt im Sinne von verflüchtigen, aber das war wohl nicht das richtige Wort.
allerdings muß ich die Form verteidigen, ich würde es durchaus als umgekehrtes Sonett bezeichnen.
vielleicht schreib ich mal ne Ballade, aber das möchte ich schon so lassen wie es ist. ich habe aber einiges geändert.

Besten Dank und Gruß
Simone


Neu

Vor meinem Zimmer, auf der Schwelle,
stand letzte Nacht, mit müdem Blick,
ein allzu fahles Kind.

Es trat ein Weilchen auf der Stelle
und wollte nicht ins Bett zurück,
wie Kinder eben sind.

Ich hatte nicht den Mut zu fragen,
was s(m?)einen starren Blick betrog.
Doch als der Mond nach Westen zog,
pechschwarze Raben sich erhoben

und in den Morgennebel flogen,
verflüchtigte sich auch das Kind.
Und durch die Bäume rauschte Wind,
wie unheilvolles Totenklagen.


ich wäre für eine nochmalige Rückmeldung wegen der Änderungen dankbar.

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#5

Ahnung

in Düsteres und Trübsinniges 20.02.2008 07:33
von Wortfotografin (gelöscht)
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hallo simone

mein erster gednke, nach dem "grusel" galt ebenfalls der zeit, nicht ganz so weit wie die von jaome, ehr wie als würde ein tag in dieser nacht sterben, also durch das der krasse ende immer noch eine möglichkeit bleiben, mehr aus dem zu machen, sollte das "kind" wieder einmal mahnend vor einem stehen...

die wahl so ein thema in dieser form zu nehmen ist gewagt und hat hier gewonnen.
lg silvi
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#6

Ahnung

in Düsteres und Trübsinniges 20.02.2008 09:54
von Erebus (gelöscht)
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Hallo Simone,

mehr davon - ja, eine Ballade wäre schön.
Ich würde übrigens die letzten Verse der Terzette kürzen: "ein fahles Kind" "wie Kinder sind" - das genügt meines Erachtens vollauf.

Und in dem Zuge könnte man auch über die Attribute der letzten Verse der Quartette nachdenken, ob die wirklich stringent sind, oder nur in die Länge ziehen.
Die Stimmung finde ich gut gemalt, das gefällt mir sehr.

LG
Uli
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#7

Ahnung

in Düsteres und Trübsinniges 20.02.2008 15:13
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hallo Silvi

freut mich, daß es dir gefällt. deine Interpretation paßt auch gut, ich bin froh, daß ich meine Intention vermitteln konnte.

Besten Dank und Gruß
Simone

Hallo Ulrich

ich werde mal googeln müssen, wie eine Ballade überhaupt aussehen muß (der Erlkönig ist glaube ich eine, gell?) vielleicht schreib ich dann wirklich mal eine.

die Verkürzung der Terzette ist bedenkenswert, allerdings kann ich mich noch nicht ganz damit anfreunden, weil mir dann das zweite Terzett nicht mehr so gefällt. auch bei den Quartetten wäre es eine Möglichkeit das pechschwarz rauszukriegen.

Danke für die Vorschläge und das Lob mit Gruß
Simone
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