#1

Verkündung

in Liebe und Leidenschaft 29.09.2008 09:18
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
                 Verkündung

  

Sendet eine Nachtigall durch tauschwere Tropfen
hinein in die stille Mainacht ihr Lied,
grüßt sie ein verliebt engumschlungenes Pärchen
das, Stunden durchküssend, bis spät noch hier blieb.

Klingt aber ihr Schluchzen aus dornigen Schlehen,
die an den Zaun eines Friedhofes grenzen,
hält inne im Schaufeln ein trunkener Gräber,
in seinen Augen beginnen Tränen zu glänzen:

"Schweige du Fluch meines vergeudeten Lebens,
der du mir mit bebender Kehle da singst ..."
"Du spürst es im tiefsten deines verdunkelten Herzens -
ich bin Teil einer Welt, den du miedst und umgingst.

Umsonst ist dein Weinen, dass du nichts geleistet,
wenn weithin dein Schaffen nur leblosem dient;
begrabe die Angst vor dem Fluch tief im Boden
und setz ihr ein Kreuz, wie's verstorbenem ziemt."

"Sind um mich nur Kreuze, kann keines sie bannen;
eine Kraft mich gespenstisch befiehlt und bewacht ...
Verdammender Spötter, kannst du denn nicht schweigen -
störst mich und die Ruhe der mondhellen Nacht!"

Den letzten Schauer der Ehrfurcht verdrängend,
wirft er grölend die Flasche zum Heckenzaun hin,
aufschauend dann, sieht er nur einsame Sterne
und dazwischen die Nachtigall weiterziehn.

                                 *

Sich stundenlang küssend, sind sie nur für sich da
und haben verliebt engumschlungen wohl gar nicht gehört,
wie der Schlag der Nachtigall in der Mainacht verhallt,
ihre Stille vertieft, und sie darum nicht stört.




e-Gut
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#2

Verkündung

in Liebe und Leidenschaft 11.10.2008 03:30
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Alcedo,

dein Gedicht hat in mir viele Gedanken ausgelöst - einer war ein Titel: Der Abschied (das Ende) der Nachtigall.

Ein Gedicht, in welchem die Nachtigall die Hauptrolle spielt, das muss unbedingt gut klingen. Manchmal musste ich stocken (S2V4) doch das Gedicht zerging mir schon beim zweiten mal lauten Lesens wohlschmeckend auf der Zunge.
Während Verse wie

Zitat:

grüßt sie ein verliebt engumschlungenes Pärchen
das, Stunden durchküssend, bis spät noch hier blieb.


in einem schönen Anapäst daherkommen, passt es metrisch doch nicht immer:
Zitat:

Du spürst es im tiefsten deines verdunkelten Herzen



Ich muss auch sagen, ich finde das Gedicht fast zu lang, denn wenn man sich daran macht, mehr als drei Strophen anzustreben, dann sollte auch klanglich das Niveau durchweg gehalten werden, damit Längen, die der Leser empfindet, zumindest durch Singsang wettgemacht werden.

Gleichzeitig irritiert es mich, dass ein Gedicht von 7 Strophen bereits auf den durchschnittlichen Online-Leser abschreckend wirkt, wo 7 Strophen so viel in sich vereinen können. Ich will nicht sagen, dass es nicht klingt, sondern, dass die Leser, um es durchzuhalten, mehr Kürze fordern. Aber mal ehrlich, für wieviele Leser schreiben wir schon? Da können wir doch gleich für uns selbst schreiben, und den Moment des Fertigseins nach den Stunden der Fertigkeiten geniessen.

Was mich vor allem an dem Gedicht beeindruckt war dieses Bild der Nachtigall und der Verliebten, welches der Gräber kennt und deshalb so unendlich tief stürzt bei diesem schrecklich schönen Gesang der Verheißung von Frühlingsfrische, von Erhabenheit und Magie, jenen grausam verstümmelten Idealen, die allesamt tief in ihm vergraben darauf warten, hervorzubrechen und ihn an die vergangenen und nicht ganz vergessenen Scheidewege seines Lebens und nicht zuletzt seines Scheiterns zu erinnern.



Ich muss zugeben, ich habe noch nie eine Nachtigall hören dürfen und dank unserer Umweltbedingungen auch noch nie eine gesehen. Deshalb biete ich allen interessierten Lesern an jenem gefiederten Ideal der Dichter folgenden Link, hinter welchem sich der Gesang dieses wundervollen Geschöpfes verbirgt, an:

http://www.eventsupport-berlin.de/fileadmin/user_upload/sounds/tiere/Nachtigall.mp3

Ein kleiner Hinweis: In S4Z1 muss "weinen" groß geschrieben werden. Auch der "ziemt" - "dient" reim ist vertetbar, aber eben nur vertretbar.


Ps:


Ich habe dich, oh Nachtigall, noch nie gehört, noch nie gesehen.

Meine Augen, Nachtigall, sie haben dein noch nie gewahrt.
Meine Schritte, Nachtigall, sind deinetwegen nie erstarrt.
Mein Herz, oh Nachtigall, es hat dein Lied noch nie gedungen.
Mein Lied, oh Nachtigall, du hast es mir noch nie gesungen.

Mir scheint, du bist ein Schein der Dichter,
als sängest du in taube Trichter -
mir scheint, du hast die Zeit verloren
und für die Trauer auserkoren,
singst du für früher frühe Ohren,
die sich im Wandel längst verloren.

Mir scheint, oh süße Nachtigall, dein Lied werd ich wohl nie verstehen.



E-LITEratum: reimt Laute - traut Meile - Mut elitaer - eitel Armut - Traum leite - Eile tut Arm - Reimtet lau - Laut Metier - Maul eitert - Team Urteil
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#3

Verkündung

in Liebe und Leidenschaft 15.10.2008 10:23
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
hallo Willi

danke für den Link zur Stimme und vor allem für den ausführlichen Kommentar samt Versen.
"Weinen" hab ich korrigiert und es hier und auf meiner Festplatte groß geschrieben.

freut mich dass es beeindrucken konnte.

sie ist ja von unscheinbarem Aussehen, die Nachtigall. am auffälligsten ist noch der rostrote Bürzel und die große Klappe.
hier in D kenne ich auch nur wenige Stellen an denen sie zur Brutzeit regelmässig zu hören ist (Berlin-Tiergarten). kleiner Tipp: zur Zugzeit, also im April bis Mai kann man sie häufiger hören. vor allem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Tälern, aber auch entlang von entsprechend ausgerichteten Landstrassen, die noch von Alleen gesäumt sind. sie stimmen sich auch in der Zugzeit schon kräftig ein. übrigens singen sie nicht nur Nachts, sondern auch tagsüber. aber nachts singt sonst meist keiner mehr. und ich muss wohl nicht betonen dass ihr kräftiger Schlag aus einem nächtlichen Wald oder Park noch ganz anders klingt als aus den Lautsprechern.

Gruß
Alcedo

e-Gut
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