#1

Eduard Mörike (1804 - 1875)

in Rumpelkammer 22.05.2008 22:39
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Um Mitternacht


Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand;
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.

Das uralt alte Schlummerlied
Sie achtet's nicht, sie ist es müd';
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.


(1827)

e-Gut
nach oben

#2

Eduard Mörike (1804 - 1875)

in Rumpelkammer 02.07.2008 18:43
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Erstes Liebeslied eines Mädchens


Was im Netze? Schau einmal!
Aber ich bin bange;
Greif ich einen süßen Aal?
Greif ich eine Schlange?

Lieb ist blinde
Fischerin;
Sagt dem Kinde,
Wo greifts hin?

Schon schnellt mirs in Haenden!
Ach Jammer! o Lust!
Mit Schmiegen und Wenden
Mir schlüpfts an die Brust.

Es beißt sich, o Wunder!
Mir keck durch die Haut,
Schießt 's Herze hinunter!
O Liebe, mir graut!

Was tun, was beginnen?
Das schaurige Ding,
Es schnalzet da drinnen,
Es legt sich im Ring.

Gift muss ich haben!
Hier schleicht es herum,
Tut wonniglich graben
Und bringt mich noch um!


(Juni 1928)

e-Gut
nach oben


Besucher
0 Mitglieder und 6 Gäste sind Online

Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: Christian87655
Forum Statistiken
Das Forum hat 8220 Themen und 61619 Beiträge.

Heute waren 0 Mitglieder Online:

Besucherrekord: 420 Benutzer (07.01.2011 19:53).