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GNORP!

in Märchen, Fabeln, Sci-Fi und Fantastisches 04.10.2008 14:59
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Gnorp!


Auf der Flucht

Es war einmal ein Troll namens Gnorp. Er lebte im Reiche des Lords Elf Gin. Lord Elf Gin war ein bescheidener Fürst, der über die Lybits herrschte und gern Süßes aß. Was Gin nicht ausstehen konnte, waren Trolle wie Gnorp. Trolle waren schmutzig, sie stanken und kannten keinen Kamm und obendrein schissen sie überall hin und vornehmlich vor Lord Gins bescheidene Hütte. Ein Trollschiss stank sogar schlimmer noch als das Kraut, das Gin gern schmökte und so wurde es ihm eine Herzensange-legenheit, sein Reich von allen Trollen zu befreien. Angst, Angst hatte Lord Elf Gin nur davor, dass ihm der Himmel über den Kopf fiel oder ein Lybit sich an einem Troll verging.

Da Gins Reich sich über viele grüne Auen erstreckte, konnte er natürlich nicht immer und überall zur gleichen Zeit sein. Aber Gin war nicht auf den Kopf gefallen, obwohl er etwas unbeholfen wirkte in seinem weiten Mantel und seinem viel zu großen Hut. Es passierte nicht selten, dass Gin so in Gedanken war und darüber nachdachte, wie er die kleinen, schwarzen, lederhäutigen, großnasigen und nicht selten auch groß-mäuligen Trolle noch besser fangen, einsperren oder für immer von der Oberfläche verbannen könnte, denn in ihren Höhlen, tief unter der Erde, konnten sie – wenn es nach ihm ginge und das ging es ja nun mal - treiben was sie wollen, dass er derart versunken häufiger vergaß, sich auf den Weg zu konzentrieren und in einen Troll-fladen latschte. Das nervte Gin.

Aber meistens kamen ihm dann die besten Ideen, wie er die kleinen, kecken Kerle zur Strecke bringen könnte, verzog sich umgehend in sein Kämmerlein, bastelte aus Modminkraut, Cookiecrackern, Hackbackern und Propellern skelettartige Ipse zu-sammen, denen er, dank des Musenkusses, den alle Lybits vom großen Keks be-kommen haben, Leben einhauchte. Bald darauf ließ er die Ipse ausschwärmen, um die krausen Knilche zu killen wo immer sie seien und so ein krauser Knilch war auch Gnorp.


Gnorp watschelte auf seinen Füßen mehr, als dass er rannte. Er verfluchte seinen unförmigen Leib und den dicken Schwanz, der ihm zwar Stabilität verschaffte, aber beim Sprint durchs Unterholz, so wie gerade jetzt, eher ausbremste. Dicht hinter Gnorp schwirrten zwei Ipse, die immer wieder Knuddelpampe nach ihm ausspuck-ten. Diese Pampe brannte fürchterlich auf Trollhaut und falls ein Troll sie verschluck-te, blähte sich sein Magen auf und er platzte wie ein Luftballon. Gnorp hatte das einmal mit ansehen müssen.


Auf dem Marktplatz von Metrik, der Hauptstadt Lybiens, dem Reich der Lybits, war es gewesen, dass er, gut versteckt unter der großen Plumper-Tarnkappe seines Vaters Bulbus, mit ansehen musste, wie ein gefangener Troll unter großem Hallo und Ge-lächter am Pranger mit Pampe gemästet wurde. Bald blähte der Troll sich auf, seine Augen quollen hervor und dabei quäkte der kleine Kerl ganz elendig, bis er endlich geplatzt war und als stinkende grüne Brühe über alle hernieder ging.

Ein dicklichter Lybit, dessen Gesicht übersät von feinsten Tröpfchen des grünen Trollbluts war, quietschte vor Vergnügen auf und rief immer zu, dass endlich der fie-seste aller fiesen Trolle in tausend Teile sei. Mikez ist tot, Mikez ist tot, lachte und tanzte der Knabe auf den stinkenden Resten des Trolls.

Gnorp heulte nicht und sein Vater bemerkte trocken: So, jetzt stinken wir alle wie Trolle. Er hatte seinen Sohn zur öffentlichen Hinrichtung mitgenommen, da der schon früh erkennen sollte, was einem Troll in der Oberwelt so drohte, wenn man sich von Elf Gin oder seinen Häschern erwischen ließ. Wenn du in die Oberstadt gehst, ver-giss nie deine Tarnkappe, damit du wie ein Lybit aussiehst, flüsterte Gnorps Vater ihm zu, entfernte sich, weiterer Kommentare enthaltend, langsam vom Spektakel und ging mit ihm zurück zur Trollhöhle.


Ach, hätte Gnorp die Klappe zur Höhle doch jetzt nur schon erreicht und wieso hatte er auch seine Tarnkappe vergessen, dann hätte er jetzt nicht diese Ipse an den Ha-cken. Einmal hatten sie ihn schon am Hintern getroffen und es juckte und brannte in der Kimme wie die Feuerwehr. Auf einmal stieß einer der Ipse ganz nahe bei ihm hinab ins Gehölz, sein Propeller mähte die Zweige weg und er war schon dicht an Gnorps Gesicht, zielte und wollte ihn gerade anspucken, da setzte Gnorp zum Sprung an und die Pampe des Ips verfehlte das Ziel. Gnorp machte zwei, drei Schrit-te in der Luft und rollte sich dann wie zu einem Ball zusammen.

Wenn der kleine Gnom es richtig berechnet hatte, dann würde er mit voller Wucht die kreisrunde Eingangsklappe der Trollhöhle im Boden treffen und hoffentlich drehte sie sich noch, wenn die Ipse ihm folgen wollten. Mit Schmackes schlug er durch die Klappe, dass selbige im Affenzahn sich um ihre eigene Achse drehte und beide Ipse, die in den Schacht hinterher stoßen wollten, wie Streichhölzchen geschreddert wur-den.

Der Aufschlag in der Höhle war hart und Gnorp torkelte seit-, vor- und rückwärts und seine Pupillen kullerten in seinen Augen wie Sprungbälle herum. Ein älterer Troll, der auf dem Weg nach oben war, kam vorbei, runzelte die Stirn, murmelte: Na, da haben wir aber noch mal Schwein gehabt, kleiner Mann und schlug Gnorp einmal kurz und heftig auf den Rücken. Das half erstaunlich gut und Gnorp hatte wieder alles unter Kontrolle.

„Danke. Wohin des Wegs?“, fragte Gnorp den Alten, als sei nix passiert..
„Vor die Tore von Metrik, will ich“, grummelte der Alte, und begann den Schacht hochzuklettern.
„Warum gerade dahin?“, insistierte der junge Troll, neugierig geworden.
„Da soll ein seltsames Wesen seine Zelte aufgeschlagen haben. Hier unten wird man aber nicht schlau aus den Gerüchten, darum will ich selbst sehen, was an der Sache dran ist“, antwortete der Troll, ohne sich umzudrehen. Gnorp schaute ihm hinterher und rief dann noch spontan: „Und wie heißt Deine Tarnkappe? Ich meine, nur für den Fall, dass wir uns oben begegnen?“
Der Alte stoppte seinen Aufstieg, blickte sich um und erwiderte:
„Ich habe mich für Metapher entschieden.“


Irgendwas war im Busch. Auch Gnorp hatte bei seinem Streifzug, der eben fast in die Hose gegangen wäre, davon gehört. Er war durch die Dörfer um Metrik geschlichen und hatte die dort wohnenden Lybits heimlich belauscht. Er hatte im Gebüsch ge-hockt und Trollspaß daran, wie Frau Pitti und Frau Platschi sich unterhielten. Für Gnorps Ohren hörte es sich so an, dass die beiden Damen sich gegenseitig ihre leicht unterschiedlich gewürzten oder versalzenen Formfleischverse aus der Lybit- Reimdich-Scriptura zum Kosten gaben und sich gegenseitig versicherten, wie delikat es doch die jeweils Andere zubereitet habe.

Ja, sie überschlugen sich in gegenseitigen Höflichkeitsfloskeln. Gnorp konnte das nicht mehr aushalten und war kurz davor, aus dem Gebüsch zu springen und Fratzen und Grimassen zu schneiden und den beiden Pappnassen, wie er sie nannte, einen ordentlichen Haufen vor die Füße zu setzen, weil es nun mal in der Natur eines Trolls lag, fies und böse zu sein. Aber glücklicherweise überlegte er es sich noch einmal, denn von Ferne hörte er hohen Hörnerklang, das Dröhnen von Bombasticos nebst Trommelschlag und Hufgetrappel.

„Seht nur, es ist der Vizelord Kalterersee mit seinem Knappen Kruzifix.“ Gnorp hörte an der Stimmlage, dass die Damen tief bewegt waren und sich nur noch, obwohl der edle Zug noch ein ganzes Stück entfernt war, zu tuscheln getrauten. Die Beiden wa-ren ganz verzückt vom Vizelord. Der könne jede haben, meinten sie, wirklich jede.

Der Bombast-Sound der begleitenden Musikanten schmerzte Gnorp sehr in seinen Ohren und so war er froh, als der Trupp herangekommen war und Kalterersee dem Spiel seines Begleitorchesters endlich Einhalt gebot. „Aye, ihr fröhlichen Damen von Lybien“, begrüßte der Vizelord mit volltönender, sonorer Stimme die Damen. „Nie werde ich Verse finden, die eure Schönheit spiegeln könnten, um sie für die Nach-welt zu erhalten. Ich darf mich damit trösten, euch so gesehen zu haben, wie der große Keks Euch geschaffen hat. Aber sagt, welche Spezereien haltet Ihr in euren Händen?“

Kalterersee beugte sich über sein Pferd und die Damen kamen ganz aufgeregt zu ihm hin und ließen ihn von ihrem Schmalz in Versen kosten. Gnorp achtete genau auf die Mimik des Herren, als der aß, aber der verzog selbige nicht, sondern ließ es sich nicht nur schmecken, sondern sogar nachreichen und dann lobte er die Damen in höchsten Tönen. Jetzt, dachte Gnorp, jetzt muss ich aber heraus aus meinem Ver-steck und dieses Schmierentheater mit einem ordentlichen Furz beenden – und mich dann sofort durch die Mitte verpissen.

Doch wieder machte der edle Herr ihm einen Strich durch seinen Plan, denn nun musste Gnorp neue Töne hören, die der Schwerenöter geschickt mit seinem Süßholz verraspelte. Dort fehle vielleicht doch eine Nuance von jenem und da sei ein Pri-schen zuviel von diesem. Die Damen störte es aber nicht, dass er auf einmal so kri-tisch geworden war; eifrig schrieben sie mit und konnten anscheinend ihr Glück kaum fassen. Das war sehr seltsam, befand Gnorp und kratzte sich am Kopf.

Die Haare eines Trolls sind wie die Borsten einer Stahlbürste und riechen gar nicht gut. Als Gnorp sich nun dergestalt kratzte, erregte der aufkeimende Gestank die Aufmerksamkeit des Knappen Kruzifix. Wortlos stieß er seinen Herrn an und zeigte in Gnorps Richtung. Gnorp hörte augenblicklich auf und schluckte. Ohne einen Über-raschungsmoment würde es gefährlich werden.

„Meine Schönen, unsere grünen Auen werden mal wieder heimgesucht von bösarti-gen Kreaturen. Ihr habt nicht zufällig einen Troll hier in der Nähe gesehen?“ Alle Freundlichkeit war aus Kalterersee gewichen und seine Stimme war schneidend. Pitti und Platschi ahnten, dass der barsche Ton nicht ihnen, sondern einem Fiesling in der Nähe galt. Sie schüttelten beide ängstlich aber verneinend den Kopf. Ihnen wäre gar nichts aufgefallen. Euch würde auch nichts auffallen, wenn ich direkt vor euch stehen würde, ihr ollen Zippen, höhnte Gnorp gedanklich und merkte aber sofort auf, als Kalterersee hinzufügte: „Vor Metrik liegen große Haufen und etwas lauert, wie es scheint, im Vorwortwald. Manche wollen einen Waldschrat gesehen haben, andere wieder einen Löwen. Wir wissen es noch nicht. Haltet bitte Eure Augen offen, denn ein Troll könnte direkt hinter Euch sein!“

Das letzte Wort vom Vize war Kruzifix’ Stichwort. Er sprang aus dem Sattel, hechtete in das Gebüsch, wo er Gnorp vermutete, aber die ob der Dramatik hysterisierten Damen kamen ihm in die Quere und er verfehlte sein Ziel und flog unsanft auf die Schnauze. Gnorp hatte genug gesehen und gehört und gab Fersengeld und hinter ihm ließ Kalterersee die Ipse los.


Bulbus

Außer einem brennenden Hintern und einem Brummschädel war Gnorp glimpflich davon gekommen und fand sich kurz darauf in der Wohnhöhle seines Vaters wieder. Trotz oder wegen der nur durch Kerzen erleuchteten Dunkelheit, waren Trollhöhlen ausgesprochen gemütlich. Trolle lasen viel und stapelten ihre Bücher gerne so, dass diese ihnen auch als Möbel dienten. Das war keine Missachtung, wie viele Lybits dachten, die ihre „Klassiker“ in Ruhmeshallen ehrten und für unantastbar erklärten, sondern Ausdruck des Trolls, dass Bücher sein Leben bestimmten. Für alle Trolle – über alle Differenzen hinweg – galt der Leitspruch: Sola scriptura – das Äußerliche zählt nicht! Ein Wahlspruch, der angesichts eines Trolls mit großer Nase und stin-kender Haut nicht wirklich überraschen kann.

Leider ist dies ebenso häufig, wie falsch in die Oberwelt übersetzt worden mit: „Es kann nur einen geben! Streitet um das Wort bis in den Tod!“ Sola scriptura, riefen die Trolle und liefen Sturm gegen diese falschen Unterstellungen, gaben keine Ruhe und kämpften bis in den Tod für ihren Wahlspruch. Bald konnte sich keiner mehr erin-nern, ob erst die Lybits falsch übersetzt oder die Trolle zuvorderst einen Lybit mit Worten zugeschissen hatten.


Gnorps Vater Bulbus, der manche Schlacht geschlagen hatte, war alt geworden. Meist lag er nur noch in seiner Höhle, sang schöne Lieder mit komplizierten Reim-schemata, kratzte sich am Hintern und pfiff den Trollweibern hinterher. Früher hatte er, wie Gnorp es jetzt begann, die Lybits heimgesucht, um in deren - nach seinem Empfinden - selbstgefälligen Hintern zu treten. Mit Cousinen, Tanten und Geschwis-tern zog er an vielen Tagen durch die Oberwelt und ließ sich nicht lumpen, selbst wenn es gegen die mächtigsten Lybits ging, ob das nun Sir Okuhu, der Vater von Elf Gin, oder der legendäre Mad-Ben-Caesar war.

Natürlich hatte Bulbus damals nicht zurück gezuckt, auch Reimdichfressmich-Lybits ihr Gesülze ohne Gnade zurückzustopfen. Wenn es so etwas gab wie Krawallos un-ter den Trollen, Bulbus und seine Sippe waren welche. Aber er war müde geworden und ließ sich nicht mehr reizen. Es sei denn Hualp, ein Artgenosse aus einem ande-ren Höhlensystem, forderte ihn zum hundertsten Male auf, Lybits fertig zu machen. Dem schmiss er das erstbeste Buch, das er greifen konnte an die Rübe und fluchte: Lies erstmal, Depp!


Jetzt stand Gnorp vor ihm und erzählte ihm atemlos, was er erlebt hatte. Bulbus sah in Gnorps leuchtenden Augen, dass der es liebte herumzufurzen und Lybits zu ver-schrecken, aber Bulbus wusste auch, wo die Schwächen dieses kleinen Kerls lagen.

„Ich fühle mich so gut, Vater. Ich muss gleich wieder weg“, sprudelte es aus Gnorp ohne Unterlass. „Ich habe gerade von einem alten Troll und diesem Katersee gehört, dass im Vorwortwald ein Schrat sich herumtreiben könnte. Das ist aufregend.“
„Nun komm erst mal zu Atem, Junge“, unterbrach Bulbus Gnorps Vortrag, weil er schon genug gehört hatte und weil er spürte, dass es Zeit war, die Dinge zu ordnen.
„Willst Du nicht mitkommen?“, fragte Gnorp, immer noch vollkommen von seinen Er-lebnissen erfüllt.
„Bist Du denn vorbereitet, Gnorp?“, fragte Bulbus, richtete sich auf und fixierte den jungen Troll. „Na, klar. Ipse zerdresch' ich und Lybits verklopp ich“, strahlte Gnorp.
„Tolle Reime. Damit wirst Du Eindruck machen.“ Bulbus rieb sich die Augen und schüttelte seinen Kopf. Dann fuhr er hoch und kommandierte: „Wie wird ein Trochäus betont, junger Troll?“
Gnorp biss sich auf die Lippen. Er wusste es nicht. „Was verstehen wir unter dem Spannungsverhältnis von Sinn und Metrum?“, hakte Bulbus flüsternd nach. Gnorps Lippen blieben geschlossen, aber sein ganzer Körper zitterte.
„Welche Kadenz ist betont?“
„Das-ist-mir-egal“, presste Gnorp trotzig zwischen seinen Lippen hervor.
„Aber Lybits willst Du in den Arsch treten?“, höhnte Bulbus.
„Jedem von denen und mit Schmackes!“, erwiderte Gnorp stolz.
„Du meinst wohl, je schwieriger die Aufgabe ist, um so eher darf man sich was erlau-ben, ja?“ Bulbus hatte sich mittlerweile erhoben und schritt gemessenen Schrittes um Gnorp herum.
„Ja“, antwortete Gnorp, wieder mit festerer Stimme.
„Ein Lied muss Reime haben, aber im Sonett darf man sich einen unechten gestat-ten; richtig oder falsch?“, fragte Bulbus in leisem, aber scharfem Ton. Es entstand eine Gesprächspause.
„Richtig“, antwortete Gnorp, eher fragend als fest und eine Träne rann ihm die Wan-ge hinunter.
„Hoffnungslos. Gerade umgekehrt, lieber Gnorp!“, herrschte Bulbus den jungen Troll an und legte lauter werdend nach: „Es ist nicht nötig, dass Du Dir Schwierigkeiten setzt, die Du nicht überwinden kannst. Aber wenn Du springen willst, dann springe richtig! Hast Du das endlich verstanden?“ Bulbus war immer lauter geworden und beim letzten Satz griff er aufs Geratewohl nach einem seiner Bücher und feuerte es dicht an Gnorps Gesicht vorbei. Gnorp heulte los. Bulbus atmete tief durch und beru-higte sich wieder.
Für einen Troll schon zärtlich, vollendete er: „Niemand, hörst Du, niemand braucht einen Graben zu überspringen, der für ihn zu breit ist, wenn du es aber doch ver-sucht und hinein plumpst, so wirst du ausgelacht.“
„Und wieso schaffe ich es nicht, Vater?“, schluchzte Gnorp.
Instinktiv griff Bulbus nach Gnorps Hand, legte sie in die seine und forderte:
„Zähle!“
Gnorp schaute ihn irritiert an und dachte an Versfüße, Betonungen.
„Zähl keine Silben, zähl unsere Finger!“, verlangte Bulbus in sachlichem Ton.
Gnorp schaute auf seine Hand, die ziemlich klein in Bulbus Pranke lag. Er zählte drei Finger bei sich und fünf bei Bulbus. Er wiederholte die Zählung noch ein paar Mal, kam aber immer wieder auf dasselbe Ergebnis.
„Wie viele hast du gezählt, Gnorp?“
“Drei bei mir und fünf bei dir“, antwortete Gnorp zitternd.
„Stimmt. Und woran erinnert dich das?“
„An gar nichts“, erwiderte Gnorp widerspenstig.
„Wer hat auch drei Finger?“, flüsterte Bulbus und griff mit seiner anderen Hand an den Hinterkopf von Gnorp, drückte ihn liebevoll zu sich und wiederholte mit brüchiger Stimme: „Wer hat noch drei Finger, Gnorp?“

Gnorp antwortete nicht und Bulbus und Gnorp verharrten in ihrer Position. Gnorp schoss alles möglich durch seinen Kopf, aber ein Gedanke beherrschte ihn mehr und mehr: Er war kein Troll! Und weil er kein Troll war, hatte er kein natürliches Talent zum Dichten und weil er nicht dichten konnte, hatte er nur drei Finger und weil er nur drei Finger hatte, war er, Gnorp, ein Lybit und weil er ein Lybit war, war Bulbus nicht sein Vater!

Als Gnorp diese Kette geschlossen hatte, riss er sich aus Bulbus Umarmung, fuchtel-te wie wild mit seinen Armen, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte und wie er den Druck los werden sollte. Er heulte, aber er wusste nichts zu sagen, er schlug um sich, aber nur in die Luft, weil er nicht wusste wo er anfangen und wo er aufhören sollte. Schließlich rannte er von Bulbus weg, rannte durch die Trollgänge, kletterte den Schacht zur Oberwelt hinauf und nahm Kurs auf Metrik. Denn wenn er schon ein Lybit sein musste, dann gehörte er dahin.


Verlassen

So stapfte Gnorp, weder links noch rechts schauend, durch die Welt der Lybits. Die Lybits, an denen er vorüber kam, waren so perplex, dass sie erstarrten und sich eine ganze Weile nicht mehr rührten. Als sie wieder zu sich kamen, war Gnorp schon hin-ter der nächsten Biegung verschwunden und so glaubten die Lybits, sie hätten wohl geträumt und bekümmerten sich nicht mehr.

Metrik selbst lag auf einem Hügel in einem dichten Wald, der Vorwortwald oder auch Grüßkekstann genannt wurde. Wer sich hier traf, sprach sich ein freundliches „Grüß Keks“ zu und stellte sich in freundlichem Plauderton vor. Die Lybits mochten es sehr zu plaudern, weil sie von Natur aus neugierig waren und wissen wollten, wer mit ih-nen in ihrer Welt lebte.

Zurzeit aber mieden sie den Wald, weil sich ein unbekanntes Tier dort eingenistet hatte. Da die Lybits in der Regel von kleiner Statur, eher ängstlich und alles andere als wagemutig waren, warteten sie lieber ab, was Lord Elf Gin und sein Vize Kalte-rersee in der Sache unternehmen würden. Elf Gin hatte das Tier schon in Augen-schein genommen, aber sich nur insofern vernehmen lassen, dass er es vielleicht erschießen müsse, auch wenn es selten sei. Vor allem aber hatte er geflucht, weil er in die Haufen dieses Tieres gelatscht war und es ihm mindestens ein Ohr abgekaut hatte.

„Er quatscht ununterbrochen. Un-un-ter-bro-chen!“, fluchte Elf Gin, jede Silbe lang betonend, unter der breiten Krempe seines Schlapphuts, während er durch den Grüßkekstann streifte und bisweilen auf einem Bein hüpfen musste, weil er mit einem seiner Stiefel wie so oft in einen Haufen gelatscht war.

„Es labert. Es labert! Es nervt!“, grummelte Gin und so unwirsch hatten die Lybits ihren König selten gesehen. Er galt sonst als ausgeglichen und bescheiden und lieb-te es, unterschätzt zu werden. Wer Elf Gin bestechen wollte, sollte ein Bonbon in seiner Tasche tragen und keine klingenden Münzen, aber auch Süßkram hortete Elf Gin schon mehr als genug in seinen weiten Taschen.

Und Kalterersee? Und dessen Knappe? Die hatten alle Hände voll zu tun, weil nicht nur Gnorp und ein älterer Troll mit Metapherkappe neugierig geworden waren und zum Wald wanderten, sondern auch viele andere sich unter mannigfaltigsten Tarn-kappen nach Metrik, beziehungsweise deren Wäldern pilgerten.

Kalterersee musste in den letzen Tagen einmal zu oft, auf dem Rücken seines Ros-ses Pink Maiden sitzend, vom Feldherrnhügel aus beobachten, wie Kruzifix Trolle jagte, fand und platzen ließ. Kruzifix war ganz Feuer und Flamme. Kruzifix kannte keine Gnade und Kalterersee wusste, warum Kruzifix kein Jota gewährte.

Wenn Kalterersee nachts, nachdem er bis in den Abend die Trolle gehetzt hatte, wieder in seiner gemütlichen und sauberen Oberwelthöhle saß, dem prasselnden Holz im Kamin lauschte und an die grünen Auen Lybiens dachte, dann sah er un-vermittelt seinen Knappen, wie der, schon mit grünem Trollblut übergossen, seinen Dolch auch noch durch drei Mal geschlachtete Trolle hieb und vor Freude grunzte.

Kalterersee wusste, welche Traumata sein Knappe in diesem Auge um Auge, Zahn um Zahn-Spiel verarbeitete, wusste, dass es nicht schwarz oder weiß in der Welt zuging. Die Welt war grau, so wie der Qualm, den er inhalierte und der aus seinem Pfeifenkopf drang. Er wusste, dass jeder Lybit, wenn er einen Wohlklang, eine Har-monie hörte, sich von einem einzigen Satz, einem Wort so getroffen fühlte, wie von einem Pfeil, sein Herz öffnete und die Welt um sich herum vergaß und sich gehen lassen konnte. Kalterersee stopfte seine Pfeife nach, denn er wusste nur zu gut, wie sehr sich ein Lybit gehen lassen konnte.

Der Vizelord heizte den Tabak im Kopf wieder an und lehnte sich zurück und just in diesem Moment hörte er hinter sich ein Schlagen, wie von Schwingen. Es kam von der Luke, die er immer offen ließ, weil er seine Höhle nicht mit einem Sarg verwech-seln wollte. Kalterersee blies den letzten Qualm aus seinen Lungen, drehte seinen Kopf zur Seite und war nicht überrascht, einen Raben zu erblicken, der ohne Scheu sich auf seiner Fensterbank niedergelassen hatte.

„All mein Trachten, all mein Sehnen? Bleibt unerreichbar vor der Tür“, deklamierte Kalterersee mit verlorener Sehnsucht, schaute weiter auf den Raben und sog erneut an seiner Pfeife. Als er ausblies, sprach er so, als hätte der Rabe ihm geantwortet:
„Wenn ich jetzt nicht gebe, werd’ ich nicht mehren. Wer nur wehrt, wird nichts gewin-nen?“

Der Rabe schwieg, stelzte ein, zwei Schritte über die Bank, spreizte seine Flügel und drohte abzuheben, verharrte aber in der Position, drehte seinen Kopf und schien Kal-terersee direkt anzusehen. So verharrten die Gestalten für Momente. Kalterersee begann zu zittern und hatte Mühe sich zu kontrollieren und ohne dass ein Wort gefal-len wäre, fragte er: „Flieg ich nicht, dann flieg ich nimmermehr?“

Der Rabe aber schwieg und erhob sich wieder in die Nacht von Lybien.

Kalterersee stand auf, ging an sein Fenster und sein Blick schweifte über die nur von Kerzenlicht erleuchteten Hügel und suchte den Pfad, der zum See an den Weiden führte, wo sich der Mond im Wasser spiegelte und er sie damals schnell umgarnt und auch sich selbst hatte bezirzen lassen. Es war ein Wechselspiel der Worte, ein Inein-andergreifen der Kadenzen, aber nur ein Sprung für eine Nacht gewesen. Er schloss seine Augen, klappte die Fensterluke zu und flüsterte: „Nimmermehr!“


Beim Löwen

Als Kalterersee seine Luke schloss, ging es auch für Gnorp nicht weiter. Schmerzhaft bohrte sich eine spitze Kralle durch seinen Schwanz und stoppte seinen Marsch nach Metrik. „Wohin des Wegs, kleiner Kerl?“, erschall eine tiefe Stimme aus der Dunkelheit. Wenn Gnorp ein Troll-Gen geerbt hatte, dann war es Respektlosigkeit.
„Hieltest du mich nicht fest, du müsstest nicht so blöde fragen“, knurrte Gnorp und enthielt sich eines Schmerzensschreis.

„Oha wir haben einen gewitzten Kerl gefunden! Aber man versicherte uns, dass dies hier der Grüßkekswald ist und alle Wanderer, die sich hier begegnen sich ein fröhli-ches und ehrliches Hallo zurufen und sich vom Keks und der Welt erzählen und uns nicht Gegenfragen stellen.“ Während Gnorp dieses vernahm, versuchte er, den Schmerz zu vergessen und sich los zu reißen und wenn es ihn seinen Schwanz kos-tete. Seine Bemühungen schienen seinen Häscher nicht zu bekümmern, denn der fuhr ohne eine Pause im Pluralis Majestatis fort:

„Junger Mann! Wir lieben es, zu erzählen! Wir finden es großartig, wenn sich uns ein Ohr darreicht, dem wir alle Worte dieser Welt schenken können. Wir lieben es, schwärmerisch zu schnurren, schnurrend in die Schlüpfer aller Schlümpfe, schar-wenzelnd zu chambrieren. Hm, das ist eine wohlige Wohltat, ein Fest und eine Freu-de. Ach, wir stehen gerne auf der Bühne, singen vom Licht bis spät in die Nacht und spreizen unsere Krallen erst, wenn unser Antlitz von der Morgensonne wieder illumi-niert wird und die gefühlte Einsamkeit am größten ist.“

Gnorp hielt sich die Ohren zu, weil er das Gefasel nicht mehr aushalten konnte und registrierte nicht, wie die Kralle aus seinem Schwanz gezogen wurde. Erst nach einer Weile bemerkte er, dass er befreit und nur noch ein tiefes, wohliges Brummen zu vernehmen war. Vorsichtig äugte er in die Richtung, aus der das Brummen und die Stimmen gekommen waren und sah, eben noch über den Wipfeln des Waldes, den Kopf eines Löwen, angestrahlt von den ersten goldenen Strahlen der Morgensonne. Der Löwe schien es zu genießen, derart im Rampenlicht zu stehen und sich von der Sonne elektrisieren zu lassen. Er genoss es so sehr, dass er seine Pfoten und die Krallen spreizte.


Der kleine Troll beschloss, sich schnellstmöglich zu verpissen, denn dieser Leu hatte anscheinend mehr als einen Sprung in seiner Schüssel. Gnorp gab Gas, sprang, sprintete los und wähnte sich in Sicherheit, als eine Löwenpfote durch das Holz wischte, ihn so hart traf, dass er sich wie eine Kugel zusammenkrümmte und wieder zum Löwen zurück kullerte, wo er tapsig von den riesenhaften Pfoten eingefangen wurde.

„Wen wir fangen, junger Troll“, und dabei senkte der Löwe seinen Kopf ganz nah zu Gnorp, fuhr eine Kralle aus, kitzelte den Troll damit unter dem Kinn und vollendete in samtenem, aber gefährlichem Ton, „der wird nur durch uns entlassen.“

Gnorp schluckte. Der Löwe hielt den Troll weiter mit der einen Pfote fest, während er sich zur Seite rollte und mit der anderen seinen Kopf aufstützte, nicht ohne zu ver-gessen, vorher lässig seine Mähne durchzuschütteln, was Gnorp mindestens affig, wenn nicht schwul fand. Aber bevor Gnorp derart lästern konnte, drückte der Löwe die Pfote etwas fester zu und sagte:

„Du schuldest uns noch mindestens eine Antwort. Also, von vorn: Wohin des Wegs?“
Kurz überlegte Gnorp, ob es Sinn hatte, zu demonstrieren oder zu protestieren, ent-schied sich aber schnell dafür, das Spielchen mitzuspielen.
„Ich höre!“, wiederholte der Löwe und erhöhte den Druck in seiner Pfote, so dass es Gnorp schon eng am Halse wurde.
„Nach Metrik“, presste er hervor und war froh, dass der Griff sich lockerte.
„So, so, nach Metrik. Du siehst mir aber gar nicht so aus, als gehörtest Du dort hin.“
„Ich bin ein Lybit“, antwortete Gnorp spontan.

Der Löwe hielt inne, hob eine Braue, fokussierte Gnorp mit dem anderen Auge wie mit einer Lupe und entließ den Troll plötzlich aus der Umklammerung. Befreit riss Gnorp seine Arme hoch, spreizte seine Finger und rief triumphierend: „Sieh selbst!“
Der Löwe blickte ihn an, zögerte, bewegte seine Augen nach rechts und dann nach links, zögerte wieder und flüsterte dann unschuldig: „Was denn? Deine große, trop-fende Nase?“ „Nei-en!“, sagte Gnorp entrüstet und ruckte mit seinen Ärmchen vor und zurück, damit der Löwe ihm auf die Finger sähe, doch der erwiderte, als tappte er im Dunkeln: „Deine zotteligen Haare? Die schlechten Zähne? Oder gar Deinen knubbeligen Schwanz?“

„Meine Finger, du Arschloch!“, platzte es aus Gnorp. Die freundliche Miene des Lö-wen fror ein; nur die Krallen der Pfote, die nah bei Gnorp lag, spielten über seinen Rücken eine bedrohliche Tonleiter rauf und runter. Unvermittelt ließ der Löwe ab, presste seine Augen zusammen, als wolle er aus einem Traum erwachen, sich be-sinnen oder neu konzentrieren. In diesem Moment registrierte Gnorp die grünen La-chen und die schwarzen Gliedmaßen, die wahllos auf der immer heller werdenden Lichtung lagen. Diesen Troll hatte es böse auseinander gerissen, dachte Gnorp und wusste instinktiv, dass der Grund vor ihm lag und gerade beliebte, mit ihm zu spielen. Unwillkürlich musste Gnorp hörbar schlucken.

„Oh!“, sagte der Löwe, der, als er sich wieder auf sein Spielzeug konzentrierte, be-merkte, dass Gnorp verstört auf den am Boden verstreuten und verteilten Troll blickte und ergänzte, so als entschuldige er sich für ein Missgeschick : “Das war ein Verse-hen, junger Mann.“ „Massaker trifft es wohl eher“, antwortete Gnorp tonlos.
„Er sah so …, so lecker aus!“ Der Löwe sog die Luft tief ein und sein Blick verklärte sich. „Bislang haben wir nur Bonbons abgestaubt und eine leere Brottüte. Denn wenn überhaupt, hüpft hier nur ein Männlein mit einer Elefantenbüchse vorbei, dass sich selbst das Leben schwer macht, weil es viel zu große Klamotten trägt und dergestalt öfters über seine Gräten fliegt und flucht und sich ärgert und dabei ganz fürchterlich stinkt, weil es in irgend etwas hinein getreten ist, was es logischerweise nicht hat se-hen können, weil ihm der viel zu große Schlapphut über die Augen gerutscht ist.“
Während der Löwe dies erzählte, grimassierte und parodierte er das Verhalten die-ses Männleins und heischte verstohlen zu Gnorp, ob der sich auch amüsiere. Der aber war nicht zu Späßen aufgelegt, inmitten eines Trollblutbads.

Beleidigt, aber nicht wirklich aggressiv, fuhr der Löwe fort: „Ist ja auch ganz egal, nicht wahr? Aber das Männlein, es flucht, es stinkt und es brabbelt immer nur: Weil, weil, weil und Ach, was sollen wir Dir erzählen? So groß ist unser Hunger nicht, dass wir faule Ware fressen müssten, die auch noch Meilen gegen den Wind stinkt! Aber wenigstens verliert er durch sein Gehüpfe, Gemache und Gezeter immer ein paar Bonbons.“ Und wie aufs Stichwort hatte sich der Löwe einen Bonnschen aus dem Papier geschält, beiläufig in den Mund geschoben und wollte auch schon weiterplap-pern, als Gnorp ihn unterbrach: „Warum hast du ihn zerstückelt? Du hast ihn nicht gegessen, du hast ihn einfach so zerfetzt, als hättest du ihm Pampe verabreicht. Wa-rum? Du bist kein Lybit!“

Der Löwe wollte antworten, musste aber erstmal das Bonbon hinunter würgen und signalisierte Gnorp mit kreisenden Bewegungen seiner Pranke, dass er gleich wieder gesprächsbereit sei. Dann stieß er fast entrüstet hervor: „Er sah aber aus wie ein Ly-bit!“, und machte dabei so große Augen, als läge darin die eigentliche Infamie und nicht in den verstreuten Gliedmaßen.

„Du bist echt widerlich“, konstatierte der Troll ohne Emotion, schüttelte angewidert seinen Kopf und stapfte von dannen. „Gnorp! Gnorp! Gnorp, renn nicht weg!“ Und während der Löwe Gnorp theatralisch anflehte, drehte einer seiner Pfoten, den klei-nen Kerl wieder auf Kurs und schob ihn zurück. „Danke, dass du zurückgekommen bist, Gnorp“, schnaufte der Löwe. „Dein durchgetrennter und verstreuter Freund hier, begegnete mir wie ein Zauberspiegel. Ich sah ihn als Kirsche, als Beere, als Knospe und als Frucht, als Apfel und Birne, als süß und als sauer, als verlockend und gefähr-lich und als durchgebraten oder englisch. Und das nach all den Bonnschen! Ich musste einfach zubeißen!“
„Wohl bekomm’s, das war Metapher.“
„Ungenießbar trifft es eher. Wir haben den Kerl wie eine Nuss hochgeworfen, mit un-serem Maul aufgefangen, ihn mit unseren Zähnen voller Erwartung eines crunchigen Geschmackserlebnis durchgeknackt,“ erzählte der Löwe und untersuchte seinen Ra-chenraum mit seiner Zunge nach weiteren Spuren, während er weiter sprach, „aber sobald diese grüne Suppe in den Rachenraum rann, mussten wir alles augenblicklich ausspucken.“, der Löwe schüttelte sich als erinnerte er sich gerade an den Ge-schmack, knipste gedankenverloren einen Ast ab und pulte sich in seinen Zähnen rum ohne sich zu unterbrechen: „Uns war, als drückte der stinkige Brei Gurgel und Nase zu, als platzte uns der Kopf, wir würgten, bis uns der Schweiß aus allen Poren drang und Fell und Mähne strähnig wurden. Es schmeckte so widerwärtig wie ein englisches Praliné und“, bevor er diesen Satz vollendete, hebelte er mit einem leich-ten Knacken einen Essensrest aus seinem Gebiss, der als Schädelplatte Metaphers, vor Gnorps Füßen landete. „was sollen wir Dir sagen, junger Mann? Wir fahren fertig. Durch. Es hat uns Stunden gekostet, das Fell wieder seidig glänzend zu bekommen. “
Gnorp war verzweifelt, denn der Löwe schwafelte und genoss es, einen Zuhörer zu haben ohne darauf Wert zu legen, ob der ihm nun zuhörte oder nicht. Gnorp war sein Gefangener und wenn der Löwe seiner überdrüssig war, würde er ihn vermutlich zer-knacken, zusammenknüllen und wegschmeißen. Aber zum Ende des Vortrags, hatte Gnorp auf einmal eine Idee wie er diesem Vieh entrinnen könnte und gab sich inte-ressierter als er war.
„Euer Fell sieht großartig aus und Eure Mähne sitzt prächtig.“, gab sich Gnorp beein-druckt und grinste innerlich, als er bemerkte wie der Leu wie auf Knopfdruck wohlig zu brummen begann.
„Schmeichler“, schnurrte die Wildkatze.
„Nein, es sieht toll aus. Ihr seht großartig aus: Eure Zähne glänzen und Eure Äugen scheinen lupenreiner als jeder Diamant.“, steigerte der junge Troll sein Lob und der Löwe, voll Verzückung, rollte sich einmal herum und seine Augen signalisierten dem Troll: Sprich weiter!
„Eure Muskeln – so wohl definiert wie das Metrum in einem Sonett, Eure Krallen - so scharf und glatt wie euer Verstand“, Gnorp hielt inne, denn er spürte, dass der Zeit-punkt gekommen war; der Leib des Löwen brummte dergestalt tief, dass Gnorps Haare zitterten und die Augen des Löwen fixierten ihn als seien seine Pupillen be-schlagen „Aber!, aber“, fuhr Gnorp fort und der Löwe war schon beim ersten „Aber“ aufgeschreckt, hatte seine Augen aufgerissen und das Schnurren eingestellt und al-len Mut zusammennehmend schloss Gnorp, „der Fleck an Eurer linken Wange sieht scheußlich aus.“
Der Unterkiefer des Löwen klappte augenblicklich nach unten und hatte die Mähne bis jetzt noch unter einer geheimnisvollen Spannkraft gestanden, so ließ diese au-genblicklich nach und eine Topffrisur rahmte nun das wenig königliche Gesicht.
„Fleck?“, schluckte der Löwe und zitterte am ganzen Leib, während der Troll verlegen in die Luft schaute und hilflos mit den Schultern zuckte. Der Löwe wurde hektisch und wuschelte sich wie verrückt durch seine Mähne. Gnorp trat ein, zwei Schritte zu-rück und überlegte, Reißaus zu nehmen, als ein silbern glitzerndes und das Licht reflektierendes Dingen im hohen Bogen aus der Mähne des Löwen flog und unweit von ihm aufkam. Im Hintergrund hörte er den Löwen mehrfach „Wo ist es“ fluchen.

Gnorp war neugierig und trat heran. Das Ding hatte einen ebenso schmucklosen Stiel wie Rahmen und Gnorp erinnerte es an einen großen Löffel, aber es war nicht gewölbt oder gebogen sondern flach. Aber der Kopf des Löffels, der Kelle oder was es auch war, leuchtete seltsam. Magisch, fand Gnorp dieses Leuchten, tapste näher heran und beugte sein Gesicht herab, um es näher zu inspizieren. Unwillkürlich schrak Gnorp zurück, denn es war ihm als ob ein anderer Troll von ausgesuchter Hässlich- und Andersartigkeit, sich in diesem Moment von unten durch den Waldbo-den durch den Kopf dieser Kelle gebuddelt hätte. Bevor Gnorp einen zweiten Ver-such wagen konnte, das Dingen zu inspizieren, schnipste eine Kralle des Löwen ihn fort.
„Mach es nicht kaputt!“, fauchte der Löwe leicht hysterisch, grabschte sich das Ding, hielt es sich vor sein Gesicht, tatschte seinen Kopf ab und flüsterte hektisch immerzu: „Wo?“
Gnorp hatte ein flaues Gefühl im Magen. Instinktiv wusste der kleine Kerl, wen er da gesehen hatte. Er hatte weniger Angst davor, dass der Löwe in diesem Ding ent-deckte, dass es keinen Fleck, keine Warze gab und dahinter kam, dass ein hässli-cher Kerl, der weder wie ein Troll geschweige wie ein Lybit aussah, ihn hinters Licht geführt hatte, nein, Gnorp hatte Gnorp gesehen und wusste nun, warum der Löwe mehr als stutzig geworden war, als er behauptet hatte ein Lybit zu sein und immer wieder seine drei Finger vorgereckt hatte. Gnorp spürte, dass es Gnorp weder so noch so geben würde und er ließ seinen Kopf hängen, drehte sich um und stapfte in den Wald.
Erwartungsgemäß kam er nicht sehr weit, denn mit zwei spitzen Krallen, fasste der Löwe Gnorp am Kopf, drehte ihn vorsichtig aber bestimmt herum.

„Ist es weg?“, fragte der Löwe ängstlich, schielte ohne unterlass zu Gnorp und lag mit der linken Gesichtshälfte ihm zugewandt auf dem Boden.
Gnorp war irritiert, denn der Löwe hätte in seinem Lichtlöffel doch sehen müssen, dass es keinen Fleck gab, dass es keines Gnorps bedarf, um sich zu vergewissern und dennoch lag er ihm zu Füßen. Traute der Löwe nicht dem was er sah? Durfte Gnorp dem trauen was er gesehen hatte? Weil Gnorp sich sicher war, dass er weder den Augen des Löwen, noch seinen eigenen, geschweige denn, dem Auge eines Löffels vertrauen konnte, sagte Gnorp nur, „Ja.“

„Wunderbar, ich stehe in Deiner Schuld.“, antwortete der Löwe, erhob sich postwen-dend, hatte wieder Spannkraft im Haar, inspizierte sich unentwegt im Licht des leuch-tenden Löffels und war wie elektrisiert von sich selbst. „Schöne Zähne, hohe Wan-genknochen, fleckenlos an jeder Stelle, glänzendes Fell – herrlich!“, schmeichelte er sich selbst in gutturalem Ton.
„Ich geh dann mal“, bemerkte Gnorp, drehte sich um und stapfte zum dritten Male davon.

„Gnorp!“, rief der Löwe hinter Gnorp her, bevor der, die erste Biegung erreicht hatte. Der Löwe unterließ es Gnorp mit Gewalt an seinem Weg zu hindern oder zu stop-pen, falls der nicht wie gewünscht reagierte. „Gnorp!“, wiederholte der Löwe und Gnorp stoppte von selbst, drehte sich um und fragte aus relativ sicherem Abstand: „Was?“
„So kannst Du nicht nach Metrik, kleiner Mann!“, antwortete der Löwe bestimmt.
„Ich bin so gut ein Lybit, wie ich ein Troll bin und vielleicht gehe ich weder dort- noch dahin!“, rief Gnorp trotzig.
„Recht so.“, antwortete der Löwe, „aber für den Fall, dass Du nach Metrik gehst, empfehlen Wir Dir dieses Outfit.“, und dabei stülpte der Löwe Gnorp kurzerhand eine Brottüte über und schnitt ihm Schlitze für Arme, Nase und Augen aus. Das getan bemerkte er zufrieden: „Niemand, niemand sei er Troll, Lybit oder Leu, geht nach Metrik als er selbst.“
Gnorp fühlte sich eingeengt, traute dem Zauber der Brot-Tüte nicht und fragte: „Und warum?“ Der Löwe schmunzelte, legte seinen Kopf neben den von Gnorp, hielt sich und Gnorp das leuchtende Ding mit Stiel entgegen und lächelte.













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#2

GNORP!

in Märchen, Fabeln, Sci-Fi und Fantastisches 04.10.2008 15:11
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte
Anschluss und Ende mit GNORP - II -

Gnorp II

edit:
Link nachgetragen

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