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Brief an die Ausschlachter

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 21.04.2008 21:05
von Michael Lüttke (gelöscht)
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Brief an die Ausschlachter

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich schreibe Ihnen diese Zeilen, nicht etwa, weil ich zutiefst betroffen bin,
sondern, weil mich der Verlust einiger individueller Einzelteile doch weniger hindert,
als ich es bei Vertragsabschluss gedacht hatte.

Zu meiner Verwunderung ist die Entnahme des Gefühlszentrums bisher nicht wesentlich ins Gewicht gefallen.
So führe ich meine Ehe und meine sozialadäquaten Kontakte wie bisher
und verzichte lediglich auf die Unterstützung meines Handelns durch eine emotionale Mimik.
Die Reaktionen hierauf sind mir unbekannt, da ich mich auch jetzt zeitlich nicht in der Lage sehe,
Interpretationen zu finden.

In speziellen ist mir aufgefallen, dass der Verlust der äußeren Geschlechtsorgane
durchaus auch positive Aspekte aufweist.
Der Paarungsreiz ist zwar erhalten worden ( weiß Gott, wie sie dass gemacht haben ),
aber durch den Umstand, dass eine Realisation nicht praktikabel ist, fällt der Verzicht auch nicht ins Gewicht.
Wie bereits weiter oben schon erwähnt, bin ich also auch hier in der Lage
meine Ehe wie bisher aufrecht zu erhalten.
Ähnlich gute Erfahrungen kann ich ihnen auch von der Amputation meiner Beine berichten.
Denn wo ich noch vor Monaten das innere Bedürfnis hatte, mich zu beeilen,
habe ich jetzt eine sehr ausgeglichene Einstellung zur Zeit bekommen.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen und der tiefen, ehrlichen Zufriedenheit,
würde ich Ihnen gerne mein Gehirn anbieten.
So weit nichts dagegen spricht und sie mein Angebot annehmen,
würde ich mich am 25.04. diesen Jahres in ihrer Klinik einfinden
und sie könnten mir dieses lästige Organ entfernen.

Die Erfahrungswerte, die meine Frau, die diesen Eingriff jetzt drei Monate hinter sich hat,
gemacht hat, sind sensationell.
Sie hat bisher kein einziges Wort darüber verloren, doch zeigt mir
ihr entspannter und unangestrengt wirkender Gesichtsausdruck,
dass sie in vollkommener Ruhe und Entspannung vor sich hinvegetiert.

Das ist es, was ich immer erreichen wollte.
Den Zustand, der absoluten Zufriedenheit.

Ich hoffe wir werden uns auch hier geschäftlich einig.
Die Haare meiner Tochter und die Arme meines Sohnes sind ihnen in der letzten Woche bereits geschickt worden.
Leider ist die Gutschrift auf meinem Konto noch nicht erfolgt.

Ich bitte sie dieses zu noch zu organisieren

und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

C.C.
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