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Kritik des Monats Oktober 2008

in Ausgezeichnete Kritiken 20.11.2008 20:28
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Kritik des Monats Oktober:


Pog Mo Thon zu Siegesfeuer von KleineFeder


Zitat:

Pog Mo Thon schrieb am 13.10.2008 in diesem thread: t67617101f013-Forum.html
Hallo KleineFeder,

ich muss zugeben, dass ich auf dem Schlauch stehe. Offenbar sollten hier zwei unterschiedliche Ansätze zum Prometheus-Thema miteinander verwoben werden: ein Gedicht mit eher klassischem (umarmenden) Reimschema und Paarreim in der Conclusio und eines mit freien Versen und dem einen oder anderen, eher wie zufällig wirkendem Reim. Inhaltlich passend widmet sich das eine der Sage eher konventionell, während das andere ein „Phönixkind“erdichtet, welches evtl. auf den Spuren des Titanensohnes unterwegs ist, so recht verstehe ich das nicht.

Beide sind streckenweise seltsam formuliert und hantieren mit Worten, die ich nicht unterbringen kann. Ich muss jetzt leider versweise vorgehen, weil ich ansonsten gar nicht zusammengeschreibselt bekomme, was mir den Zugang unmöglich macht:

Da steht etwas vom nächsten Phönixkind, ich weiß nicht einmal, wer die davor waren. Und mit einsetzender Geburt erlebt es bereits mit freiem Denken neues Zeitgeschehen, welches darin besteht, dass Götter lenken. Soll das nun doch Prometheus sein? Aber der erlebte doch zunächst das Lenken durch seine eigene Sippe, bevor die dann von Zeus und seinen Kumpanen gestürzt wurden. Was ist jetzt daran neues Zeitgeschehen? Ich bin nicht im Gedicht, ich runzele die Stirn, es erscheint mir ungereimt, was es ja auch ist. Die Reimverweigerung in V4 tut ein Übriges.

In Strophe 2 ändert sich das Sujet: Eben noch in Ägypten beim Feuervogel bin ich jetzt urplötzlich beim Griechengöttersohn Prometheus, der das Feuer vom Himmel holte und u.A. dafür von Zeus bestraft wurde. Die Verbindung checke ich nicht. Ich weiß nicht, welcher Federfluch ihm die Lektion erteilte und die Olympjerperversion und erst recht der entstellte Dativ schmecken mir nicht. Auch weiß ich nicht, was S2V4 mir in seiner Abgerissenheit sagen will.

In S3 sind wir jetzt wieder bei dem ominösen Phönixkind und ich begreife gerade noch, dass dieses nach seinem Erwachen mit freiem Geist erkannte, dass Götter lenken und strafen und zwar wie. Offenbar handelt es sich also um eine erneute Reinkarnation des ägyptischen Feuervogels, der bei einer seiner Reinkarnationen das Schicksal des Prometheus mit ansehen muss. Es unternimmt nichts, sondern schweigt und flieht. Was daran noch Widerstand ist, weiß ich nicht. Aber es entflieht offenbar der Engstirnigkeit, der mangelnden Phantasie usw. den „ewig schmalen Horizonten“. Damit sollen die Olympier gegeißelt werden? Zeus bestrafte Prometheus, weil der ihn zu überlisten trachtete, weil der sich für klüger als die Götter hielt. Für jemanden mit Allmachtsanspruch ist nachvollziehbar, das nicht dulden zu können. Die Menschen selbst, die jetzt dank Prometheus das Feuer hatten, gebrauchten es doch eifrig und schwingen sich doch seitdem auch pausenlos zu Göttern auf? Ich sag ja, ich bin verwirrt.

Noch verwirrter macht mich, wohin das Kind nun flieht und wie: es „verhallt durch Säle, läuft in Stimmen, schwebt durch surreale Welten“. Spätestens beim letzten Hinweis habe ich keine Lust mehr. So funktioniert das nicht. Entweder der Dichter beschreibt mir eine Welt, die ich hernach als surreal bezeichnen mag, oder er lässt es. Unter „surreale Welten“ kann ich mir nichts vorstellen, das heißt gar nichts. Wenn ich nun besonders empathisch sein möchte, drängt sich mir nun auf, dass diese Feuervogel vielleicht nur eine Metapher für die Sage selbst ist. „Läuft in Stimmen“ hielte ich dann für eine gelungene Metapher, „verhallt durch Säle“ weiterhin nur für schräg.


In S4 nun ruft der Dichter aus: „…oh, Zeus! Du bist kein Gott! Bloß selbstgerecht.
Dein so falscher Stolz und Größenwahn
weckten Phönixfeuer und Titan.
Ich bleib nicht länger dir ein Knecht!“

Sprachlich empfinde ich das als die beste Strophe (bis auf das „so“ in V2) und es erinnert an den Goethe’schen Prometheus. Jedoch legt die Fortsetzung nahe, dass Prometheus selbst hier rufen soll, dass darin quasi seine (An-)Klage am kaukasischen Felsen besteht und das trifft nicht zu. Erstens hat Prometheus die Strafe akzeptiert, seine laute Klage galt den Schmerzen. Zweitens war es wohl eher der prometheische Größenwahn, der zur Strafe führte. Schließlich hatte er selbst Gott gespielt und dann wollte er Zeus mit einem Hütchenspielertrick betuppen und zeigte sich hinterher auch noch als schlechter Verlierer und stahl den Einsatz. Auch V3 ist seltsam, denn erneut verstehe ich das Phönixfeuer nicht (das wäre die Sonne) und ein Titan ist Zeus auch selbst. Sollte gemeint sein, dass Zeus Prometheus erst möglich machte, da er Kronos nicht nur stürzte, sondern auch zwang, alle seine zuvor verschlungenen Kinder wieder auszuwürgen? Das wäre jetzt etwas unfair. Und ein wenig Dankbarkeit hätte Prometheus auch gut zu Gesicht gestanden. Stattdessen spielt er mit Lehmklumpen und baut Menschen. Statt ihm nun sein Spielzeug wegzunehmen, verlangen die Götter lediglich Opfer und Anbetung, ein vergleichsweise kleiner Preis. „Knechtschaft“ wurde weder von Prometheus, noch von seinen Menschlein gefordert.

Ich bitte um Entschuldigung für den kleinen Exkurs, aber ich wollte verdeutlichen, was mir hier so zu schaffen macht. In der nächsten Strophe sind wir wieder bei dem Phönixkind: Dieses „erwacht“ jetzt erst, obwohl es bereits vorher wachen Sinnes war, durch die Klagen des Prometheus und versteht „es“. „Es“? Abgesehen von der Erkenntnis der ersten Strophe, ist jetzt bitte was gemeint? Und es geht bizarr weiter: Eben erwacht, weicht das Kind den Kräften Morpheus, schläft also nicht sofort wieder ein und dadurch entgleitet es Natur und Schicksal, (nur?) um seinen wahren Meister zu finden. Und der kommt aus Deutschland, wissen wir ja, und heißt Tod. Hier sogar finaler Tod, schon klar, es ist Essig mit dem Wiederauferstehen. Dann schnell noch das Elysium verbraten, in welches das Phönixkind, zum griechischen Helden mutiert, entrückt wird und der Sagenmix ist einigermaßen gequirlt.

Wer jetzt noch nicht verwirrt ist, darf es angesichts der letzten Strophe werden. Das eben ins Elysium entrückte Phönixkind entfesselt den Götterfeind. Dann müsste es sich um Herakles handeln, nur hat der mit dem Phönix genau so wenig zu tun und lungert auch nicht im Elysium herum, sondern wurde in den Olymp gehoben, obwohl er den „Götterfeind“ nach erst 30 von 30.000 Jahren befreit. Aber der Götterfeind machte ja später auch seinen Frieden mit Zeus und vice versa. In diesem Gedicht entfacht Dank Prometheus’ „Silberfackelzunge“ (was ist das?)und Adlerlieder kommen „aus den lahmen Lungen“. Sind die lahmen Lungen gemeint, die Seefahrer über Meilen seine Klagelaute hören ließen? Und welcher Blutgusshain (schreckliches Wort) ist gemeint? Wieso siegt Prometheus über Zeus, wo er doch zumindest symbolisch an den Kaukasus gefesselt bleibt? Wer ist Albatros? Wer sind die „Wir“ die dem Olymp und dem Hades (Tartaros) trotzen? Die Menschen hat Zeus doch erfolgreich zu Opfer und Anbetung gebracht, nachdem er ihnen mittels Pandora und der Mithilfe durch Prometheus zu spät bedenkendem Bruder alle denkbaren Übel verpasst und die Hoffnung vorenthalten hatte? Diese Lektion in Demut haben nicht nur die Menschen gelernt, sondern auch und gerade Prometheus. Noch zu Beginn war er stolz und unbeugsam und enthielt Zeus die Weissagung bevor, wonach dieser durch eine Heirat stürzen würde. Also schickte Zeus ihm täglich den Adler vorbei, um das Organ der Übermut, der Hybris, nämlich die Leber fressen zu lassen, die dann aber in der Nacht nachwuchs. Auch seinen Stolz besiegte Prometheus jedoch an dem Felsen, weshalb die Weissagung sich bekanntlich nicht erfüllte.

Für mich bleibt das also alles Flickschusterei. Ich kann damit nichts anfangen und da ich Gereimtes so sehr schätze, kann ich mich mit den ungereimten Strophen noch weniger anfreunden.

Gruß
Mattes




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